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Europaabgeordnete haben Georgiens europäische Zukunft in Frage gestellt


35 gesellschaftliche Organisationen Georgiens haben ihre Unterstützung für Nika Gvaramia, des Inhabers des oppositionellen Fernsehkanals „Mtavari“ (georgisch: „Der Hauptsächlichste“), bekundet, der zu 3,5 Jahren Haft wegen ungesetzlicher Aneignung von Mitteln der Fernsehgesellschaft „Rustavi-2“ verurteilt wurde. Bis vor kurzem hatte er diese noch geleitet. Botschaften führender westlicher Staaten und europäische Institute haben Tbilissi aufgefordert, das Urteil zu prüfen, und erklärten Gvaramia zu einem politischen Gefangenen. Eine Gruppe von Journalisten hat in Tbilissi gleichfalls eine Aktion zur Unterstützung des 45jährigen Inhaftierten durchgeführt.

Vertreter der Machtorgane haben sofort nach Bekanntgabe des Urteils aufgerufen, die Entscheidung des Gerichts nicht zu politisieren. Der Appell hat jedoch nicht die Adressaten erreicht. Daher ist der Vorsitzende der regierenden Partei „Georgischer Traum“ Irakli Kobachidse mit einer ausführlichen Erklärung aufgetreten, in der er betonte, dass Gvaramia bereits früher hätte bestraft werden müssen. Tatsachen eines Diebstahls von „Rustavi-2“-Mitteln durch seien früher bekannt gewesen, doch die Fürsprache der westlichen diplomatischen Missionen hätte das Finale der Ereignisse vertagt. Er schloss nicht aus, dass der Westen so aktiv für den einstigen Leiter von „Rustavi-2“ eingetreten wäre, da er desinformiert gewesen wäre. Der von Niko Gvaramia geschaffene Fernsehkanal „Mtavari“ wurde als das Hauptsprachrohr der Opposition gewertet, so dass die Offiziellen im Weiteren Druck auf ihn ausübten.

Darin liegt eine gewisse Wahrheit. „Mtavari“ trat scharf gegen die Partei „Georgischer Traum“ und ihren Gründer Bidsina Iwanischwili auf, den die Opposition als nichtformalen Herrscher Georgiens bezeichnet. Und Gvaramia an sich hatte Iwanischwili und dessen Team kritisiert, wobei er sich hinsichtlich der Ausdrücke nicht in Zaum legte. Die Beziehungen hatten sich besonders nach der Verhaftung des dritten Präsidenten Georgiens Michail Saakaschwili zugespitzt. Der ausgebildete Jurist Gvaramia wurde zu einem seiner Anwälte. Und die Sendungen auf „Mtavari“, die dem Gerichtsprozess gegen Saakaschwili galten, erlangten endgültig einen regierungsfeindlichen Charakter. Es wurde klar, dass dies nicht lange anhalten wird und sich für Gvaramia ernsthafte Unannehmlichkeiten ergeben werden. Dennoch hatte man ihn aus formeller Sicht nicht aufgrund der politischen Anschauungen und Erklärungen zur Verantwortung gezogen, sondern aufgrund einer banalen Aneignung von Mitteln – rund sieben Millionen Lari (entsprechend dem derzeitigen Umtauschkurs über zwei Millionen Dollar).

Übrigens, die öffentliche Meinung hat sich geteilt. Dies war in solch einem polarisierten Land wie das heutige Georgien zu erwarten. Aber die Gegner einer Verhaftung von Gvaramia sind scheinbar erheblich weniger als im Fall mit Saakaschwili. Und dies liegt nicht nur an der Dimension der Persönlichkeit, sondern auch daran, dass der scharfzüngige Direktor von „Mtavari“ mit seinen giftigen Äußerungen und seinem Sarkasmus bei weitem nicht allen in den Oppositionskreisen gefallen hatte. In Georgien ist wie auch überall keiner vor Unglück und Elend gefeit. Aber im Fall von Gvaramia sind eine Reihe angesehener Vertreter der Öffentlichkeit mit einer eindeutigen Unterstützung für die Gerichtsentscheidung aufgetreten.

Dennoch haben sich 35 angesehene Organisationen, unter denen solche wie Transparency International Georgia, die Charta für journalistische Ethik und andere sind, mit einer Erklärung zu Wort gemeldet, in der sie das Urteil gegen Gvaramia als eine Bedrohung und Warnung für die unabhängigen Massenmedien bezeichneten. Das Ziel sei eine Beendigung der Kritik an der Partei „Georgischer Traum“ und Iwanischwili. Die Autoren der Erklärung sind der Meinung, dass das Urteil noch ein Beispiel für die selektiven Aufklärungsarbeiten und strafrechtlichen Verfolgungen sei. Nach ihrer Auffassung werde dies den Euro-Integrationsweg Georgiens negativ beeinflussen. Eine derartige Ansicht teilen acht Abgeordnete des Europaparlaments, die ein Statement über den Rückschritt hinsichtlich der Hoheit des Gesetzes in Georgien vorlegten. Dies füge „dem Ansehen des Landes einen nicht wiedergutzumachen Schlag zu“. Nach Meinung der Europa-Abgeordneten sei das Urteil ohne überzeugende Beweise gefällt worden und gefährde die europäische Zukunft Georgiens, die „demokratische Werte fordert, unter anderem eine Medienfreiheit und die Hoheit des Gesetzes“. „Die unbegründete Entscheidung des georgischen Gerichts ist das Ergebnis einer schon längst überfälligen Gerichtsreform, die sich Georgien durchzuführen verpflichtet hatte …, aber letztlich nicht vorgenommen hat“, heißt es in der Erklärung. Und es wird unterstrichen, dass dies alles das Land hindern könne, irgendwann ein Mitglied der Europäischen Union zu werden. Mit einer analogen Erklärung sind Polens Außenministerium, eine Gruppe US-amerikanischer Senatoren und Vertreter der Botschaften der westlichen Länder in Tbilissi aufgetreten.

Die Haltung der Offiziellen ist jedoch eine feste: Gvaramia sei kein politischer Gefangener. Er werde eine Strafe aufgrund eines Finanzverbrechens verbüßen. Anhänger des Inhaftierten und eine Gruppe von Journalisten veranstalteten eine Protestaktion mit der Forderung, das „ungerechte Urteil“ zu revidieren. Der Vertreter der Vereinten Nationalen Bewegung Zaal Udumashvili, der seinerzeit als Moderator bei „Rustavi-2“ unter der Leitung von Gvaramia gearbeitet hatte und nunmehr Parlamentsabgeordneter ist, hat ein Verlassen aller Oppositionellen des höchsten gesetzgebenden Organs des Landes aus Protest nicht ausgeschlossen. Die amtierende Volks- bzw. Pflichtverteidigerin Georgiens Nino Lomjaria rief Präsidentin Salome Surabischwili auf, ihr Recht auszunutzen und Nika Gvaramia zu begnadigen, da das Urteil nach ihrer Meinung einen voreingenommenen Charakter trage. Ein derartiges Szenario kommentierend, erklärte der Vorsitzende der Partei „Georgischer Traum“ Irakli Kobachidse, dass Surabischwili keine solche Entscheidung treffen dürfe, da sich Gvaramia äußerst scharf gegen das Institut des Präsidenten ausgesprochen hätte. „Gvaramia ist durch besondere Beleidigungen in Erinnerung geblieben, nicht einmal durch Grobheit. Und wenn du Surabischwili beleidigst, beleidigst du das ganze Institut des Präsidenten Georgiens. Und wenn Surabischwili auf einmal eine Entscheidung über eine Begnadigung trifft, so wird sich ergeben, dass sie das Institut des Präsidenten nicht verteidigt. Dies ist doch einfach unzulässig“, erklärte Kobachidse.