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Georgien hörte auf, ein Sonnenstrahl der Demokratie zu sein


Georgiens Parlament hat die Erörterung von zwei Gesetzesvorlagen über einen ausländischen Einfluss begonnen. Beide wurden von Abgeordneten aus der Partei „Kraft des Volkes“, die der nächste Partner der regierenden Partei „Georgischer Traum“ ist, vorgelegt. Die Gesetzesentwürfe sehen eine komplette finanzielle Transparenz von Organisationen und Personen, die Mittel aus dem Ausland erhalten, vor und verpflichten sie, sich als „ausländische Agenten“ zu registrieren. Verstöße sehen große Strafen und gar einen Freiheitsentzug von bis zu fünf Jahren vor. Westliche Institutionen kritisierten das Geschehen. Ein anderer Anlass für Kritik ist der Gesundheitszustand von Ex-Präsident Michail Saakaschwili. Die EU hat diesbezüglich gar eine offizielle Note gesandt.

Die Demarche war möglich geworden, nachdem sich Ungarn von dem Tabu distanziert hatte, das gegen den diplomatischen Einspruch eingelegt worden war. Durch was die anfängliche Budapester Entscheidung und deren Aufhebung ausgelöst wurden, blieb unbekannt. Es ist aber eine Tatsache: Die 27 Mitgliedsstaaten der EU bekundeten Besorgnis über die Situation rund um den dritten Präsidenten Georgiens, Michail Saakaschwili.

Die Saakaschwili-Frage und der generelle Zustand der Demokratie in Georgien wurden kritisch im House of Lords des Parlaments von Großbritannien diskutiert. Mit einem Protest meldete sich der ukrainische Außenminister Dmitrij Kuleba zu Wort: „Die Offiziellen Georgiens bringen still und leise den Bürger der Ukraine, Michail Saakaschwili, um. Wir werden um ihn kämpfen“.

Die Reaktion der georgischen Herrschenden erwies sich als eine recht harte. Sie riefen auf, die Saakaschwili-Frage nicht zu politisieren, und erklärten, dass „der Gesundheitszustand Saakaschwilis auf einer Lüge und dessen teilweisen Hungerns beruht“. Auf jeden Fall ist die von der EU formulierte Demarche eine zu nichts verpflichtende Form von Protest. Nach Aussagen eines der Spitzenvertreter der Partei „Georgischer Traum“, Mamuka Mdinaradze, gehe es bei der Aktion der EU nicht um eine Entsendung Saakaschwilis zwecks einer Behandlung ins Ausland. „Saakaschwili lügt. Und wenn sich irgendwer wirklich Sorgen um seine Gesundheit macht, so mag er ihn überreden, sich normal zu ernähren und sich nicht mit einer Selbstkasteiung zu befassen, erklärte Mdinaradze.

Im Parlament Georgiens beabsichtigt man, ein Treffen mit den Botschaftern der EU-Ländern zu veranstalten und sie detailliert, mit Videobeweisen über den Zustand von Michail Saakaschwili zu informieren, „wonach gehofft werden muss, dass diese Frage für unsere europäischen Partner eine abgehakte sein wird“. Den Gästen werde man gleichfalls ausführlich über die Motive und das Wesen der Gesetzesvorlagen über ausländische Agenten, die scharfe Kritik des Westen ausgelöst haben, erzählen.

Tbilissi hat direkte Signale von den Botschaften der führenden Länder des Westens und von internationalen Instituten dazu erhalten, dass die Bestätigung eines derartigen Gesetzes, das sich nicht in die demokratischen Standards einfüge und den Euro-Integrationsprozess Georgiens erheblich verkomplizieren könne, extrem unerwünscht sei. Ein Schreiben mit einem derartigen Inhalt erhielt der Chef des georgischen Parlaments, Shalva Papuaschwili, von der Menschenrechtskommissarin des Europarates, Dunja Mijatović.

Eine analoge Bewertung gab Ned Price, der Pressesprecher des US-Außenministeriums, den Gesetzentwürfen, wobei er nebenher die Abgeordneten von der Partei „Kraft des Volkes“ „lediglich als formal die Regierungspartei „Georgischer Traum“ verlassende“ bezeichnete. „Die Erklärungen, dass diese Gesetzesvorlagen angeblich vom amerikanischen analogen Gesetz kopiert worden seien, offenkundig fehlerhaft sind. Sie basieren auf dem ungarischen oder russischen Gesetz, aber nicht auf dem amerikanischen“, erklärte Price.

Der EU-Botschafter in Tbilissi, Pawel Herczynski, traf sich mit Papuaschwili, nachdem er gegenüber Journalisten erklärte, dass eine schwierige Diskussion zu den Gesetzesvorlagen über ausländische Agenten stattgefunden hätte. „Sie entsprechen nicht den Normen und Werten der EU. Diese Initiative widerspricht mindestens zwei der zwölf Empfehlungen, die Georgien im Juni 2022 übergeben wurden und deren Umsetzung für den Erhalt des Status eines EU-Kandidaten erforderlich ist… Ich hoffe, dass diese Initiative keine Gesetzesform annimmt“, sagte Herczynski.

Die US-Botschafterin Kelly Degnan, die ihre diplomatische Mission in Georgien beendet, hat die Verantwortung für die euro-atlantische Zukunft Tbilissi auf jene gelegt, die für jegliche Version des Gesetzentwurfs über ausländische Agenten stimmen: „Georgien braucht dieses Gesetz nicht“. Und die einstige US-Außenministerin Condoleezza Rice und die Ex-Direktorin des Nationalen Sicherheitsrates der USA, Fiona Hill, sprachen gar gänzlich von einem Rollback der Demokratie in Georgien. „Tbilissi muss auf die Agenda der USA zurückkehren. Georgien ist zu einem Ort geworfen, der für Putin komfortabel ist… Es kann schon kein Lichtstrahl der Demokratie sei, für das wir im Jahr 2008 geworben hatten“.

Äußerst ungehalten über die Gesetzesvorlagen sind Nichtregierungsorganisationen (NGOs), Medien und sogar die Gewerkschaften Georgiens, die das Parlament aufgefordert haben, das Gesetz über ausländische Agenten nicht anzunehmen, da es „grob die Meinungsfreiheit, die durch die Landesverfassung garantiert wird, verletzt“.

Ungeachtet einer so scharfen Reaktion des Westens und der einheimischen Gesellschaft erklärte der Chef der Regierungspartei, Irakli Kobachidse, dass „eine der zwei Gesetzesvorlagen unbedingt angenommen wird“.

Möglicherweise ist die letzte Hoffnung Präsidentin Salome Surabischwili. Die sich auf einen USA-Besuch vorbereitende Surabischwili versprach, ein Veto gegen das erwähnte Gesetz im Falle seiner Bestätigung durch das Parlament einzulegen. Sie wird in diesen Tagen an der 67. Tagung der UNO-Kommission über den Status von Frauen teilnehmen.