Während man beschlossen hat, das Geschehen auf den Schlachtfeldern in der Ukraine als eine militärische Sonderoperation zu bezeichnen, so kann man die Ereignisse im Bereich der Wirtschaft und Finanzen eindeutig mit einem Wort charakterisieren – Krieg. Ein Wirtschaftskrieg des Westens gegen Russland zur Vernichtung. Es erfolgt ein Herausschneiden der russischen Wirtschaft aus der internationalen, ein Zerschneiden aller Systeme für einen gegenseitigen Austausch und die Versorgung. Das Verbot für einen Zugang zu den wichtigsten globalen Waren- und Dienstleistungsmärkten. Dies ist eine Schockchirurgie.
Und darin besteht der prinzipielle Unterschied zur „Schocktherapie“ der 90er Jahre. Damals hatte man das von der sowjetischen Wirtschaft Verbliebene an die Weltwirtschaft und internationalen Finanzen über marktwirtschaftliche Preisbildungsmechanismen angekoppelt. Es hatte sich ein anderer Wert der Aktiva ergeben, liquidiert wurden die Defizite sowjetischen Typs. Zur einzigen Mangelerscheinung wurde das Geld. Wenn es Geld gibt, kann man jegliche Ware und Leistung auf dem Markt erwerben.
Die wichtigste Aufgabe des Europa-Besuchs von Joseph Biden in der vergangenen Woche waren neben PR-Aktionen die Mobilisierung der Verbündeten für ein Stopfen aller Schlupflöcher für ein Umgehen der Sanktionen, die Stimulierung eines schnellstmöglichen Verzichts auf russische Rohstoffe, Erdöl und Gas. Zum Preis einer Zunahme der Ausgaben und Verringerung des Lebensniveaus der Bevölkerung.
Vorbereitet wurden umfängliche entsprechende Dokumente, die auf die praktische Unmöglichkeit für Russland abzielen, auf dem Weltmarkt alternative Ressourcen, Waren und Leistungen zu den westlichen zu finden. Und während ein Ende der militärischen Sonderoperation abzusehen ist, gibt es kein Ende für den Wirtschaftskrieg.
Es scheint, dass gerade der Ausgang dieser Auseinandersetzung die ernsthaftesten Konsequenzen für Russland haben wird. Und wenn die Bevölkerung den existenzialistischen Charakter der geopolitischen Gefahren und Bedrohungen, von denen die russische Führung gesprochen hat, nicht anzweifeln und glauben soll, wird die Zerstörung der Alltagswelt aus den gewohnten Standards für den wirtschaftlichen Konsum durch uns in den tagtäglichen Empfindungen vermittelt. Ausnahmslos allen.
Die neue Realität hat mit einem Schlage begonnen. Auf sie waren weder die Regierung noch die Zentralbank, weder das Business noch die Oligarchen sowie das Volk vorbereitet. Die Sanktionen des Westens erwiesen sich als augenblickliche und heftige.
Die Wocheninflationsrate von zwei Prozent in den ersten vier Wochen zu Beginn der militärischen Sonderoperation sind ein ungutes Omen und eine Projektion von einer Inflationsrates von 20 bis 25 Prozent für das gesamte Jahr 2022. Hinter den statistischen zusammengefassten Indikatoren verbirgt sich jedoch eine andere Dynamik für die Preise. Zum Beispiel: Hundefutter ist bereits um 70 Prozent teurer geworden, einige Marken von Lauf- und Freizeitsportschuhen um 100 Prozent. Man kann sagen, dass dies einzelne Elemente seien. Man kann in ihnen aber auch Beweise für eine Zerstörung eben jener gewohnten Konsumstandards sehen, die auch der Normalität der Psyche des einfachen Menschen zugrunde liegen. Die Gesamtheit der Psychen bildet auch die kollektive Psyche der Gesellschaft, die die Lebensqualität im Land vorausbestimmt.
Wir haben 300 Milliarden Dollar an Gold- und Devisenreserven verloren. Und diese Ressourcen waren schließlich unser von der Zeit aufgeschobener Konsum. Wir hätten sie sofort verbrauchen können, beschlossen aber, sie für später auf die hohe Kante zu legen. Nunmehr wird es dieses „auf die hohe Kante Gelegte“ von 300 Milliarden Dollar nicht geben. Wieviel mit modernsten Anlagen und Ausrüstungen ausgestattete Krankenhäuser, Altersheime und Polikliniken hätte man errichten und wieviel wertvolle Kader hätte man umschulen können?!
13,6 Prozent oder 82 Milliarden Dollar sind in Yuans angelegt worden. Sie werden jedoch wohl kaum schnell zu einem zugänglichen Vermögen werden. Ja, und sie in Dollar zurückzukonvertieren, hat heute auch keinen Sinn. Wahrscheinlich werden sie sich als eine Quelle von Mitteln beim Erwerb von irgendetwas außerordentlich Nötigem für unsere Wirtschaft via China oder noch etwas devisenaufwendigerem eignen.
Der Leitzins der Zentralbank beträgt 20 Prozent, der Zinssatz für eine vergünstigte Hypothek – zwölf bis 15 Prozent. Da die Einkommen nicht steigen werden und die Prognose für einen Rückgang des BIP im Bereich von acht bis 15 Prozent schwankt, macht es keinen Sinn, eine Zunahme der Nachfrage seitens des privaten Konsums zu erwarten.
Die entscheidenden Investitionsbereiche für die Wettbewerbsfähigkeit der Nationen sind in unserer Zeit das Bildungs- und das Gesundheitswesen, wissenschaftliche Forschungsarbeiten und die Informationstechnologien. Gerade hier prägt sich eine neue Qualität des Wachstums und der Entwicklung heraus, gestaltet sich das Potenzial für ein künftiges Prosperieren der Nation. Oder es wird nicht entwickelt.
Im Zusammenhang damit ist das Augenmerk auf den Exodus junger Menschen mit einer guten Ausbildung aus dem Land im letzten Monat zu lenken. Ungeachtet der Regierungsstimuli haben IT-Fachleute, viele Spezialisten Russland verlassen. Die militärische Sonderoperation schafft allem nach zu urteilen für solche jungen Menschen eine Atmosphäre, die mit einer normalen Arbeit unvereinbar ist.
Vor der Regierung stehen Aufgaben eines ungeahnten Maßstabs. Organisiert werden muss die Arbeit der Branchen, das Business muss unterstützt und die Beschäftigung bewahrt werden, es darf keine dramatische Zunahme der Preise und der Inflation zugelassen werden, und es müssen irgendwo Investitionsmittel gefunden werden. Und zur gleichen Zeit dürfen die Schlüsselparameter für die Entwicklung entsprechend den internationalen Standards nicht aus dem Blick verloren werden. Das heißt: Man muss sowohl das Überleben mit verringerten Normativen als auch eine Entwicklung entsprechend den Parametern, die heute in der Welt anerkannt worden sind, im Kopf behalten. Die Einsätze für das Land sind extrem hohe.