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Gefangene aus „Asowstahl“ – in Russland ein politischer Faktor


Die ukrainische Einheit „Asow“, die in Russland als eine extremistische und verbotene Struktur anerkannt worden ist, wird am 26. Mai noch einmal hinter verschlossenen Türen verboten. Nunmehr bereits als eine terroristische Organisation. Die Generalstaatsanwaltschaft richtete einen entsprechenden Antrag an das Oberste Gericht der Russischen Föderation. Derweil hat die Tagung der Staatsduma (des Unterhauses des russischen Parlaments – Anmerkung der Redaktion) am 17. Mai gezeigt, dass sich die Schlacht um „Asowstahl“, die scheinbar zu Ende geht, in einen innenpolitischen Faktor verwandelt hat. Die Aufgabe der ukrainischen Militärs wurde zu einem Anlass für eine erneute Diskussion der angenommenen Parteien des Friedens und des Krieges. Und nicht nur an der Moskauer Hauptstraße Ochotnyj Rjad (wo sich der Sitz der Staatsduma befindet – Anmerkung der Redaktion) dominiert gerade letztere. Scheinbar sind ihre Position nunmehr auch in der höchsten Führungsriege erstarkt.

„Russlands Justizministerium informiert, dass ein ordnungsrechtliches Verfahren über die Anerkennung der ukrainischen militarisierten nationalistischen Vereinigung „Asow“ (andere verwendete Bezeichnungen: Bataillon „Asow“, Regiment „Asow“) als eine terroristische Organisation und über das Verbot ihrer Tätigkeit auf dem Territorium der Russischen Föderation für eine gerichtliche Behandlung für den 26. Mai im Gebäude des Obersten Gerichts Russlands anberaumt worden ist“, wird auf der Internetseite des Ministeriums ausgewiesen. Im Obersten Gericht präzisierte man, dass die Klageforderung der Generalstaatsanwaltschaft in einem geschlossenen Regime behandelt werde.

Die Entscheidung des Aufsichtsorgans sieht wie eine direkte Folge der in der Staatsduma formulierten Erklärungen aus, wonach die „Asow“-Angehörigen nicht als gewöhnliche Kriegsgefangene angesehen werden könnten. Tatsächlich sind die Äußerungen der Abgeordneten – beginnend mit dem Vorsitzenden des Unterhauses Wjatscheslaw Wolodin (von der Kremlpartei „Einiges Russland“) – wahrscheinlich zu einem informationsseitigen Element der Vorbereitung auf die Operation zur bevorstehenden Ablehnung sowohl gegenüber der Ukraine als auch dem Westen eines Austauschs dieser Personen gegen gefangengenommene russische Militärs geworden. Und vom Prinzip her konnte man gerade solch eine Vorgehensweise auch im Voraus voraussehen. Da der russische Präsident Wladmir Putin mehrfach öffentlich die Bereitschaft zu humanitären Waffenstillständen im Verlauf der von ihm am 24. Februar befohlenen Sonderoperation signalisierte und – was das Wichtigste ist – befohlen hatte, sie zu realisieren, war klar, dass man die „Asow“-Angehörigen doch nicht unter den Ruinen des Betriebes begraben wird. Die russischen Offiziellen haben jedoch beschlossen, hart und operativ auf den Versuch von Kiew und westlicher Medien zu reagieren, das Herauskommen der Ukrainer aus den unterirdischen Labyrinthen von „Asowstahl“ als einen gewissen Sieg über die Russische Föderation darzustellen.

Dabei scheint es, dass noch am Vorabend vom Prinzip her auch eine andere Variante möglich gewesen war. Und zwar ein Austausch. Doch in der Nacht zum 17. Mai waren die patriotischen Internetressourcen voller besorgter Mitteilungen: Die „Partei des Friedens“ innerhalb und rund um den Kreml bereite sich angeblich vor, dem zuzustimmen, die „Asow“-Männer nach Hause gehen zu lassen, und die Ukraine sich bereits anschicke, diese überaus große Pleite der Sonderoperation der Russischen Föderation zu feiern. Daher war es nicht überraschend, dass einer der Duma-„Falken“ – Anatolij Wassermann von der Partei „Gerechtes Russland – Für die Wahrheit“ – direkt zu Beginn der Sitzung des Unterhauses den Vorschlag unterbreitete, einen Beschluss der Staatsduma oder gar ein Gesetz, das einen Austausch von laut seinen Worten „Nazi-Verbrechern“ verbietet, anzunehmen. Obgleich solch eine Frage nicht auf der Tagesordnung der Sitzung gewesen war, fing der Unterhauschef nicht an, die Initiativen zurückzuweisen, wobei er zustimmte, dass eine entsprechende parlamentarische Arbeit vorgenommen werden könne.

Mehr noch, Wolodin erklärte, dass „Naziverbrecher nicht ausgetauscht werden dürfen. Dies sind Kriegsverbrecher. Wir müssen alles dafür tun, damit sie vor Gericht gestellt werden“. Analoge Forderungen äußerten beinahe alle Fraktionen der Staatsduma, die im Großen und Ganzen auch mit ihren Bewertungen für die internationale Situation im Kontext der Sonderoperation auftraten. Und Leonid Sluzkij, der am Mittwoch zum Chef der LDPR-Fraktion gewählt wurde, weiterhin aber Vorsitzender des Duma-Ausschusses für internationale Angelegenheiten bleibt, ging im Verlauf seiner Wortmeldung bis an die Grenzen eines radikalen Vorgehens. Man müsse in Russland die Möglichkeit wiederherstellen, das höchste Strafmaß gerade gegenüber jenen anzuwenden, denen nazistische Handlungen vorgeworfen werden. „Wenn schreckliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit nachgewiesen werden, und ich wiederhole da erneut meinen Vorschlag, so muss eine Ausnahme aus dem Moratorium für die Todesstrafe in Russland gemacht und dem (jeweiligen) Gericht das Recht gewährt werden, die Möglichkeit einer Anwendung der Höchststrafe zu prüfen“. So formulierte er seinen Vorschlag. Es ist klar, dass die Anerkennung von „Asow“ als eine terroristische Organisation ein großer Schritt bei der Realisierung gerade des Herangehens von Sluzkij sein wird. Und folglich hat er es ganz und gar nicht zufällig gerade am passenden Tag formuliert.

Allerdings sollte die Tatsache, dass die „Partei des Krieges“ in der Staatsduma dominiert, nicht überraschen, denn dieser sozusagen ultrapatriotische Teil der Herrschenden ist in der letzten Zeit überhaupt kräftig erstarkt. Es scheint, dass dies zum Ergebnis einer Verhärtung der Position von Präsident Putin geworden ist. Und jetzt muss er irgendwie überzeugend aus den früher gemachten Zusagen, eine wahre humanistische Vorgehensweise gegenüber den Kämpfern zu demonstrieren, die sich in „Asowstahl“ verschanzt hatten, herauskommen. Am einfachsten wird dies in dem Falle zu machen sein, wenn man jene der Soldaten zu Terroristen erklärt, die überdies auch noch auf der Grundlage nazistischer Überzeugungen handeln. Überdies sei daran erinnert, dass Moskau, wie bereits mehrfach im Internet mitgeteilt wurde, damit rechne, in den Kellerräumen des zerstörten Betriebes gewisse überzeugende militärpolitische kompromittierende Materialien in Bezug auf die Hauptländer der NATO zu finden.

  1. S.

Am Mittwoch meldete das russische Verteidigungsministerium, dass sich alles in allem seit dem 16. Mai 959 ukrainische Militärs aus „Asowstahl“ ergeben hätten, unter ihnen 80 verwundete. Und Kremlsprecher Dmitrij Peskow unterstrich dabei, dass das Verlassen des Betriebsgeländes gerade eine Aufgabe des Gegners sei, denn sie würden die Waffen niederlegen und sich ergeben.