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Fan-IDs als Schlag gegen das Fußball-Geschäft Russlands


Dmitrij Peskow, der Pressesekretär des russischen Präsidenten, hat erklärt, dass man den Vereinigungen der russischen Fußball-Fans die Nuancen des Funktionierens des Fan-ID-Systems erklären müsse, die sie, wie er meint, nicht verstehen würden. Es geht um den sogenannten „Schlachtenbummler-Pass“, ohne dessen Ausstellung auf dem Internetportal „Staatliche Leistungen“ („Gosuslugi“) man ab 1. Juni nicht zu einem einzigen Fußballmatch gelangen kann.

In Klubs sagt man in der Regel, dass man das verabschiedete Gesetz umsetzen müsse und nicht dagegen tun könne. Zur gleichen Zeit löst bei den Klubführungen natürlich die Entscheidung einer Reihe von Fan-Bewegungen Besorgnis aus, alle Spiele ihrer Mannschaft zu boykottieren, solange die Norm bezüglich der Fan-IDs wirken wird. Am Montag haben dies die Fan-Organisationen der Profi-Fußballklubs „Zenit“, „Spartak“ und „Rostow“ offiziell bekanntgegeben. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich ihnen auch Schlachtenbummler anderer Teams anschließen werden. Bekannte Persönlichkeiten, die auf der einen oder anderen Weise mit der Welt des Sports verbunden sind, unterstützen die Fans oder bringen auf jeden Fall Verständnis für solch eine Entscheidung zum Ausdruck. Dabei belegt jede beliebige Internetumfrage, dass sowohl unter den gewöhnlichen Fußballliebhabern als auch unter den auf den Tribünen sitzenden Fans die Perspektive, einen „Schlachtenbummler-Pass“ auszustellen bzw. zu erhalten, keinen Enthusiasmus auslöst.

Die Einführung der Fan-IDs begründet man mit Sicherheitserwägungen. Die Verabschiedung des Gesetzes hatte man beschleunigt, nachdem man beim Premierliga-Spiel ZSKA Moskau – Zenit Petersburg auf der Fan-Tribüne Bengalische Feuer anzündete, wonach hunderte Fans des Moskauer Teams in Polizeigewahrsam genommen wurden – zwecks Klärung aller Umstände. Es hatte sich herausgestellt, dass die Videokameras, die gewöhnlich helfen, Rechtsverletzer zu ermitteln, im Stadion nicht gearbeitet hatten. Im Nachklapp erklärte man dies mit einer rätselhaften Hacker-Attacke. Doch die Gesetzesschöpfung war schon nicht mehr aufzuhalten.

Der „Schlachtenbummler-Pass“ erinnert an das Identifikationssystem, das während der FIFA-Weltmeisterschaft in Russland im Jahr 2018 und bei den Spielen der UEFA-Europameisterschaft 2021in Sankt Petersburg angewandt worden war. Dies waren jedoch internationale Turniere. Fußballfans aus anderen Ländern waren nach Russland gekommen. In Europa, wo natürlich auch Hooligan-Aktionen auf den Tribünen passieren (in dieser Saison wurden so Spiele in Frankreich und Spanien abgebrochen), hat keiner Dokumente anlog zu den Fan-IDs eingeführt und führt sie nicht ein. Da funktioniert recht ordnungsgemäß ein System zur Ermittlung von Rechtsverletzern. Dies kann man im Großen und Ganzen auch hinsichtlich Russlands sagen. Eine Eintrittskarte zu einem Spiel kann man ohne Pass auch so schon nicht erwerben, Videokameras fixieren Verstöße auf den Tribünen. Fälle von Verboten für konkrete Personen, Spiele zu besuchen, gibt es auch ohne neue Gesetze mehr als genug.

Die Fans sprechen von den Fan-IDs wie über ein System zur totalen Kontrolle. Sie befürchten, dass sie bei der Ausstellung des „Passes“ wegen jeglicher früher „Sünden“, selbst wenn sie nicht mit dem Fußball verbunden waren, eine Ablehnung erhalten werden. Die Klubs verlieren aufgrund der Boykotts Einnahmen. Allerdings nicht nur aufgrund von Boykotts. Die zusätzlichen Identifizierungsprozeduren werden wohl kaum neue Menschen auf die Tribünen locken. Der Tourist in Krasnodar oder Sotschi wird sich für den Besuch eines Fußball-Matches entscheiden, wenn dazu lediglich eine Eintrittskarte erworben werden muss. Ab dem 1. Juni ist allein der Wunsch, ein Fußballspiel zu besuchen, bereits unzureichend.

Die Einführung der Fan-IDs war keine Initiative der Klubs oder des russischen Fußballverbands. Dort begreift man ausgezeichnet, dass jegliche derartige Maßnahmen Verluste für das Business bescheren. Das Problem besteht darin, dass der „Schlachtenbummler-Pass“ eine Initiative der Regierung war, die durch die Staatsduma (das russische Unterhaus, in dem die Kremlpartei „Einiges Russland“ das Sagen hat – Anmerkung der Redaktion) unterstützt wurde. Daher können die Fan-Bewegungen so viel wie möglich auf die Klubs Druck ausüben. Doch keiner von ihnen wird nichts im Alleingang klären und aufheben. Die Klubs und der Verband werden sich im besten Falle den Gesprächen mit den Offiziellen ohne eine klare Perspektive anschließen. Schließlich ist das Gesetz schon verabschiedet worden. Was ihnen die Abgeordneten und Regierungsbeamten antworten werden, ist mehr oder weniger offensichtlich: Überzeugen Sie die Schlachtenbummler davon, dass die Fan-ID nützlich ist.

Bereits im vergangenen Jahr war mitgeteilt worden, dass die Regierung für das Fan-ID-Projekt einen Etat von 773 Millionen Rubel bereitstelle. Eine zu verführerische Summe für jene, die sie ausgeben werden, um Mitgefühl für die Klubs zu empfinden, gegen deren Business ein ernsthafter Schlag geführt wird, oder um einen Rückzieher zu machen, etwas aufzuheben oder zumindest zu lockern.