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Für Russland sind „Ein Gürtel und eine Straße“ unzugänglich


Die Investitionen Chinas in Russland machten auf Initiative Pekings in der ersten Hälfte des vergangenen Jahres 0 (!) Dollar aus. Laut einem dieser Tage vorgelegten Report der in Shanghai beheimateten Fudan-Universität hat China in diesem Zeitraum nicht einen einzigen Vertrag mit der Russischen Föderation abgeschlossen. In dem Dokument heißt es, dass die Sanktionen des Westens den Chinesen Angst gemacht hätten, obgleich sich Peking nicht von Moskau abgewandt hat. Und Perspektiven für eine Zunahme der Zusammenarbeit werden bleiben, wenn man dessen Bedarf an Erdöl und Erdgas berücksichtigt.

Den Bericht der Fudan-Universität hat die britische Zeitung „Financial Times“ als eine seriöse Studie anerkannt. Aus dem Report folgt, dass China in der Tat nicht einen einzigen Vertrag mit Unternehmen der Russischen Föderation entsprechend dem Programm „Ein Gürtel und eine Straße“ in den ersten beiden Quartalen des Jahres 2022 abgeschlossen hatte. Christoph Nedopil, Direktor des Green Finance & Development Center an der oben ausgewiesenen Universität, sagte, dass China, während es die Investitionen in Russland verlangsamt, gleichzeitig die Kontakte mit dem Nahen Osten erweitert.

Nedopil erläuterte, dass der Rückgang der Investitionen in Russland nur ein zeitweiliger sein könne, da das Zusammenwirken Chinas und Russlands ein starkes sei. Nach Beginn der russischen Kampfhandlungen in der Ukraine haben Chinas Einkäufe von Kohlenwasserstoffen in Russland nur zugenommen. Was die gesamten Verbindlichkeiten Chinas in Bezug auf die Initiative „Ein Gürtel und eine Straße“ mit allen Staaten angeht, so beliefen sie sich seit 2013, das heißt seit ihrer Bekanntgabe durch das Staatsoberhaupt der Volksrepublik China, Xi Jinping, auf 932 Milliarden Dollar. Davon wurden 561 Milliarden Dollar für Bau-Verträge eingesetzt, 371 Milliarden Dollar – für Investitionen. Diese Projekte erfassen solche Sektoren wie Häfen, Bahnstrecken, Schächte und die Schaffung von Zentren zur Datenerfassung.

Dabei ist zu einem der hauptsächlichen Nutznießer der Initiative Saudi-Arabien geworden. Peking hat 2021 mit dem Königreich Geschäftsabschlüsse über fünf Milliarden Dollar getätigt. Während die Auslandsinvestitionen Chinas hauptsächlich ausgebremst wurden, hat es sich aber auf Verträge konzentriert, die mit Ressourcen verbunden waren. Wie das chinesische Blatt „South China Morning Post“ betont, hätten sich die Interessen des weltweit größten Verbrauchers von Energieprodukten und des weltweit größten Exporteuers von Erdöl getroffen. Dies hat seinen Niederschlag in einem neuen Vertrag zwischen Peking und Er Riad über eine Summe von zehn Milliarden Dollar gefunden, der dieser Tage bekanntgegeben wurde. Entsprechend diesem Deal wird in der chinesischen Provinz Liaoning ein moderner Erdölverarbeitungsbetrieb errichtet.

Dies erfolgte, wie die Zeitung schreibt, vor dem Hintergrund dessen, dass der Einfluss Chinas im Nahen Osten erstarkt sei. Und der Einfluss der USA sei schwächer geworden, als sie offiziell ihre Militärmission im Irak beendeten und die Truppen aus Afghanistan abzogen.

Und dennoch aber, wie groß ist die Rolle von „Ein Gürtel und eine Straße“ in den Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Russischen Föderation und der Volksrepublik China? In einem analytischen Beitrag des russischen Außenministeriums vom Juli 2021 war die Rede, dass Russland nicht direkt an dieser Initiative teilnehme. Das Zusammenwirken erfolge auf der Grundlage der Gemeinsamen Erklärung der Russischen Föderation und der Volksrepublik China über eine Zusammenarbeit hinsichtlich einer Verbindung der Formierung der Eurasischen Wirtschaftsunion und des Wirtschaftsgürtels „Neue Seidenstraße“ vom 8. Mai 2015. Die russische Seite würde diesen Track als eine der wichtigen Richtungen der Arbeit zur Realisierung der Idee von der Etablierung einer Großen Eurasischen Partnerschaft ansehen.

In einem Gespräch mit der „NG“ betonte Alexander Lomanow, stellvertretender Direktor des Je.-M.-Primakow-Instituts für Weltwirtschaft und internationale Beziehungen bei der Russischen Akademie der Wissenschaften: „Die erste Hälfte des Jahres 2022 verlief in China unter dem Zeichen von Lockdowns und harter Restriktionen aufgrund des (Korona-) Virus. Die Chinesen waren fast nirgendwohin gefahren. Ich denke, dass gerade diese Einschränkungen zur Ursache für die Verlangsamung der chinesischen Investitionen in Russland geworden sind und ganz und gar nicht die Angst vor Sanktionen. Aber konkret über die Perspektiven der russisch-chinesischen Investitionszusammenarbeit zu urteilen, ist derzeit schwierig. Klarheit wird es nicht früher als Anfang des Jahres 2024 geben, wenn statistische Angaben über das Wirtschaftswachstum der Volksrepublik China vorgelegt werden. Wobei in dieser Hinsicht neue Vereinbarungen zwischen China und der Eurasischen Wirtschaftsunion nötig sein werden“.

Hinsichtlich der Rolle der Initiative „Ein Gürtel und eine Straße“ in der internationalen Strategie Pekings sagte der Experte: „Im Westen hat man damit gelärmt, dass China die Säfte aus den armen Ländern aussauge. Herausgestellt hat sich aber das Gegenteil. Es gibt gewaltige Summen dafür aus, um seinen Schuldnern zu helfen, die Schulden aufs Neue zu strukturieren“.

Im Zusammenhang damit schrieb das „Wall Street Journal“: Das Ausmaß der Verzweiflung von Chinas Schuldner sei solch eines, dass Peking faktisch ein neues System zu deren Rettung schaffen musste, das neben dem Internationalen Währungsfonds und anderen westlichen Institutionen existiere.