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Drei Punkte der Forderungen Merkels gegen einen Punkt Putins


Zufällig habe ich auf die TV-Sendung „Auf den Punkt“   „Proteste in Belarus: Wie reagiert Putin?“ gestossen. Die Teilnehmer: Olga Dryndova (Politologin), Gesine Dornblüth (freie Journalistin), Vladimir Esipov (DW)haben am 20 August versucht zu erörtern, was passiert in Weißrussland.

Obwohl die Teilnehmer mit dem Thema angeblich vertraut waren war es schwer zu verstehen was oder wer steht hinter Protesten in diesem zentraleuropäischen Land. Ich habe versucht in einem kritischen  Kommentar, dieses Thema zu erläutern. Die Tatsache, dass in wenigen Tagen ihn mehr als 60 Tausend Leser  gesehen haben überzeugt mich, dass ich auf dem richtigen Weg bin.

Am Dienstag rief Bundeskanzlerin Angela Merkel den russischen Präsidenten Wladimir Putin an und erörterte mit ihm die politische Krise in Weißrussland, die nach dem Sieg von Alexander Lukaschenko bei den Präsidentschaftswahlen entstanden war. Vom Wesen her nannte Merkel im Gesprächsverlauf drei Punkte der Forderungen der deutschen Seite. Dies sind eine Beendigung der Anwendung von Gewalt gegen die Demonstranten seitens der gegenüber Lukaschenko treuen Rechtsschutzorgane, eine unverzügliche Freilassung der politischen Gefangenen und die Aufnahme eines Dialogs mit der Opposition.

Von russischer Seite aus war die Nichtakzeptanz jeglicher Versuche einer äußeren Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Republik, die zu einer weiteren Eskalation der Krisen führen würden, akzentuiert worden. Dies folgt aus einer Mitteilung, die auf der Internetseite des Kremls und durch eine Reihe russischer Nachrichtenagenturen veröffentlicht worden war. Putin bekundete die Hoffnung auf eine schnellstmögliche Normalisierung der Lage in Weißrussland.  

Bereits am 5. August hatte mit Deutschlands Kanzlerin die Konkurrentin des amtierenden Präsidenten Alexander Lukaschenko bei den vergangenen Wahlen, Swetlana Tichanowskaja, telefonierte. Sie erzählte Merkel von ihren Befürchtungen um ihr Leben und bat um Hilfe bei der Organisierung eines gerechten Machtwechsels. 

Der deutsche Fernseh-Nachrichtensender n-tv legte den Akzent auf zwei jüngst erfolgte Telefonate (am 15. und 16. August) von Lukaschenko und Putin, bei denen er im Falle einer Einmischung von außen auf die Gewährung von Hilfe für Weißrussland im Rahmen der Organisation des kollektiven Sicherheitsvertrages bestanden hatte. Gleichzeitig berichtete n-tv über am Montag begonnene Bewegungen von Einheiten der russischen Garde aus Moskau und Sankt Petersburg in Richtung Weißrusslands. Der Sender bezeichnete diese Meldungen als unbestätigte. Über sie hatte auf Facebook auch eine Gruppe russischer Blogger aktiv berichtet, freilich auch im Konjunktiv.

Laut einer Meldung von Reuters warnte Jürgen Hardt, außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Moskau eindringlich vor einem militärischen Eingreifen im Nachbarland Belarus. Ein Völkerrechtsbruch durch Russland, wie er 2014 in der Ukraine geschah, würde die europäische Friedensordnung erneut tief erschüttern. Hardt selbst setzte große Hoffnungen in das Treffen der Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Mitgliedsländer, das am Mittwoch im Online-Regime erfolgte und den Ereignissen in Weißrussland gewidmet war. 

Dirk Wiese, Koordinator der Bundesregierung für die zwischengesellschaftliche Zusammenarbeit mit Russland, Zentralasien und den Ländern der Östlichen Partnerschaft, erklärte in einem Interview des Hörfunksenders „Deutschlandfunk“, dass er mit keinem Eingreifen Russlands in Belarus vor dem Hintergrund der Massenproteste in diesem Land rechne. „Das Verhältnis Belarus-Russland ist längst nicht mehr so gut, und das Verhältnis Putin-Lukaschenko – so nehme ich es jedenfalls in den letzten Jahren wahr – ist auch merklich abgekühlt… Stand heute ist – und das ist meine Bewertung, … dass es aktuell keine rechtliche Grundlage für Russland gibt, hier zu intervenieren. … Wenn ich mir die Bewegung anschaue, die momentan in Belarus für Selbstbestimmung, für Freiheit und für faire Wahlen auf die Straße geht, das ist keine Bewegung, die irgendwie proeuropäisch ist oder antirussisch ist“, erläuterte der SPD-Politiker. 

Nach Aussagen von Dirk Wiese sei es gegenwärtig wichtig, Lukaschenko deutlich zu verstehen zu geben, dass friedliche Demonstrationen zulässig sind. Man müsse einen Runden Tisch mit der Opposition organisieren, und möglicherweise auch mit Unterstützung der OSZE, deren Mitglieder sowohl Weißrussland als auch Russland sind. Zuvor hatte die Weißrussland-Expertin Beate Apelt aus der Friedrich-Naumann-Stiftung jedoch ein militärisches Eingreifen Russlands nicht ausgeschlossen, wobei sie darauf verwies, dass Moskau eine prowestliche Orientierung von Minsk nicht dulden werde.

Allem nach zu urteilen ist für Putin die Frage nach der Beurteilung des Grades der Einmischung seitens des Westens in die weißrussischen Angelegenheiten ein Problem. Es ist offensichtlich, dass die Koordinierung der Proteste in Weißrussland vom Wesen her vom Territorium Polens aus durch den weißrussischen Journalisten und Blogger Stepan Putilo, der als Nexta bekannt ist, erfolgt. Für seine Meldungen nutzt er einen Telegram-Kanal, der auf der Basis des gleichnamigen YouTube-Blogs eingerichtet wurde. In der vergangenen Woche ist die Zahl seiner Follower von 300.000 bis auf zwei Millionen angestiegen. Es muss gesagt werden, dass dieser Kanal seit 2015 existiert und eng mit dem polnischen TV-Kanal Belsat liiert ist, bei dem der Vater von Stepan Putilo arbeitet. Dabei positioniert sich Belsat als erster unabhängige Fernsehkanal in Weißrussland und sendet in weißrussischer und russischer Sprache. 

Zweifellos kann man entsprechend der Logik Putins die Appelle von Swetlana Tichanowskaja, der Konkurrentin Lukaschenkos bei den Präsidentschaftswahlen und die sich jüngst zum nationalen Führer von Weißrussland erklärte, an ihre Anhänger in Weißrussland vom Territorium Litauens aus auch als eine Einmischung aus dem Ausland interpretieren. 

Wahrscheinlich hat Putin gerade auf diesen Umstand auch die Aufmerksamkeit des französischen Präsidenten Emmanuel Macron gelenkt, mit dem am Dienstag gleichfalls ein Telefonat stattfand. Schließlich hatte Macron zuvor auf seinem offiziellen Twitter-Profil geschrieben, dass „die Europäische Union sich weiterhin für die Hunderttausenden Weißrussen, die friedlich für die Achtung ihrer Rechte, Freiheit und Souveränität protestieren, einsetzen“ müsse. 

Zweifellos wird Vieles bei der Ausarbeitung der Haltung der EU und folglich bei der weiteren Entwicklung der Situation in Weißrussland davon abhängen, ob es Putin gelungen ist, sein Verstehen der Situation in Weißrussland Merkel und Macron deutlich zu machen. Klar ist, dass die EU sich gegenwärtig wohl kaum eine Verhängung von Sanktionen gegen Weißrussland als Staat einlassen wird.

Nach Aussagen von Polens stellvertretendem Außenminister Paweł Jabłoński könnten die Androhungen von Sanktionen ohne Angebote für eine Zusammenarbeit mit der EU Weißrussland zu einer Verstärkung der Zusammenarbeit mit Russland veranlassen. „Die Weißrussen müssen die Möglichkeit haben, selbst ihren Entwicklungsweg zu wählen. Unsere Rolle besteht darin, ihnen eine reale Auswahl zu bieten“, erläuterte Jabłoński. 

Am Mittwoch erwartete man die Verhängung von Sanktionen, aber nur gegen einzelne weißrussische Staatsbeamte. Die Frage einer Nichteinmischung der EU in die Angelegenheiten Weißrusslands bleibt vorerst aber eine offene. Wie auch die Wahl der Methode und Form des Handels durch Putin in der sich entwickelnden Situation.