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Europäische Pharmazeuten plädieren für schnellstmögliche Zulassung russischer COVID-Impfstoffe


Das Problem der Überwindung der Coronavirus-Pandemie beeinflusst in Vielem derzeit die russisch-deutschen Beziehungen. Am 23. März fand in Moskau unter der Ägide des deutschen OWC Verlages für Außenwirtschaft und der Gesellschaft „Russland – Deutschland“ die Expertendiskussion „Perspektiven der russisch-deutschen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Pharmazeutik“ statt. Die Veranstaltung vereinte über 50 internationale Experten der Pharma-Branche sowie Vertreter diplomatischer und medizinischer Kreise. Als Moderator der Diskussion agierte Alex Stolarsky, ein Berliner Rechtsanwalt und Partner der SCHNEIDER GROUP.

Wie bekannt, sind bis zum 1. April dieses Jahres bereits über 7 Millionen Bürger Russlands mit dem Impfstoff Sputnik-V vakziniert worden. Das russische COVID-19-Vakzin an sich wurde bereits in fast 60 Ländern registriert und soll auf die Märkte von über 50 Staaten geliefert werden, darunter an EU-Mitgliedsländer beispielsweise nach Ungarn und in die Slowakei.

Die Richtung der Diskussion hatte Ulf Schneider, Präsident der SCHNEIDER GROUP und Chef des OWC Verlags vorgegeben: „Heute ist wie nie zuvor das Bedürfnis nach einer Vereinigung der Anstrengungen der Pharma-Branche auf dem Gebiet des Großen Europas – von Lissabon bis nach Wladiwostok – offensichtlich. Die auf die Rettung von Menschenleben ausgerichtete Zusammenarbeit in der Pharmazeutik kann und muss zu einem wichtigen Schritt auf dem Wege zu einer gemeinsamen gesunden Zukunft werden“.

Angesichts der schwierigen Situation hinsichtlich der Zugänglichkeit zu Impfstoffen in der Europäischen Union bekundete die Experten-Gemeinschaft Besorgnis über die Dauer der Registrierung und die Termine für eine Aufnahme der Herstellung des russischen Vakzins Sputnik-V in der EU. Alexander Bykov, Direktor in der „R-Pharm“ AG für Wirtschaft des Gesundheitswesens, bekräftigte: „Die Produktionsstätte von „R-Pharm“ in der Stadt Illertissen (Bayern) erlaubt, die Sputnik-V-Herstellung in Deutschland zu lokalisieren. Bei einer erfolgreichen Registrierung des Vakzins seitens der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) für die Märkte der EU und Deutschlands ist das Unternehmen „R-Pharm“ in der Lage, monatlich Millionen Einheiten des Impfstoffs herzustellen“.

Offen blieb die Frage nach der Möglichkeit und dem Prozedere der Registrierung des Vakzins. Klarheit schaffte Jérôme Lepeintre, Ministerberater der EU-Vertretung in Russland für Fragen des Gesundheitswesens und der Landwirtschaft: „Vor einigen Tagen, am 4. März, ist ein vollständiges Dossier für wissenschaftliche Untersuchungen und zur Beurteilung von Sputnik-V in der EU abgeschickt und von der EMA empfangen worden. Im April dieses Jahres werden zwei Inspektionen vor Ort erfolgen. Am 10. April beginnt die Beurteilung hinsichtlich der Übereinstimmung mit dem GCP-Standard (GCP — Good Clinical Practice, Verordnung zur Guten Klinischen Praxis) und am 26. April – hinsichtlich des GMP-Standards (GMP- good manufacturing practice, Verordnung über eine gute Herstellungspraxis für Materialien und Gegenstände). Die Ergebnisse dieser Expertisen werden zu einem Teil der Gesamtbewertung, die im Falle eines positiven Ergebnisses zur primären zeitweiligen Genehmigung für einen Verkauf in den 27 EU-Mitgliedsländern führen wird. Bis zur offiziellen Bestätigung kann Sputnik-V nur auf nationaler Ebene nach einer besonderen außerordentlichen Prozedur, die in der EU-Gesetzgebung über pharmazeutische Präparate bestimmt worden ist, autorisiert werden“. Die Experten bekundeten die Zuversicht, dass die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Pandemie zu einem wichtigen Schritt zur Annäherung der Pharma-Märkte der EU und EAWU werde.

Im Vorfeld des Forums hatte Tadzio Schilling, Generaldirektor der Europäischen Business-Assoziation in Moskau, auf den Seiten des OWC-Magazins betont, dass es heute noch schwer sei, die langfristigen negativen Folgen der Pandemie für die Geschäftsbeziehungen abzuschätzen. Und dies bedinge nach seiner Meinung die Notwendigkeit von Schritten zur schnellstmöglichen Überwindung der entstandenen Situation.

Laut Angaben der Online-Plattform Karenina.de führe die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) seit Anfang März eine Überprüfung des russischen Vakzins Sputnik-V hinsichtlich dessen Zulassung für den europäischen Markt durch. In einem Interview für die Online-Plattform erklärte Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, dass er mit einer Zulassung des russischen Impfstoffs für den europäischen Markt rechne. Die bedingte Zulassung durch die EMA werde zügig, vermutlich in sechs bis acht Wochen erfolgen. Dies hänge damit zusammen, dass es zwischen der EU und Russland keine Vereinbarung zur sogenannten Guten Herstellungspraxis (GMP) oder über Bedingungen für eine Überprüfung der Qualität der Medikamente in allen Phasen ihrer Herstellung gibt. Und gerade dies bedinge die Notwendigkeit, dass sich Experten der EMA vor Ort (in Moskau) den Prozess der Herstellung des Impfstoffs anschauen.