Die Weißrussen erwarten in diesen Tagen mit Besorgnis die Quittungen zur Bezahlung der kommunalen Dienstleistungen für November. Seit Oktober zahlen diejenigen, die die Offiziellen als „nicht in der Wirtschaft tätige“ oder simpel als „Faulenzer“ bezeichnen, aber auch diejenigen, die in ihnen gehörenden Wohnungen leben, entsprechend den vollständigen Tarifen. Im vergangenen Monat haben die berechneten Summen bei vielen einen Schock ausgelöst. Es stellte sich heraus, dass diejenigen, die im Ausland arbeiten, auch in eine Kategorie mit den Faulenzer geraten waren. Das Ministerium für die kommunale Wohnungswirtschaft erläuterte dieser Tage erneut die neuen Modalitäten. Experten verweisen jedoch darauf, dass die Offiziellen in dieser Frage ein Risiko eingehen würden, da die „Bezahlung für kommunale Dienstleistungen eine der Grundfesten ist, auf denen die schweigende Zustimmung beruht“.
Vergangen sind zwei Monate eines Lebens entsprechend dem neuen System zur Berechnung der Tarife für die Leistungen der kommunalen Wohnungswirtschaft für die Personen, „die nicht in der Wirtschaft beschäftigt sind“, oder, wie sie Präsident Alexander Lukaschenko bezeichnet, für die „Faulenzer“. Die im November erhaltenen Quittungen für Oktober mit neuen Summen haben bei vielen Weißrussen Unverständnis ausgelöst. Jetzt erwarten sie mit Spannung, was sie in den anstehenden, in den November-Rechnungen zu sehen bekommen werden.
Die Sache ist die, dass bis zum 1. Oktober, wenn ein nicht in der Wirtschaft beschäftigter Bürger in seiner Wohnung gemeldet war und dort nicht allein wohnte, erhöhte Tarife nur in Bezug auf seinen Anteil am Gesamtumfang der Leistungen angewandt wurden.
Doch nach diesem Datum werden, wenn eine Person in die Listen derjenigen geraten ist, die nicht ihren Beitrag zur Entwicklung des Landes leisten, aber Eigentümer von Wohnraum sind, die „wirtschaftlich begründeten Tarife“ für die gesamte Fläche aller ihm gehörenden Wohnungen und für den Gesamtumfang der in Anspruch genommenen Leistungen angewandt. Ein vergünstigter Teil, der früher zwischen den Bewohnern aufgeteilt wurde, ist jetzt ausgeschlossen worden. Solche Erläuterungen hat das Ministerium für kommunale Wohnungswirtschaft den durch die neuen Summen betroffenen Bürgern im vergangenen Monat gegeben. Und es erklärte: „Das Hauptziel der Neuerungen für eine Korrektur ist die Schaffung eines gerechteren Systems für eine Verteilung der Belastung in der kommunalen Wohnungswirtschaft. Die staatlichen Subventionen für kommunale Leistungen sollen in erster Linie jene Bürger unterstützen, die durch ihre Arbeit an der Entwicklung der Wirtschaft des Landes teilnehmen“.
Wie sich aber herausstellte, betrifft dies alles nicht nur im vollen Sinne des Wortes die „Faulenzer“, das heißt die Menschen, die überhaupt nicht arbeiten, sondern auch die anständigen Bürger in dem Fall, wenn sie im Ausland arbeiten.
Informationsressourcen, wobei bei weitem nicht nur oppositionelle, veröffentlichen Posts von Weißrussen in den sozialen Netzwerken, wo einige zu behaupten riskieren, dass sie jetzt für die kommunalen Leistungen praktisch genauso wie in Europa bezahlen würden, während jedoch die Löhne und Gehälter im Land deutlich hinter den westlichen zurückbleiben.
Die Internetplattform Office Life, die sich so charakterisiert: „arbeitet in Belarus, hilft dem belorussischen Business zu wachsen, zu verdienen und die Welt ringsherum besser zu machen“, schreibt beispielsweise: „Zu einem der am meisten diskutierten Posts wurde der Post einer Quittung mit einer Summe von 349,47 Rubel für 63 Quadratmeter, der auf rund zwei Millionen Aufrufe kam. Der Autor des Posts erklärt, dass zur Ursache solch einer Summe das geworden war, dass der „Ehemann in Europa arbeitet. Und er ist bei uns sozusagen zu einem Faulenzer geworden“. Ein weißrussischer Rubel entspricht etwa 26,65 russische Rubel (umgerechnet etwa 20 Cent – Anmerkung der Redaktion). Laut der Internetressource Myfin.by machte der Durchschnittslohn in Weißrussland im Oktober dieses Jahres 2758,60 Rubel aus.
Im Vorfeld des Zustellens der neuen Quittungen zur Bezahlung der kommunalen Leistungen wandte sich Office Life an das Ministerium für kommunale Wohnungswirtschaft zwecks Erläuterungen zu derartigen strittigen Momenten.
„Durch die Zahler für die kommunalen Leistungen, die in die Liste der arbeitsfähigen Bürger aufgenommen worden und nicht in der Wirtschaft beschäftigt sind und (oder) in die Liste der arbeitsfähigen Bürger, die nicht in der Wirtschaft beschäftigt sind und aus Belarus ausreisten, wird die Zahlung gemäß den Tarifen vorgenommen, die eine vollständige Kompensierung der wirtschaftlich begründeten Ausgaben für deren Erbringung gewährleisten“, erklärte man im Ministerium.
Auf die Frage, was geschieht, wenn die Wohnung einem „Faulenzer“ gehört, mit ihm aber jene wohnen, die arbeiten, gab man im Ministerium diese Antwort: „Die kommunalen Leistungen sind gemäß den wirtschaftlich begründeten Tarifen zu bezahlen. Wenn der Eigentümer des Wohnraums (einer der Miteigentümer gemäß den Angaben aus der Urkunde über die staatliche Registrierung der Rechte auf den Wohnraum) in die Liste der Nichtbeschäftigten aufgenommen worden ist — im Gesamtumfang der in Anspruch genommenen Leistung“.
Office Life erklärte dies verständlich auf diese Weise: „Das heißt diejenigen, die arbeiten und in einer Wohnung wohnen, die einem „Faulenzer“ gehört, bezahlen faktisch für die kommunalen Leistungen gemäß den kompletten Tarifen“.
Aber hinsichtlich jener, die im Ausland tätig sind, gab Nikita Belentschenko, Direktor des Zentrums für internationale Studien in der Belorussischen Staatsuniversität, der staatlichen Nachrichtenagentur BelTA die nachfolgenden Erläuterungen: „Es ist wichtig zu verstehen, dass es nicht darum geht, ob eine Person überhaupt arbeitet, sondern darum, ob er am weißrussischen System der sozialen und Wirtschaftsbeziehungen beteiligt ist. Wenn ein Bürger faktisch in einem anderen Staat Einkommen erhält und keine Abführungen an den einheimischen Etat vornimmt, nimmt er formell nicht an der Finanzierung der sozialen Verbindlichkeiten von Belarus teil“.
Der Wirtschaftsanalytiker Jaroslaw Romantschuk betonte auf einer der oppositionellen Internetseiten: „Sie nehmen einen unklaren Preis für die kommunalen Dienstleistungen mit voller Macht auf, ohne auch nur eine klare Aufschlüsselung hinsichtlich der Kosten zu haben. Am schmerzhaftesten trifft dies gerade die ungeschützten Bevölkerungsschichten. Sie treiben jene Menschen noch mehr in die Armut, die offiziell keine Arbeit haben oder sich in einer instabilen Lage befinden“.