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Die zweite Welle der Corona-Epidemie verschärft die Probleme für das Business und die Armen


In der vergangenen Woche haben die Beamten die Besonderheiten des Etats-2021 diskutiert, der auf Prognosen basiert, die die neue Zunahme der Coronavirus-Erkrankungen nicht berücksichtigen. Bei den am 5. Oktober erfolgten parlamentarischen Anhörungen im Föderationsrat (Oberhaus des russischen Parlaments – Anmerkung der Redaktion) waren die Leiter des Rechnungshofes und des Finanzministeriums hinsichtlich der Basischarakteristika des wichtigsten Finanzdokumentes des Landes unterschiedlicher Meinung. Alexej Kudrin, Chef des Rechnungshofs, erklärt, dass die im Etat geplante Anhebung von Steuern der Staatskasse zwar zusätzliche 600 Milliarden Rubel beschere, die Wiederbelebung der Wirtschaft aber behindere. „Die zusätzliche Steuerinitiativen der Regierung bringen 590 Milliarden Rubel im Jahr 2021, 732 Milliarden Rubel im Jahr 2022 und 706 Milliarden Rubel im Jahr 2023. Diese Zunahme der Steuerbelastung für die Wirtschaft bringt eine Erhöhung des BIP um mehr als 0,5 Prozent in der Krisenzeit“, teilte Kudrin mit. Finanzminister Anton Siluanow behauptete seinerseits, dass der Haushalt praktisch nichts von der Anhebung der Steuern erhalte, da er eine äquivalente Summe als zusätzliche Vergünstigungen ausschütten werde. „Die Geldpräferenzen insgesamt hinsichtlich des Haushaltssystems im Jahr 2021 belaufen sich auf über 520 Milliarden Rubel, die zusätzliche (steuerliche) Belastung – 547 Milliarden Rubel. Das heißt: Insgesamt tragen diese Veränderungen einen neutralen Charakter für den Etat“, unterstrich er. 

Am vergangenen Dienstag (am 6. Oktober) kehrte überraschend das Thema der Indexierung der Renten für arbeitende Rentner auf die Tagesordnung zurück, deren Neuberechnung nach 2015 ausgesetzt worden war. Das Thema der Indexierung tangierte der Fraktionschef der Partei „Gerechtes Russland“, Sergej Mironow, im Verlauf einer Videoschaltkonferenz von Präsident Wladimir Putin mit den Leitern der Staatsduma-Fraktionen. Mironow erinnerte daran, dass der Etat für das Jahr 2021 nach wie vor ohne eine Berücksichtigung dieser Indexierung erstellt werde. Betont wurde, dass die jährlichen Kompensationszahlungen für die berufstätigen Rentner rund 500 Milliarden Rubel erfordern würden, was die Frage nach der Suche von Haushaltsmitteln aufwerfe.  

Zusätzliche Finanzierungsquellen ausfindig zu machen, ist ziemlich schwierig, wenn weiter Kapital aus dem Land abfließt. Wie in der vergangenen Woche in der Zentralbank mitgeteilt wurde, sind die ausländischen Direktinvestitionen in russischen Unternehmen im Zeitraum vom Januar bis einschließlich September des laufenden Jahres faktisch um über 80 Prozent zurückgegangen – von 24,2 Milliarden Dollar vor einem Jahr bis auf 4,7 Milliarden Dollar im laufenden. Seinerseits machte der reine Kapitalabfluss aus der Russischen Föderation im Zeitraum vom Januar bis einschließlich September dieses Jahres 35,5 Milliarden Dollar aus, was um das 1,7fache mehr war als im Vorjahr, unterstrich man in der Zentralbank. 

Den Investoren beschert auch die neue Forderung gegenüber „Gazprom“ im Zusammenhang mit dem Bau von „Nord Stream 2“ keine zusätzliche Zuversicht. Das polnische Amt für Wettbewerbs- und Verbraucherschutz UOKiK gab am Mittwoch bekannt, dass es den „Gazprom“-Konzern und dessen Partner aufgrund des Baus von „Nord Stream 2“ bestrafe. Die polnischen Behörden fordern von „Gazprom“ die Zahlung von 7,6 Milliarden Dollar, und von den Gläubiger-Unternehmen noch einmal insgesamt rund 60 Millionen Dollar. 

Die schwachen Perspektiven hinsichtlich eines Wirtschaftswachstums in der Russischen Föderation werden durch die zweite Coronavirus-Welle in der Welt und in Russland belastet. Die Pandemie und die Folgen der Coronakrise haben bereits das Problem der akuten Armut in der Welt verschärft, teilte man am Donnerstag in der Weltbank mit. Die Anzahl der Menschen, die sich in einer schlimmsten Armut befinden (die mit weniger als zwei Dollar am Tag auskommen müssen), werde in diesem Jahr um 88 bis 115 Millionen ansteigen, und in den Jahren 2020-2021 – um 150 Millionen Menschen, berichteten Analytiker. Der Anteil der Armen in der russischen Bevölkerung wird auch größer. 

Vor diesem Hintergrund wurde die Entscheidung des Nobel-Komitees, den Friedensnobelpreis dem Welternährungsprogramm (WFP) der Vereinten Nationen in diesem Jahr zu verleihen, besonders zur Kenntnis genommen. Die Auszeichnung wird „für die Bemühungen im Kampf gegen den Hunger sowie den Beitrag zur Verbesserung der Friedensbedingungen in Konfliktgebieten und für die Rolle als eine Triebkraft, die die Ausnutzung des Hungers als eine Kriegswaffe verhindert“, verliehen. Im Komitee teilte man mit, dass „das Welternährungsprogramm unter den Bedingungen der COVID—19-Pandemie die beeindruckende Fähigkeit demonstrierte, seine Anstrengungen in solchen Ländern wie Jemen, die Demokratische Republik Kongo, Nigeria, Südsudan und Burkina Faso zu verstärken“, meldete die russische Nachrichtenagentur Interfax. 

In Russland werden bereits fast 14.000 neue Fälle einer Ansteckung mit dem Coronavirus am Tag fixiert. Die Offiziellen erklären bisher, dass es für die Wirtschaft des Landes keine zweite totale Quarantäne und damit keinen zweiten Lockdown geben werde, doch die einheimischen Wirtschaftsvertreter bereiten sich schon auf das Schlimmste vor. Umfragen unter Unternehmern zeigen, das sim Falle einer Wiederholung des Frühjahrsszenarios mit einer Isolierung bereits bis zu 70 Prozent des Kleinunternehmertums und Mittelstands den Markt verlassen werden. Laut Informationen des Unternehmens „Evotor”, das Daten von Online-Kassen erfasst, ist der Erlös des Kleinunternehmertums und Mittelstands in Russland in der vergangenen Woche gleich um 14 Prozent eingebrochen. Der beinahe einzige Wirtschaftssektor, mit dem die Herrschenden heute prahlen können, ist die Landwirtschaft. Landwirtschaftsminister Dmitrij Patruschew erklärte in der vergangenen Woche, dass Russland im Jahr 2020 die zweite Getreiderekordernte in der Geschichte einbringen werde. Der Ertrag bei den Getreidekulturen werde mindestens 125 Millionen Tonnen ausmachen. Um zehn Millionen Tonnen höher lagen die Werte nur im Jahr 2017.