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GAZPROM kommt über Kischinjow auf die EU-Märkte


Die Republik Moldowa habe sich an Rumänien mit der Bitte um eine Speicherung seiner Erdgasvorräte gewandt, teilte der Generaldirektor des rumänischen Unternehmens Transgaz Ion Sterian mit. Bisher hatte Kischinjow eine ukrainische Speicheranlage genutzt, in die sie rund 100 Millionen Kubikmeter des Energieträgers eingespeichert hatte. Der moldawische Wirtschaftsexperte Dmitri Kalak erläuterte der „NG“, dass die Moldawier sich anschicken würden, auch russisches Gas in die rumänischen Speicher zu pumpen, aber aus rumänischen Leitungen. Das Ziel ist, Risiken zu umgehen, die mit den Preisschweigerungen auf dem Spot-Markt verbunden sind, und vorab preiswerte Energieträger zu erwerben, die bereits im kommenden Herbst teurer werden. Der Führer der moldawischen Sozialdemokraten Victor Șelin ist der Auffassung, dass die Vorräte nicht für Moldawien, sondern für einen Weiterverkauf in die EU angelegt werden würden.

Ion Sterian, der Generaldirektor des rumänischen Unternehmens Transgaz, präzisierte, dass es gegenwärtig um eine Abstimmung der technischen Parameter für künftige Verhandlungen mit rumänischen Gasunternehmen gehen würde. Früher hatte Kischinjow Untergrundgasspeicherkapazitäten in der Ukraine gemietet, um rund 100 Millionen Kubikmeter des Brennstoffs einzuspeichern. Der Chef des moldawischen Unternehmens „Moldovagaz“ (ein Tochterunternehmen von GAZPROM) Vadim Ceban hatte Anfang August gewarnt, dass die Preise für Gas in Moldawien zum Herbst unter Berücksichtigung der zunehmenden Nachfrage nach ihm in der EU ansteigen würden. Ceban betonte, dass gegenwärtig Gespräche mit GAZPROM erfolgen würden. Und eine endgültige Entscheidung werde nach Unterzeichnung eines neuen Vertrages oder nach Verlängerung des aktuellen getroffen.

Dass sich Kischinjow mit Moskau in Bezug auf das Gas einigen könne, zweifeln die Moldawier nach dem jüngsten Besuch des stellvertretenden Leiters der russischen Präsidialadministration Dmitrij Kosak in der moldawischen Hauptstadt nicht an. Nach der Begegnung mit der Präsidentin der Republik Moldowa, Maia Sandu, hatte Kosak betont, dass auch die Frage nach der Unterzeichnung eines neuen Vertrags über die Lieferung russischen Gases erörtert worden sei, da der Vertrag von GAZPROM mit „Moldovagaz“ im Herbst auslaufe. „Hier ist ein Dialog nötig, um gegenseitig vorteilhafte Entscheidungen zu treffen. Niemand wird niemanden Geschenke machen müssen. Aber niemand darf niemanden beeinträchtigen“.

Der Kommentator des Wirtschaftsmagazins „Logos-Pres“ Dmitri Kalak sagte der „NG“, dass die Entscheidung, rumänische Gasspeicher zu nutzen, für den Fall einer überraschenden Änderung der Preise auf dem Spot-Markt getroffen worden sei. „Im vergangenen Jahr kostete das Gas auf dem Spot-Markt 50 Dollar für eintausend Kubikmeter. In diesem ist der Preis bis auf 500 Dollar angestiegen“, erläuterte der Experte. Das heißt, Moldawien versucht, sich mit billigem Gas für den Winter einzudecken.

Dmitri Kalak betonte, dass „in die die rumänischen Speicher das gleiche russische Gas gelangen wird, aber bereits aus einer rumänischen Leitung“. Der Experte präzisierte, dass russisches Gas für Moldawien teilweise über eine ukrainische Leitung nach Rumänien gelange, aber auch über „South Stream“. Er betonte, dass in Rumänien eigenes Gas gefördert werde. Man könne es aber aufgrund technischer Ursachen nicht nach Moldawien liefern (es gibt keine Gasleitung).

Der Führer der Sozialdemokratischen Partei der Republik Moldowa, Victor Șelin, sieht die Situation anders. Der Geschäftsmann behauptete gegenüber der „NG“, dass in den moldawischen Speicher in Rumänien das russische Gas nicht eingespeichert werde, damit das Land normal den Winter übersteht. Șelin erinnerte daran, dass „Moldovagaz“ nur zu 35 Prozent der Republik Moldowa gehöre, die übrigen Aktien des Unternehmens besitzen der russische Konzern GAZPROM, der damit das Kontrollpaket hält, und Transnistrien. Der moldawische Politiker erläuterte, dass dementsprechend die Frage einer Speicherung von Gasvorräten für die Republik Moldowa in Rumänien durch GAZPROM entschieden werde. Der Politiker betonte, dass man dies auch hinsichtlich der ukrainischen Speicherkapazitäten (für Moldawien) sagen könne. „Dorthin gelang das Gas für die Republik Moldawa mit einer Genehmigung von GAZPROM. Und danach konnte es an private Unternehmen verkauft werden, von denen es in der Ukraine nicht wenige gibt“. „In Rumänien kann das russische Gas im Namen Moldowas verkauft werden, da es für den Gas-Monopolisten, der GAZPROM ist, verboten ist, innerhalb der EU Energieträger zu verkaufen. Dies diktieren die Regeln des Dritten Energiepakets, das auch Moldowa unterschrieben hat. Es kann aber das verkaufen, was sich in seinen Speicheranlagen befindet“, munkelte Victor Șelin.

Früher hatte „Moldovagaz“-Chef Vadim Ceban erklärt, dass der Gaspreis für Moldawien wahrscheinlich unter Berücksichtigung der zugenommenen Nachfrage nach Energieträgern in Europa ansteigen werde.

Derweil wartet Kischinjow auf eine Bestätigung der Zusage von Dmitrij Kosak hinsichtlich des bilateralen Handels. Der hochrangige russische Beamte hatte während seines Kischinjow-Besuchs gesagt, dass sich Kischinjow und Moskau über eine Aufhebung der gegenseitigen Restriktionen im Bereich des Handels geeinigt hätten. Dabei hatte er besonders unterstrichen: „Wir werden unter Berücksichtigung der nationalen Interessen Russlands Handel treiben“.

Für Moldawien ist es wichtig, den Export von Obst und Gemüse nach Russland zu erhöhen, da man in der EU nicht alles abnimmt. Der deutsche Wirtschaftsberater Dr. Ricardo Giucci betonte, dass die Republik Moldowa über ein großes Potenzial für den Export von Weintrauben und Äpfeln verfüge. „Ein Großteil der Obstproduktion wird in die Russische Föderation exportiert. Um aber eine Tendenz für eine Zunahme des Wertes der Produkte des Obstanbaus in der Europäischen Union auszumachen und langfristige Wettbewerbsvorteile zu erhalten, bedarf der Gartenbau-Sektor einer Diversifizierung, Investitionen und einer Entwicklung, die auf Innovationen orientiert sind und den Anforderungen der Europäischen Union entsprechen“, betonte der deutsche Experte, der in einer Pressemitteilung des moldawischen Landwirtschaftsministeriums zitiert wird.

Nach Aussagen des Landwirtschaftsministers der Republik Moldowa, Viorel Gherciu, sei die vorrangige Aufgabe auf der Tagesordnung der moldawischen Regierung eine Erweiterung des Zugangs zu den Auslandsmärkten für die Agrarerzeuger.

Diese Frage kann positiv geklärt werden, da Russlands Staatsoberhaupt Wladimir Putin im August der russischen Regierung die Anweisung erteilte, Maßnahmen zur Erweiterung des Imports von landwirtschaftlichen Erzeugnissen aus den GUS-Ländern zu ergreifen. Diktiert wurde die Entscheidung durch den Wunsch, die Preise für diese Erzeugnisse im Land an sich zu stabilisieren. Zuvor hatte Russland eine Reihe von Einschränkungen und gar ein Embargo in Bezug auf moldawische Erzeugnisse verhängt.

Präsidentin Maia Sandu signalisierte die Bereitschaft zu einer Aktivierung der bilateralen Kontakte mit der Russischen Föderation. Sie schrieb auf ihrer Facebook-Seite: „Wir haben (mit Kosak – „NG“) eine Reihe wichtiger Themen auf der Agenda der bilateralen Beziehungen erörtert, darunter den Export moldawischer Agrarerzeugnisse auf den russischen Markt und einen neuen Vertrag über Gaslieferungen für unser Land“.

Die Offiziellen der Republik Moldowa würden verstehen, dass effektive Wirtschaftsbeziehungen mit der Russischen Föderation dies seien, was die meisten Bürger erwarten würden, schrieb der rumänisch-stämmige Experte Vladimir Socor von der US-amerikanischen Jamestown Foundation. „Das Festhalten von Sandu und ihrem Team an der europäischen Integration ist unerschütterlich. Sie müssen aber drei Sachen anerkennen“, schreibt der Experte. „Erstens wird die Position „so weit wie möglich Abstand zu Russland halten“ keine Wiederwahl in vier Jahren sichern, wenn man den geringen Grad antirussischer Stimmungen und die immer noch weit verbreitete Achtung gegenüber Russland unter den moldawischen Wählern berücksichtigt. Zweitens sind effektive Wirtschaftsbeziehungen mit Russland das, was die meisten moldawischen Wählern erwarten. Und dies kann erhebliche wirtschaftliche Vorteile für das arme Moldawien ohne einen Schaden für dessen sich vertiefenden Beziehungen mit der EU bringen. Drittens kann der Konflikt in Transnistrien nicht im Interesse Moldawiens gelöst werden, so lange Moldawien nicht als Staat wiederhergestellt wird. Und bis dahin sind ruhige Beziehungen mit Russland erforderlich“, resümiert Vladimir Socor.