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«Es herrschte eine regelrechte Festabstimmung»


Bereits im Vorfeld der Referenda in den Donbass-Republiken DVR und LVR sowie in den ukrainischen Gebieten Cherson und Saporoschje über einen Beitritt zur Russischen Föderation waren Infos durch die Medien gegangen, dass Ausländer als Beobachter agieren werden. Darüber berichtete unter anderem der stellvertretende Vorsitzende von Russlands Zentraler Wahlkommission, Nikolaj Bulajew, sowie Vertreter der Wahlkommissionen in den künftigen russischen Verwaltungsgebieten. Vom 23. bis 27. September besuchten sie Abstimmungslokale, machten sich ein Bild von der Organisierung und den Verlauf der Abstimmungen. Und alles vor Kameras und Fotoapparate offizieller Medien. 130 sogenannte „internationale Beobachter“ aus 40 Ländern tingelten durch die Regionen, mussten teilweise mit wenig Schlaf auskommen. Aber keiner konnte von sich behaupten, dass er von seinem Heimatland offiziell legitimiert worden war. Dies war jedoch beispielsweise kein Thema im Staatsfernsehen Russlands. Die Redaktion von „NG Deutschland“ hat sich einmal einige dieser Männer und Frauen näher angesehen.

Da war aus Venezuela Dia Nader de El-Andari. Die 72jährige gebürtige Libanesin überraschte mit guten Russisch-Kenntnissen, so dass sie nach links und rechts ein Interview nach dem anderen gab. Sie erklärte dabei, dass sie keine Beanstandungen hinsichtlich der Referenda sehe. Bei einem Blick in die Biografie stellte sich heraus, dass die Politikerin in Moskau Mathematik und Physik studierte und recht herzliche Bande zu Moskau verspürt. Ihre Affinität zu Slawischem wurde gleichfalls im Jahr 2019 deutlich, als sie in der Botschaft Venezuelas in Serbien tätig war. Aufgefallen war sie da mit solchen Statements wie: „Kosovo ist ein historischer Teil Serbiens wie die Krim ein historischer Teil Russlands ist“.

Besonders oft war vor allem am Dienstag Roman Blaško im russischen Nachrichtenfernsehen zu sehen. Der Journalist der tschechischen kommunistischen Zeitung „Halo Noviny“ würdigte beinahe alle Aspekte der Referenda, betonte den Mut der Menschen, die sich für eine Zukunft im Bestand der Russischen Föderation aussprachen und ließ dabei keine Kritik an den Offiziellen Tschechiens aus. Nach seinen Worten würden sie für die „verdorbenen Beziehungen“ zwischen Prag und Moskau die Verantwortung tragen. Der 53jährige war im Übrigen nicht das erste Mal in Russland und hat sich laut ukrainischen Quellen damit hervorgetan, dass er eine russische Verantwortung an der Katastrophe des MH-17-Jets im Jahr 2014 komplett ausschloss. Aus Prag waren keine Informationen darüber zu bekommen, ob er von offiziellen Stellen überhaupt als Wahlbeobachter Tschechiens delegiert worden war.

Dies gilt gleichfalls für die Politologin Lubica Blaskova aus der Slowakei. Nicht ohne Grund gilt sie als eine putinfreundliche Frau, denn sie schließlich Präsidentin der Slowakischen Vereinigung von Absolventen russischer und sowjetischer Hochschulen. Die heute 67jährige Dame absolvierte ein Studium an der Wolgograder staatlichen Pädagogik-Universität und das Moskauer pädagogische Institut.

Die Konsequenzen ihrer Entscheidung, sich als „Wahlbeobachter“ vor den russischen Propaganda-Karren spannen zu lassen, ließen nicht lange auf sich warten. Steffen Bruno Schaller, Geschäftsführer des nordhessischen Versorgers Energie Waldeck-Frankenberg, wurde von seiner Tätigkeit suspendiert. Wer glaubt schon, dass er sich im Urlaub „vor Ort ein Bild von denen Abstimmungen machen wollte“. Zu offensichtlich war, dass nur russischer Gelder eine schnelle Einreise in den Donbass für den 63jährigen möglich gemacht hatten. Der einstige NRD-Redakteur und Buchautor Patrik Baab, der sich auch zum „internationalen Beobachter“ machen ließ, hat seinen Lehrauftrag an der Berliner Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft (HMKW) verloren. In einer Mitteilung von Hochschulrektor Klaus-Dieter Schulz und Kanzler Ronald Freytag vom Montagabend heißt es, man habe Baab, der sich aktuell in Donezk aufhalte, gegenüber in einem Telefonat „unsere Fassungslosigkeit über dieses Verhalten geäußert. Wir haben ihm unseren Standpunkt verdeutlicht, dass schon seine reine Anwesenheit bei dieser Aktion, ob er wolle oder nicht, zwangsläufig zur Legitimation der in unseren Augen völkerrechts­widrigen und inhumanen Scheinreferenden, die Teil einer imperialistischen Politik und eines verbrecherischen Krieges sind, beiträgt.“ Sie gebe den Aggressoren „ein willkommenes Feigenblatt an die Hand, dass alles rechtens sein müsse, weil man ja sogar ‚Kritik‘ zulasse und nicht unterdrücke“, heißt es weiter. Baab war am 25. September in Donezk mit dem Herausgeber des Videoblogs Druschba FM, dem Russlanddeutschen Sergej Filbert, zu erleben. Unkritisch, kremlfreundlich und ganz entsprechend dem Mainstream der russischen Medien. Für sie waren natürlich solche „internationalen“ Stimmen genau das Richtige für die geforderte Informationsagenda. Einen besonderen Platz unter den deutschen selbsternannten Beobachtern nimmt zweifellos Thomas Röper ein, der sich als ein deutscher Journalist positioniert. Seit etwa 20 Jahren lebt er in Petersburg, spricht recht flott Russisch und schrieb auf seiner Internetseite: „Ich habe keinen Zettel mit einem Nein zur Vereinigung mit Russland gesehen, aber es wird sie natürlich geben. In einigen Städten, so sagten die Menschen, kann es auch eine Mehrheit gegen die Vereinigung geben, aber insgesamt ist eine deutliche Zustimmung absehbar. Das sah man auch an den Menschen, die meistens in Gruppen kamen und gut gelaunt waren. Es herrschte eine regelrechte Festtagsstimmung, denn viele sagten, dass sie seit Jahren auf diesen Tag gewartet haben. Die Angst, die ich bei früheren Reisen erlebt habe, ist verschwunden und mir wurde von vielen erzählt, dass sie nun keinen Grund mehr zur Angst hätten, weil sie nun die Sicherheit hätten, dass Russland bleiben wird und sie nicht der Rache der ukrainischen Nationalisten ausliefert“. Dramatik verlieh der knapp 52jährige Bremer seinen Posts noch mit der Mitteilung, dass seine Beobachtergruppe knapp einem Mordanschlag entgangen sei. Ob man dem Glauben schenken kann, steht auf einem anderen Blatt Papier.

Es war ein buntes Häufchen, dass in den russischen Medien als internationale Beobachter präsentiert wurde – ohne eine Legitimation aus den Heimatländern. Der Zuschauer erfuhr daher auch nicht, dass der Amerikaner Wyatt Reed auf der Gehaltsliste vom russischen Auslandssender „RT“ und dem englischsprachigen Sputnik-Dienst der staatlichen Nachrichtenagentur „Russland Heute“ steht, die Niederländerin Sonja van den Ende schon längst sich von den russischen Medien instrumentalisieren lässt (sie steht auch auf der EU-Desinformationsliste) und André Michel Claude Chanclu Präsident der nichtkommerziellen Organisation „Kollektiv Frankreich – Russland“ ist, so dass eine mangelnde Objektivität und Voreingenommenheit nicht ganz auszuschließen ist. In wenigen Tagen wird man aber auch diese Statisten vergessen, da die Entwicklung der kommenden Ereignisse spektakulärer sein wird: Russland erlangt vier neue Subjekte mit etwa fünf Millionen Menschen, und bis Anfang Oktober wird es gleichfalls eine Antwort zu offenen Grenzfragen rund um diese neuen russischen Regionen geben. Ganz zu schweigen von westlichen Reaktionen und kritischen Statements.