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Droht „Jabloko“ eine Spaltung aufgrund Nawalnys


Mitstreiter von Alexej Nawalny haben hart auf den negativen Kommentar des Kremls aufgrund der Vergabe des Sacharow-Preises des Europaparlaments an ihren Führer reagiert. Doch auf die Attacken seitens der Führung der „Jabloko“-Partei lenken die Nawalny-Vertreter demonstrativ keine Aufmerksamkeit, obgleich sie die Partei von Grigorij Jawlinskij bereits eine Woche lang unternimmt. Derweil wird unter den einfachen Mitgliedern von „Jabloko“ eine Erklärung über die Ablehnung solch einer Politik verbreitet. Bisher unterzeichnen sie die Moskauer und Petersburger Parteimitglieder am aktivsten. Die Risse in „Jabloko“ oder gar ihre mögliche Spaltung machen – allem nach zu urteilen – der Parteispitze keine Angst.

Der Pressesekretär des Präsidenten Dmitrij Peskow hatte, dabei erneut nicht den Namen von Nawalny nennend, hinsichtlich der Vergabe des Preises erklärt: „Keiner kann uns zwingen, Achtung für derartige Entscheidungen aufzubringen“.

Die Nawalny-Vertreter reagierten stürmisch, wobei sie die Herrschenden an die Vergiftung und Inhaftierung ihres Anführers, aber auch an die Unterdrückung der Opposition im Vorfeld und während der Wahlkampagne dieses Jahres inkl. der harten Kampagne zur Neutralisierung des „Smart Votings“ erinnerten. Bezeichnend ist jedoch, dass auf den Informationsportalen der außerparlamentarischen Kräfte nicht ein einziges Wort der Verurteilung dessen aufgetaucht ist, dass – wie sich herausstellte – ein Vertreter von „Jabloko“ direkt im Europaparlament für eine Entscheidung über den Ausschluss Nawalnys aus der Liste der Kandidaten für den Sacharow-Preis geworben hatte. Dies bestätigte gegenüber dem hauptstädtischen Hörfunksender „Echo Moskaus“ einer der ältesten „Jabloko“-Vertreter, der stellvertretende Parteivorsitzende und Chef der Moskauer Parteiorganisation Sergej Iwanenko. „Ungeachtet dessen, dass er natürlich ein politischer Gefangener ist, doch der Sacharow-Preis hat nicht im Geringsten etwas mit ihm zu tun. Er ist ein Nationalist, der zu sozialer Zwietracht aufruft. Er ist ein Mann völlig undemokratischer Anschauungen“, charakterisierte Iwanenko die Figur Nawalnys. Nach seinen Worten hatte er persönliche Schreiben an eine Reihe von Abgeordneten des Europaparlaments gesandt. Folglich habe die Partei „Jabloko“ hier ihre Finger nicht im Spiel gehabt.

„Ich denke, dass dies eine sehr schlechte Entscheidung ist, die sehr schwer die Entwicklung der Demokratie nicht nur in Russland, sondern auch in Europa beeinflusst“, erklärte der „Jabloko“-Vertreter. Derweil sind in einigen Medien auch unangenehmere Zitate von Iwanenko aufgetaucht. Er habe die Euro-Parlamentarier angeblich daran erinnert, dass sich Nawalny auch von machtfreundlichen Positionen aus über die Zugehörigkeit der Krim zu Russland geäußert und gar mehrfach die Meinung des russischen Präsidenten geteilt hätte, dass die Russen und die Ukrainer vom Wesen her eine Nation seien, womit er wahrscheinlich viele Bürger der Ukraine beleidigt habe, die damit nicht einverstanden seien. Es war sogar merkwürdig, dass die üblicherweise in den sozialen Netzwerken sehr viel Rummel auslösenden Nawalny-Vertreter solche Äußerungen im Stil einer Denunziation sozusagen nicht zu bemerken schienen. Möglicherweise gibt der gegenwärtige Anführer der Nawalny-Anhänger Leonid Wolkow so zu verstehen, dass er sein Versprechen erfüllen wird, die lautesten Schreie jener politischen Kraft ignorieren werde, die bei den Wahlen nicht mehr als auf ein Prozent der Stimmen komme.

Dies hatte Wolkow selbst noch am vergangenen Wochenende mitgeteilt, als „Jabloko“ deutlich demonstriert hatte, dass die Partei eine Diffamierungskampagne gegen die die Nawalny-Vertreter insgesamt und gegen das „Smart Voting“ in Sonderheit begann. Es sei daran erinnert, dass „Jabloko“ eine Sitzung des föderalen Politkomitees der Partei durchgeführt hat – jenes Gremiums, in dem das Amt dessen Vorsitzenden die einzige offizielle Funktion von Jawlinskij in seiner Partei ist. Und danach hat man im Verlauf der ganzen Woche im Internet unterschiedliche Invektive gegen Nawalny und seine Bewegung gepostet. Man deklarierte sie (die „Jabloko“-Funktionäre – Anmerkung der Redaktion) als Vertreter „moderner Bolschewiken“ in der außerparlamentarischen Opposition, die so sozusagen auf Schulterschluss mit den gegenwärtigen Herrschenden zusammen mit der KPRF und den übrigen Duma-Parteien gehen würden.

Am Abend des 20. Oktober erfolgte eine Reaktion auf solche Äußerungen innerhalb von „Jabloko“ an sich. Im Internet tauchte die Erklärung einer Gruppe von Parteimitgliedern auf. „Wir sind der Auffassung, dass die Parteiführung derzeit gegen all jene handelt, die die Werte der Partei teilen. Anstelle einer Kritik an der Staatsmacht und am Wahlsystem, anstatt Überlegungen über die Ursachen des Scheiterns der Partei bei den Wahlen kritisiert das föderale Politkomitee leidenschaftlich den politischen Gefangenen Nawalny und die Strategie des „Smart Votings“. Wir schämen uns dafür, dass die Partei sogar bis zum Erstellen von Listen von Anhängern des „Smart Votings“ gekommen ist! Dies ist eine richtige öffentliche Denunziation“, heißt es in diesem Dokument. Freilich ist es schwierig, dessen Echtheit und die tatsächliche Anzahl seiner Unterzeichner zu überprüfen. „Keiner von uns konnte sich beim Beitritt zur Partei Derartiges vorstellen. Wir sind gezwungen einzugestehen, dass die Parteiführung gegenwärtig einen richtigen Kampf um die Zivilgesellschaft in Russland führt. Und wir fordern, diesen Kampf einzustellen und die Vollmachten niederzulegen.“ Mit solchen Worten endet diese Erklärung.

Anfangs hatten rund 50 Menschen diese unterschrieben. Innerhalb von 24 Stunden hat sich ihre Anzahl fast verdoppelt. Selbst für die mitgliederarme Partei „Jabloko“ ist dies dennoch eine unerhebliche Zahl. Doch die Gefahr für die Partei, in der es aufgrund von Nawalny zu knistern und bröckeln begonnen hat, besteht offensichtlich darin, dass es die meisten Unzufriedenen in Moskau und Petersburg gibt, die für „Jabloko“ die wesentlichen elektoralen Territorien sind. Allerdings besteht der Verdacht, dass sich die Parteiführung nur über das Auftauchen offener Dissidenten freuen wird. Nach deren Ausschluss aus den Parteireihen, und gerade die Einführung dieser Bestrafung schlägt das föderale Politkomitee für die Sympathisanten des „Smart Votings“ und der Nawalny-Vertreter vor, wird es einfacher werden, die Konzeption für eine Konservierung von „Jabloko“, die Jawlinskij persönlich ausgedacht hat, zu realisieren. Vor den Wahlen war er gezwungen gewesen, scheinbar seinen Plan aufzugeben, da das regionale Aktiv in den Kampf stürmte. Jetzt aber ist eine entsprechende Reform der Partei bereits angekündigt worden. Es sei daran erinnert, dass in „Jabloko“ eine Kandidatenzeit für die weitere Mitgliedschaft werden soll. Die Parteimitglieder werden in mehrere Kategorien unterteilt. Die Parteifunktionäre werden ständig wechseln. Und über all dies wird der Oberste Rat Aufsicht führen, der aus Jawlinskij persönlich ergebenen „Jabloko“-Ältesten gebildet wird. Dieses oberste Gremium wird sich überdies inoffiziell auch über allen Parteiorganen befinden.