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Georgien bereitet man auf eine neue Revolution vor


Vor dem Hintergrund der Gefahr eines Staatsstreichs in Georgine hat Bidzina Ivanishvili beschlossen, persönlich die Kandidatenliste der regierenden Partei anzuführen. Er und seine Anhänger behaupten, dass nach dem 26. Oktober die Partei „Georgischer Traum“ die Verfassungsmehrheit erhalten werde. Und die Opposition werde verboten. Ihren Worten nach zu urteilen, könne dies nur ein ausländisches Eingreifen verhindern. Die Oppositionellen versichern, dass sie nach einem Sieg bei den Wahlen 14 Milliarden Euro ins Land holen könnten.

Die Kandidatenliste der regierenden Partei „Georgischer Traum“ für die anstehenden Parlamentswahlen wird erstmals der Gründer und Ehrenvorsitzende der Partei, der Milliardär Bidzina Ivanishvili, anführen. Der amtierende Regierungschef Irakli Kobakhidze nimmt den zweiten Listenplatz ein. Unter den ersten zwanzig bekanntgegebenen Kandidaten sind gleichfalls Olympiasieger und Mitglieder der Partei „Volksmacht“, die sich früher formell von der Partei „Georgischer Traum“ losgelöst hatte. Es sei daran erinnert, dass im Jahr 2012 die Kandidatenliste der heutige Bürgermeister von Tbilissi, Kacha Kaladse, angeführt hatte, der zu jener Zeit Profifußballer gewesen war. Und im Jahr 2016 – der damalige Premierminister Giorgi Kwirikaschwili. Vier Jahre später – erneut ein Kabinettschef, Giorgi Gacharia, der jetzt die eigene Oppositionspartei „Für Georgien“ leitet.

Ivanishvili bemüht sich, eine absolute Zuversicht hinsichtlich seines Sieges zu demonstrieren. Er hat beispielsweise erklärt, dass die Georgier am 26. Oktober eine Entscheidung zwischen den Verteidigern und den Verrätern der Nation, zwischen den pseudoliberalen und traditionellen treffen würden. „Wirt treffen eine Entscheidung zwischen einer würdigen europäischen Zukunft unseres Landes und einer inakzeptablen Gegebenheit, die die radikale Opposition und ausländische Akteure als eine europäische präsentieren wollen“, unterstrich Ivanishvili. Dabei würde laut seinen Worten die kollektive „Vereinte Nationale Bewegung“ (das heißt praktisch die gesamte Opposition) nach dem Sieg von „Georgischer Traum“ verboten werden.

Kaladse zweifelt gleichfalls nicht an den bevorstehenden überzeugenden Sieg seiner Partei. „Prägen Sie sich den heutigen Tag ein. „Georgischer Traum“ wird überzeugend siegen. Keinerlei Koalition wird nötig sein. Dies ist ein Team, das die reale Möglichkeit hat, die Verfassungsmehrheit zu erlangen“, sagte am 11. September der Bürgermeister von Tbilissi.

Seinerseits äußerte der Vorsitzende der Fraktion von „Georgischer Traum“ in der Nationalversammlung, Mamuka Mdinaradze, die Annahme, dass, wenn es keinerlei ausländische Einmischung geben werde, die ganze Opposition insgesamt nicht einmal zehn Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinigen könne. „Ich garantiere Ihnen: Wenn sich keiner von außen einmischt, wird möglicherweise nicht einmal eine Partei die (Sperr-) Klausel überwinden“, sagte der Politiker.

Derweil meint Georgiens Präsidentin Salome Surabishvili, dass „Georgischer Traum“ entsprechend den Wahlergebnissen keine Verfassungsmehrheit erhalten werde, wie sie hoffe, sondern im besten Falle 25 Prozent der Wählerstimmen. „Die künftige Stabilität des Landes wird von einem deutlichen Sieg der prowestlichen Opposition am 26. Oktober abhängen. Ich versuche, dies den politischen Parteien zu erklären. Gegenwärtig ist keine Zeit für Rivalität. Diese Opposition wird keine geeinte sein, unter Berücksichtigung der jüngsten Vergangenheit. Sie kann aber um die europäische Idee eine recht vereinte sein, um 50 oder 60 Prozent der Stimmen zu bekommen“, sagte sie in einem Interview für das Pariser Blatt „Le Figaro“. Dabei wollte Surabishvili nicht auf die Frage des Interviewers antworten, ob nach Bekanntgabe der Abstimmungsergebnisse Blut fließen könne.

Dafür weiß man scheinbar um die Antwort auf diese Frage in der russischen Auslandsaufklärung. Laut Angaben dieses Geheimdienstes würden die USA planen, die Partei „Georgischer Traum“ zu behindern, bei den Parlamentswahlen zu siegen. Dafür würden die amerikanischen Offiziellen vorhaben, das Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte der OSZE (ODIHR) auszunutzen, nimmt man in der Auslandsaufklärung Russlands (geleitet von Sergej Naryschkin) an.

„Vorgesehen ist, dass das ODIHR der OSZE zehn bis 20 Tage vor der Abstimmung einen Zwischenbericht mit einer Schlussfolgerung über das Fehlen von Bedingungen im Land für die Abhaltung freier und ehrlicher veröffentlicht. Nach Bekanntgabe der ersten Ergebnisse der Willensbekundung wird ein Gutachten vorgestellt, wonach der elektorale Prozess nicht den Demokratienormen entspreche“, heißt es in einer Mittelung des russischen Auslandsgeheimdienstes. Dies solle zum Auslöser für den Beginn von Massenprotesten werden, mit deren Hilfe die Opposition versuchen werde, die Macht zu erlangen.

Für das Naryschkin-Amt ist dies bereits das zweite derartige Statement zu diesem Thema. Ende August hatte man dort erzählt, dass die Oppositionellen nach den Wahlen die Rechtsschutzorgane zu Zusammenstößen auf den Straßen provozieren werde. Und die Amerikaner würden bereits Varianten für ein „gnadenloses“ politisches und wirtschaftliches Reagieren auf einen „übermäßigen“ Einsatz von Gewalt durch die Herrschenden ausarbeiten. Nach Aussagen des Chefs der russischen Auslandsaufklärung, Sergej Naryschkin, der die Informationen über eine bunte Revolution in Georgien zum Besten gab, leiste die Aufklärung Russlands ihren Beitrag zu deren Verhinderung.

Bemerkenswert ist, dass die Londoner „Financial Times“ auch vor einer heraufziehenden Krise in Georgien warnte. Freilich brachte das britische Blatt die nicht mit dem Versuch eines Staatsstreichs in Verbindung, sondern mit dem Streben der herrschenden Elite der Republik nach einer Diktatur. „Wenn „(Georgischer) Traum“ verliert, werde die Partei aber versuchen, die Macht zu behalten. Und die Georgier werden ihre Blicke gen Westen richten. Und in diesem Fall können sich die Aktionen der westlichen Regierungen als entscheidende erweisen“, konstatiert die Zeitung.

Parallel dazu erklärte Giorgi Waschadse, der Führer der oppositionellen „Strategia Aghmashenebeli“, dass ein Sieg der Opposition erlauben werde, 14 Milliarden Euro freizubekommen. Nach seinen Worten hätte die Europäische Union früher vorgehabt, dieses Geld an Tbilissi zu übergeben, aber aufgrund der Handlungen von „Georgischer Traum“ anders entschieden, die nach seinen Worten von einer Integration in die EU abgewichen sei.

Der Vorsitzende des Rechtsausschusses im Parlament der Republik, Anri Okhanashvili („Georgischer Traum“), ist jedoch der Auffassung, dass man seinem Land seit den Zeiten der Wahlen des Jahres 2020 mit einer Krise und einer Polarisierung Angst machen würde. „Wir haben alle Szenarios studiert. Auf alle erfolgt eine adäquate Reaktion. Uns unterstützen der überwiegende Teil der Gesellschaft und die Wahrheit darüber, was wir bereits zwölf Jahre tun“, versicherte Okhanashvili.

Wie Chatia Chutuashvili vom Zentrum für das Studium Zentralasiens, des Kaukasus und des Ural- und Wolgagebietes am Akademie-Institut für Orientalistik der „NG“ erläuterte, könne man nach dem 1. Oktober klar über die Perspektiven der politischen Kräfte bei den Parlamentswahlen sprechen, wenn die Partei „Georgischer Traum“ ihr Programm veröffentliche. „Derzeit erfolgt die Vorbereitung, unter anderem verteilen die Seiten untereinander die Medien-Personen – Sportler, Musiker u. a. Dabei gibt es eine große Anzahl von Menschen, die in der Vergangenheit mehrfach für „Georgischer Traum“ votierten. Aber nach den Ereignissen des vergangenen Frühjahrs, insbesondere nach Verabschiedung des „Transparenz-Gesetzes“, haben sie begonnen, die Richtigkeit ihrer Entscheidung anzuzweifeln. Sie sind von der drastischen Kurswende der regierenden Partei enttäuscht“, unterstrich Chutuashvili.

Nach Aussagen der Expertin überlege die Partei „Georgischer Traum“, wie man den Glauben ihrer Anhänger an sie wiederherstellen könne, um nicht 30 Prozent der Wählerstimmen zu erhalten, sondern 65 bis 70 Prozent, die für eine Verfassungsmehrheit notwendig sind. Bisher sei die spektakulärste Idee der Vorschlag gewesen, die Orthodoxie zur Staatsreligion zu machen. Jedoch hätten die Kirche und die Gesellschaft insgesamt die Idee negativ aufgenommen.