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Es wird nicht gelingen, das ganze Erdöl und Gas vor den Sanktionen zu verstecken


Die Amerikaner und Briten sind die Vorreiter im Sanktionskrieg gegen die russischen Energieträger. Dieser Tage unterzeichnete der Präsident der USA ein Gesetz über das Verbot einer Einfuhr russischen Erdöls. Zur gleichen Zeit haben die Europäer mit Mühen Einschränkungen für russische Kohlelieferungen abgestimmt und nur begonnen, sich darüber Gedanken zu machen, wie man den Import russischen Erdöls blockieren kann. Dabei haben sie auch eine Blockierung von Gaslieferungen aus der Russischen Föderation im Hinterkopf. Derweil haben sich einige Unternehmen bereits ausgedacht, wie man das „Verbotene“ in einem Cocktail mit anderen Sorten des schwarzen Goldes verwenden kann, womit es den Sanktionen entzogen wird. Um gegen das Gas gerichteten Sanktionen der EU zuvorzukommen, die entsprechend der Logik der Entwicklung der Ereignisse im siebten Sanktionspaket vorkommen können, schlagen russische Parlamentarier vor, zu einem Gegenangriff überzugehen und zeitweilig die Ventile an den Exportpipeline zuzudrehen. Experten der „NG“ vergleichen die Folgen solcher Restriktionen für die europäischen Volkswirtschaften mit einem thermonuklearen Krieg. Und sie erläutern, warum man das ganze Erdöl und Gas aus der Russischen Föderation vor den Sanktionen „verstecken“ kann.

Die EU hat die Arbeit an einem sechsten Sanktionspaket gegen Russland begonnen, teilte am Montag Diplomaten gleich mehrerer Länder mit. „Wir sind bereit, so weit zu gehen, wie wir nur können, um einen Konsens zu den Sanktionen zu finden, darunter auch hinsichtlich der Energiewirtschaft“, erklärte der dänische Außenminister Jeppe Kofod. Sein litauischer Amtskollege Gabrielius Landsbergis bekundete gleichfalls die Hoffnung, dass das neue Paket mit einer „Erdöl-Option“ sein werde.

Einen ersten Schlag gegen die Energie-Triade aus der Russischen Föderation (Erdöl, Gas und Kohle) hat die EU bereits in der vergangenen Woche geführt, indem sie den Erwerb, den Import oder Transitlieferungen von Kohle und anderen festen Brennstoffen aus Russland verboten hat (das Verbot soll ab dem 10. August wirksam werden). Das Verbot tangiert 25 Prozent des gesamten russischen Kohleexports, was rund acht Milliarden Euro ausmacht, berechnete man in der Europäischen Kommission.

Die USA hatten am Vorabend offiziell einen Schlag gegen das russische Erdöl geführt. Präsident Joseph Biden unterzeichnete Gesetze nicht nur über eine Aussetzung normaler Handelsbeziehungen mit Russland und Weißrussland, sondern auch über ein Verbot für den Import von Energieträgern aus Russland (gemeint sind Erdöl und Erdölprodukte). Während die Gesetzesvorlage die Abstimmungen im Kongress durchlief, haben sich Geschäftsleute bereits ausgedacht, wie man das Verbot umgehen kann.

Der britisch-niederländische Shell-Konzern teilte am Montag mit, dass er seinen Händlern erlaubt habe, Dieseltreibstoff zu erwerben, in dessen Bestand sich ein Teil von Produkten russischer Herkunft befinde. „Solch Kraftstoff kann durch andere Trader zusammengemischt worden sein, lange bevor wir es kaufen. Und man kann nicht immer für die Abwicklung eines Kaufs in gerechtfertigten Zeiträumen Dokumente erhalten, die erlauben, vollkommen die Herkunft das Kraftstoffs nachzuverfolgen, und ausweisen, ob die Partie Kohlenwasserstoffe russischer Herkunft enthalten oder nicht“, heißt es in einer Mitteilung des Unternehmens.

Zuvor hatte die Nachrichtenagentur Bloomberg gemeldet, dass Shell entsprechend neuen internen Regeln russisches Erdöl kaufen werde, nur wenn es zu mehr als der Hälfte mit Erdöl aus einem anderen Land vermischt wird. Es geht dabei um Öl, das aus dem Hafen Primorsk in den lettischen Hafen Ventspils geliefert wird, wo man es auch vermischt, wobei es in einem „lettischen Cocktail“ verwandelt wird, der bereits nicht unter die Sanktionen fällt. Außerdem erfolgt laut einer Meldung der Agentur auch in den Niederlanden ein Mischen. Und gleichfalls direkt auf See, von einem Tanker zum anderen.

Die Öllieferungen nach Europa erfolgen über Pipelines. Da wird es schwieriger, sie in einen halbrussischen Cocktail zu verwandeln. Außerdem ist es noch keine Tatsache, dass das sechste EU-Paket mit gegen Erdöl gerichteten Sanktionen verabschiedet wird. In der Europäischen Union gebe es keinen Konsens bezüglich eines Verbots von Erdöl aus Russland, schrieb die „Financial Times“ am Montag unter Berufung auf hochrangige Quellen. Für einige EU-Länder werde ein Verzicht auf russische Öllieferungen „technisch und politisch“ zu einem schwierigen, schreibt das Blatt.

Ein Embargo bezüglich russischen Erdöls wird seit Ende März in der EU diskutiert. Es gelang aber nicht, dieses in das fünfte Sanktionspaket zu implementieren. Diese Maßnahme hat recht gewichtige Gegner, beispielsweise Deutschland, in der EU der größte Abnehmer russischen Erdöls. Dabei heizen sich die europäischen Politiker mit den Appellen auf, auch auf russisches Gas zu verzichten. Und diese Aufrufe werden immer lauter, je wärmer das Wetter auf dem Kontinent wird und die Winde stärker werden.

Russland liefert derweil gewissenhaft sein Gas in die sogenannten unfreundlichen Länder Europas – sowohl durch die Pipeline „Nord Stream 1“ (bis zu 170 Millionen Kubikmeter werden täglich durch sie gepumpt) als auch durch die Ukraine. Die beantragten Gasmengen für einen Transit durch die Ukraine weisen gegenwärtig einen Rückgang aus. Für den 11. April waren 94,9 Millionen Kubikmeter beantragt worden (etwas weniger als in den Vormonaten täglich durch die Transitpipeline gepumpt wurde). Für den 16. April hatte sich die Menge auf 57,2 Millionen Kubikmeter Gas aufgrund der Osterfeiertage verringert. Parallel dazu sei angemerkt, dass „Gazprom“ seit dem 8. April die Pipeline Jamal-Europa nicht für einen Gastransit nach Deutschland via Polen bucht.

Es werde noch schwieriger werden, europäische Sanktionen gegen das russische Erdgas abzustimmen, nehmen Analytiker an. Außer Deutschland, dessen Politiker und Wirtschaft in offenkundig tragischen Tönen die Konsequenzen solch eines Embargos beschreiben, „verstecken sich“ in Europa Länder, die an dem russischen Gas interessiert sind, schrieb die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ unter Berufung auf diplomatische EU-Kreise. Gemeint sind Frankreich, Belgien und Spanien, die die Unmöglichkeit eines Verzichts auf Energieressourcen aus Russland „verhehlen“.

Russische Parlamentarier schlagen als eine Initiative vor, das Embargo seitens Europas nicht abzuwarten und die Ventile zu schließen. Als Antwort auf die unfreundlichen Handlungen müsse man zeitweilig, aber vollkommen aufhören, Energieressourcen nach Europa zu liefern, hat unter anderem der Abgeordnete der Staatsduma (des russischen Unterhauses – Anmerkung der Redaktion) Michail Scheremt (Kremlpartei „Einiges Russland“) vorgeschlagen. Mit solch einer Idee tritt auch sein Kollege Michail Deljagin („Gerechtes Russland – Für die Wahrheit“) auf. Zuvor hatte Vizepremier Alexander Nowak erklärt, dass solche Maßnahmen zu einem Kollaps auf den internationalen Märkten der Energieressourcen führen würden. Die Gaslieferungen nach Europa können auch aufgrund der Weigerung der Europäer, zu einer Bezahlung des Gases in Rubeln überzugehen, aufhören.

Die Variante, bei der Russland selbst die Gaslieferungen einstellt, bestehe hypothetisch. Dies sei als eine Antwort auf das mögliche Verbot für den Import russischen Erdöls und russischer Erdölprodukte nicht ausgeschlossen, sagte der „NG“ der führende Experte der in Moskau ansässigen Finanzuniversität und Stiftung für nationale Energiesicherheit Stanislaw Mitrachowitsch. In solch einem Fall werde die Russische Föderation nicht interessiert sein, betonte der Experte, Umgehungswege für die Lieferungen seines Gases in die EU zu suchen (zumindest für die Zeit der akuten Phase des Konflikts). „Wenn die EU den Import russischen Gases ohne Klauseln verbietet, wird es wohl kaum aufgrund einer anderen Organisation des Marktes gelingen, die Einschränkungen entsprechend dem „lettischen“ Schema zu umgehen. Wenn aber das Verbot keinen totalen Charakter tragen wird (erörtert werden Varianten mit der Verhängung von Sperrzöllen für das russische Gas), so werden sich wirklich Varianten für ein Umgehen der Restriktionen eröffnen. Es sind bereits große Erfahrungen aus dem Weiterverkauf und Reexport von Gas gesammelt worden (aus dem virtuellen Reexport aus Europa in die Ukraine, dem virtuellen oder tatsächlichen Reexport aus Deutschland nach Polen usw.)“, sagt Mitrachowitsch.

„Für Russland ist die Variante, sein Erdöl und Gas als fremdes auszugeben, nicht möglich. Wir haben einen zu großen Anteil (25 Prozent) an der weltweiten Energiebilanz“, sagte der „NG“ Rustam Tankajew, Generaldirektor von „InfoTEK-Terminal“ und führender Experte des Verbands der Öl- und Gasindustriellen Russlands. „Dies sind kleinere Lieferanten, zum Beispiel Aserbaidschan. Sie könnten ihr Gas, ihr Erdöl als russische Produkte ausweisen. Aber nicht umgekehrt“.

Wenn man das russische Öl und Gas aus der weltweiten Energiebilanz herausnimmt, werde eine Krise ausbrechen, die hinsichtlich der Zerstörungen für die Wirtschaft mit einem thermonuklearen Krieg vergleichbar sei, sagte der Experte. „Derjenige, der solche Sanktionen verhängt, muss begreifen, dass in diesem Fall Europas Wirtschaft ins 19. Jahrhundert zurückkehren und ihre entwickelten Länder bis auf das Niveau von Uganda abstürzen werden“, prophezeite Tankajew.

„Die USA und die durch sie kontrollierte Internationale Energieagentur veröffentlichen bereits fünf Jahre lang keine Daten zur weltweiten Energiebilanz. Sie weisen eine zu starke Abhängigkeit von Russland aus. Und dies gefällt ihnen nicht. Wir arbeiten derzeit daran, zu beginnen, unsere Informationen über diese Bilanzen zu veröffentlichen“, sagt Tankajew.