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Duschanbe und Taschkent wollen den Saressee „anzapfen“ 8


Tadschikistan und Usbekistan planen, die Ressourcen des Saressees für eine Versorgung der Bevölkerung der Region mit sauberem Trinkwasser zu nutzen. Bei einer in Duschanbe erfolgten Tagung der gemeinsamen Arbeitsgruppe beider Länder für eine komplexe Nutzung der Wasserressourcen der grenzüberschreitenden Flüsse Zentralasiens wurde die Möglichkeit erörtert, alljährlich bis zu 1,5 Kubikkilometer (1,5 Milliarden Kubikmeter bzw. 1,5 Billionen Liter) Wasser aus dem Hochgebirgsgewässer abzuleiten. Solch eine Menge könnte rund drei Millionen Hektar Ackerflächen mit Wasser versorgen und die Wasserversorgung für etwa fünf Millionen Einwohner beider Länder verbessern. Experten bekunden ernsthafte Befürchtungen, wobei sie vor potenziellen katastrophalen Folgen für die Region im Zusammenhang mit einem großangelegten Abzapfen von Wasser aus dem Saressee warnen.

Bei der Tagung der gemeinsamen Arbeitsgruppe für Wasserressourcen, an der Tadschikistans Minister für Energiewirtschaft und Wasserressourcen Daler Dshuma und Usbekistans Minister für Wasserwirtschaft Schavkat Khamrajew teilnahmen, wurden innovative grenzüberschreitende Projekte erörtert, die auf eine Optimierung der Nutzung der gemeinsamen Wasserressourcen abzielen, meldete der Pressedienst des tadschikischen Energieministeriums. Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand die Frage nach einer Aufteilung der Wassermengen der grenzüberschreitenden Flüsse Amudarja und Syrdarja, deren Gesamtjahresmenge rund 100 Kubikkilometer ausmacht. Die Seiten bekräftigten ihr Festhalten an den Prinzipien einer gerechten Wasseraufteilung, denen entsprechend Usbekistan rund 50 Prozent der Wassermengen dieser Flüsse erhält, Tadschikistan – etwa 15 Prozent.

Im Verlauf des Treffens wurden gleichfalls Pläne für eine Modernisierung der hydrotechnischen Infrastruktur inklusive einer Rekonstruktion der Bewässerungssysteme und Implementierung wassersparender Technologien.

Besonderes Augenmerk wurde der Frage nach einer gemeinsamen Nutzung des Saressees geschenkt, der sich im Autonomen Gebiet Berg-Badachschan Tadschikistans befindet. Laut vorläufigen Angaben werden in den nächsten fünf Jahren 500 Millionen Dollar für gemeinsame Projekte in diesem Bereich investiert, meldete die Nachrichtenagentur Eurasia Today.

Die in Duschanbe erfolgte Tagung wurde zu einem wichtigen Schritt bei der Verstärkung der Wasser-Kooperation zwischen Tadschikistan und Usbekistan, wobei die Bereitschaft beider Länder zu einem konstruktiven Dialog und gemeinsamen Handlungen bei der Lösung der Wasser-Fragen der Region demonstriert wurde.

Der Saressee ist ein einmaliges Gewässer, dessen Wassermenge rund 16 bis 17 Kubikkilometer ausmacht. Entstanden ist er im Pamir-Gebirge in einer Höhe von mehr als 3000 Meter über dem Meeresspiegel nach einem Erdbeben im Februar 1911. Dabei waren zwei Bergdörfer (Kischlaks) – Usoi und Sares – überflutet worden. Vom letzteren erhielt der See auch seinen heutigen Namen.

Der Saressee wird seit langem als eine potenzielle Quelle für eine Versorgung der Länder der Region mit Wasser angesehen. Tadschikistans Präsident Emomali Rachman hatte zu Beginn der 2000er Jahre den Nachbarländern ökologisch sauberes Trinkwasser angeboten, und dies kostenlos. Man hätte sich nur für eine 600 Kilometer lange Wasserleitung und für entsprechende Pumpanlagen zusammentun müssen. Die Nachbarn wollten jedoch in keine Wasser-Abhängigkeit von Duschanbe geraten.

Für das Angebot interessierte sich der Iran. Im Jahr 2012 vereinbarten Teheran, Kabul und Duschanbe die Schaffung eines Wasser- und Energie-Korridors, über den aus Tadschikistan via Afghanistan Trinkwasser in den Iran gepumpt werden sollte, und in der Gegenrichtung – Erdöl. Das Vorhaben verhinderten jedoch die Instabilität und der Krieg in Afghanistan, aber auch der Widerstand der USA gegen praktisch jegliche Art von internationaler Zusammenarbeit Teherans.

Usbekistans Präsident Schavkat Mirziyoyev kehrte im Verlauf seines ersten Staatsbesuchs in Tadschikistan im Jahr 2018 zur Frage nach einer Nutzung des Wassers aus dem Saressee zurück. Nach den Gesprächen mit Emomali Rachman beauftragten die Oberhäupter beider Staaten die gemeinsame Regierungskommission für Handels- und Wirtschaftskooperation, die Möglichkeit eines Umleitens von Wasser aus Tadschikistan nach Usbekistan zu prüfen.

Wie gefährlich oder ungefährlich dieses Projekt ist, berichtete der „NG“ der Hydrotechnik-Ingenieur und Zentralasien-Experte Andrej Sachwatow, der in den 80er Jahren eine Gruppe für das mathematische Modellieren eines Dammbruchs am Saressee im Pamir geleitet hatte.

„Der Verkauf von Wasser aus dem See sowohl an den Iran als auch an arabische Länder ist mehrfach diskutiert worden. Hat aber irgendwer darüber nachgedacht, wieviel eine Straße und die Wasserleitung bis zum Saressee kosten und wie dies im Winter funktionieren wird? Wenn man was verkaufen will, so sauberes Trinkwasser aus dem Siama-Fluss unweit von Duschanbe. Was den Saressee angeht, so muss man sich darüber Gedanken machen, wie man den Wasserstand bis zu einem sicheren absenken kann. Spezialisten haben berechnet, dass man dafür den Wasserpegel um etwa 100 Meter und besser um 150 Meter mittels Filterung durch den Dammkörper (ist an der Krone beachtliche 5 km lang und an der Basis maximal 3,2 km breit, an der niedrigsten Stelle seiner Dammkrone etwa 567 m hoch, womit er der höchste natürlich entstandene Damm der Erde ist – Anmerkung der Redaktion) absenken muss“, erläuterte der Experte.

Nach Aussagen von Sachwatow würde im Falle einer Zerstörung des Usoi-Damms das Wasser aus dem Saressee innerhalb weniger Stunden durch das Murgab-Tal strömen, weiter in den Pjandsch und danach in den Amudarja gelangen. Das Erd- und Gesteinsmaterial würde zusammen mit dem Wasser durch Usbekistan und Turkmenistan strömen und bald den weitgehend ausgetrockneten Aralsee erreichen. Die Höhe der Wasserwelle werde in den Gebirgstälern und Schluchten 100 Meter erreichen. Und die Geschwindigkeit des Wasserstroms werde über 80 km/h betragen.

Wenn der Saressee tatsächlich lecken sollte und es zu einem Bruch des Usoi-Damms kommt, werden alle Kischlaks, die in Tadschikistan und Afghanistan von der Flutwelle erfasst werden, zerstört. Mit Erreichen des Tals verringert sich zwar die Fließgeschwindigkeit, doch der Schlammstrom wird alles auf seinem Weg überziehen. Brücken und hydrotechnische Anlagen werden ebenfalls zerstört.

Das Ergebnis solch einer Katastrophe wäre ein apokalyptisches. Die größten Katastrophen aufgrund von Erdbeben einschließlich der Tsunamis in Südasien vom 26. Dezember 2004, als in verschiedenen Ländern bis zu 300.000 Menschen ums Leben kamen, werden da eher Peanuts sein. „Die Gefahr ermöglicht es auch nicht, am Fluss Pjandsch solche großen Wasserkraftwerke wie das Daschtidschum-Wasserkraftwerk mit einer Staudammhöhe von 320 Metern zu errichten. Dieses schmeichelnde Märchen erzählt man auch oft“, betonte der Experte. Nach Meinung von Sachwatow seien die Methoden für eine Gewährleistung der Sicherheit des Saressees seit langem bekannt. Aber sein Zustand löse nach wie vor Besorgnis aus. Das Ausbleiben einer Finanzierung sei zur Ursache dafür geworden, dass die Situation eine ungelöste bleibe.

Als eine zeitweilige Maßnahme ist ein System zur Warnung vor einer Zerstörung des Usoi-Damms installiert worden, das an die nahegelegenen Ortschaften ein Signal übermittelt. Im Falle eines Dammbruchs wird aber der Schlamm- und Gesteinsstrom ein so gewaltiger sein, dass sich das Warnsignal des Systems als ein praktisch nutzloses erweisen wird.

Weitaus effektiver ist es, den See mittels Aufnahmen aus dem Kosmos zu untersuchen, sagte Muchtar Bekkijew, Direktor des Geophysikalischen Hochgebirgsinstituts von Rosgidromet (staatliches Wetteramt Russlands – Anmerkung der Redaktion), bei einem Forum zu Gletscherfragen in Duschanbe im vergangenen Juni. Der Spezialist berichtete, dass das russische Institut mit Tadschikistan zusammenarbeite. Und vor einigen Jahren seien Wissenschaftler in die Republik gekommen. Die Beobachtung des Sees erfolge mit einem Satelliten. Nach seinen Worten sei die Wahrscheinlichkeit eines Durchbrechens des natürlichen Damms, der das Wasser im Saressee in den Bergen von Tadschikistan bisher aufhält, eine große.