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Ein Zuckerbrot und eine Peitsche von Antony Blinken


US-Außenminister Antony Blinken wird im Verlauf einer Zentralasien-Tournee vom 28. Februar bis einschließlich 3. März Kasachstan und Usbekistan besuchen, wonach er nach Indien reisen wird. In Astana wird er sich mit Präsident Qassym-Schomart Tokajew treffen und ein Ministertreffen mit den Chefs der auswärtigen Ämter der Länder Zentralasiens im Format „C5 + 1“ durchführen. Auf der Tagesordnung dieser Begegnung stehen die Erörterung von Sicherheitsfragen zwischen den USA und den Ländern der Region, aber auch die Entwicklung der regionalen Zusammenarbeit und Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten. Dies teilte das kasachische Außenministerium mit, wobei es betonte, dass dies der erste offizielle Kasachstan-Besuch von Antony Blinken sei.

Das nunmehrige Ministertreffen „C5 + 1“ unter Beteiligung von Antony Blinken ist bereits das zweite. Vor genau einem Jahr hatte er die Tagung online durchgeführt, in deren Verlauf er versuchte, die Positionen der Länder der Region hinsichtlich des russisch-ukrainischen Konflikts zu klären. Zu jener Zeit hatte man sich jedoch in den zentralasiatischen Ländern nicht festgelegt. Daher bleibe, wie der „NG“ Dossym Satpajew, ein kasachischer Politologe und Direktor der Gruppe für die Bewertung von Risiken, sagte, die Frage auch im Verlauf der nunmehrigen Begegnung aktuell. „Kasachstan hatte auf unterschiedlichen Ebenen mehrfach erklärt, dass es nicht beabsichtige, sich in den Konflikt Russlands und der Ukraine hineinziehen zu lassen. Im Fall aber, wenn Astana entscheidet, an der militärischen Sonderoperation teilzunehmen, so kann dies zu einer sozialen Explosion in Kasachstan führen, da die Einwohner die Ukraine unterstützen, humanitäre Hilfe schicken. Das Wichtigste ist aber: Sie fürchten, dass sich auch in unserem Land das Ukraine-Szenario wiederholen kann“, betonte Satpajew.

Die anderen Länder der Region bekunden nicht öffentlich ihren Standpunkt hinsichtlich der Durchführung der militärischen Sonderoperation Russlands in der Ukraine. Dabei unterhalten sie enge Wirtschaftskontakte mit Russland. Darüber kann man anhand der Zunahme des Warenaustauschs urteilen, der wesentlich angestiegen ist. Alexander Worobjow, Leiter des Zentrums für gesellschaftliche Diplomatie und Analyse der Weltpolitik sowie wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Orientalistik der Russischen Akademie der Wissenschaften, ist der Meinung, dass der Blinken-Besuch das Bestreben der Administration der USA reflektiere, eine maximal mögliche Verringerung der politischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Moskau durch die zentralasiatischen Staaten, aber auch das Demonstrieren einer moderaten Haltung im Zusammenwirken mit China zu erreichen. „Wahrscheinlich wird Blinken nicht mit leeren Händen kommen, sondern mit konkreten wirtschaftlichen Offerten. Obgleich diese Angebote wohl kaum großangelegte sein können. Durch die amerikanische Seite wird ein weiteres Mal die Unterstützung der Souveränität der Länder Zentralasiens deklariert werden. Aber wichtiger können die Angebote Washingtons hinsichtlich einer Unterstützung beim Export von Rohstoffressourcen eben jenes Kasachstans unter Umgehung von Russland sein. Jedoch wird Washington den Ländern der Region wohl kaum großangelegte Infrastruktur-Projekte im Unterschied zu China oder zur Russischen Föderation, das gegenwärtig bestrebt ist, mit Kasachstan und Usbekistan eine Gas-Infrastruktur zu schaffen, vorschlagen können“, sagte Alexander Worobjow der „NG“. Dennoch sei nach Meinung des Experten die Gefahr sekundärer Sanktionen aufgrund der Zusammenarbeit mit Moskau real, was die Staaten der Region nötige, so oder anders vorsichtiger zu sein und sich an die Restriktionen zu halten.

Allerdings hat Usbekistan im Rahmen der erklärten Politik einer gleichen Entfernung von den internationalen (Macht-) Zentren den Warenaustausch mit Russland fast bis auf zehn Milliarden Dollar von 7,5 Milliarden Dollar im Jahr 2021 gebracht. Rekordwerte des Warenaustauschs mit Russland demonstriert auch Kirgisien. „Kirgisien war stets ein importabhängiges Land von Russland. Im vergangenen Jahr aber begann es, den Umfang des Exports zu forcieren, der 80 Prozent im Monat überstieg und von denen ein Teil der sogenannte parallele Import ausmachte. Es wächst der Warenaustausch auch mit Turkmenistan. All dies muss den Westen reizen, der Russland mit beispiellosen Sanktionen belegte. Daher wird Blinken an die sekundären Sanktionen erinnern, die gegen die Länder Zentralasiens bisher nicht besonders angewandt wurden, wenn man die Situation mit dem internationalen Banksystem SWIFT und dem russischen System „MIR“ einmal unbeachtet lässt. Wahrscheinlich wird der US-Außenminister seine Sichtweise darlegen, wie sich dieser Prozess im Jahr 2023 entwickeln wird“, sagte der Politologe und Direktor des in Bischkek ansässigen Zentrums für Experten-Initiativen „Oy Ordo“, Igor Schestakow, der „NG“.

Als Wichtigstes werden in der offiziellen Agenda die Sicherheitsfragen ausgewiesen. Dies sei nach Meinung des Experten der Haupttrumpf Washingtons bei derartigen Veranstaltungen. „Erörtert wird die Situation in Afghanistan, wo die Taliban (die in der Russischen Föderation offiziell verboten sind – „NG“) in keiner Weise mit den unterschiedlichen extremistischen Gruppierungen im Land fertig werden können. Die USA können eine Reihe interessanter Vorschläge zur Verstärkung der Sicherheit unterbreiten, zumal Washington in dieser Richtung mit Russland konkurriert. Die Frage danach, wen Zentralasien braucht – die NATO oder die Organisation des Vertrages über kollektive Sicherheit -, wird sowohl auf öffentlicher Ebene als auch auf politischer aufgeworfen. Nicht nur in Kirgisien, sondern auch in den anderen Ländern der Region kursiert die Frage, ob dort NATO-Stützpunkte gebraucht werden“, betonte Schestakow.

Nach seinen Worten könne in diesem Paket von Offerten auch über eine biologische Sicherheit die Rede sein, der Amerika in den letzten Jahren erhöhte Aufmerksamkeit schenke. Ein weiteres Bio-Labor wird auf dem Territorium von Kasachstan errichtet, mit dem die USA anstreben, Bedingungen für eine Meistbegünstigung zu schaffen.

Vieles im Besuch von Antony Blinken wird außerhalb des öffentlichen und diplomatischen Protokolls bleiben. Zumal der US-Außenminister Gespräche individuell mit jedem der fünf Außenminister führen wird, aber auch mit den Präsidenten Kasachstans und Usbekistans. Dies teilte im Vorfeld der Berater des US-Außenministers und US-Ex-Botschafter in Kirgisien Donald Lew bei einem Briefing in Washington mit. „Unser Hauptziel ist, zu zeigen, dass die USA ein zuverlässiger Partner sind und dass wir die Schwierigkeiten sehen, mit denen die Volkswirtschaften der Länder Zentralasiens konfrontiert werden. Dies sind die hohen Preise für Nahrungsmittel, für Brenn- und Kraftstoffe, die hohe Arbeitslosenrate, die Schwierigkeiten mit dem Export ihrer Waren, das langsame Wiederaufleben nach der Pandemie und der große Zustrom von Einwanderern aus Russland. Wir sehen diese Schwierigkeiten und arbeiten, um die Menschen in der Region zu unterstützen“, erklärte Lew.

Nach Meinung des Politologen Schestakow erfolge nicht zufällig das Treffen zu Beginn des Jahres. Blinken werde die Pläne der amerikanischen Administration hinsichtlich der Länder Zentralasiens für das Jahr 2023 bekanntgeben. Eventuell würden kostenlose Zuschüsse für irgendwelche Projekte bereitgestellt, die wohl kaum für die USA an sich interessant sein würden. Aber vor dem Hintergrund der Probleme Moskaus werde Washington finanzielle Hilfe für die Region demonstrieren.

Bei dem Vier-Augen-Gespräch von Antony Blinken mit Kirgisiens Außenminister Scheenbek Kulubajew schließt der Experte nicht aus, dass es um das Regierungsabkommen über eine Zusammenarbeit zwischen den USA und Kirgisien gehen werde, das bereits 1993 unterzeichnet und 2015 als ein nicht den Interessen von Bischkek entsprechendes gelöst wurde. Seitdem versucht die US-amerikanische Seite, ein neues Abkommen zu schließen. Alle hochrangigen Gäste, die in die Republik kommen, sprechen bei den Verhandlungen mit den kirgisischen Offiziellen diese Frage an. „Dieses Abkommen ist faktisch eine Roadmap für die voraussichtliche Tätigkeit von Washington in Kirgisien, da viele Projekte in der Republik im Rahmen dieses Dokuments finanziert wurden“, betonte Schestakow.