Offizielle Vertreter der USA und der Europäischen Union drohen der Führung Georgiens an, Sanktionen aufgrund des Gesetzes über die Kontrolle des ausländischen Einflusses zu verhängen, da es ihrer Meinung nach den Prinzipien der Demokratie widerspreche. Wie der Bürgermeister Tbilissis, Kacha Kaladse, sagte, würde man im Westen nicht verstehen, dass man so nicht mit den georgischen Spitzenvertretern sprechen dürfe. Und wenn irgendwer sie ablösen möchte, so möge man die Wahlen abwarten, bei denen das Volk seine Meinung bekunden werde. Und nicht Ausländer. Derweil demonstrieren die Offiziellen Russlands der regierenden Partei „Georgischer Traum“ auf jegliche Weise ihr Verständnis und versuchen, moralische Unterstützung zu gewähren.
Georgiens Parlament verabschiedete in dieser Woche in dritter Lesung das Gesetz über eine Kontrolle ausländischen Einflusses. Insgesamt hatten an der entsprechenden Plenartagung am 14. Mai 116 der 150 Abgeordneten teilgenommen. Dabei stimmten 84 Volksvertreter für das Dokument, 30 – dagegen. Die Präsidentin der Kaukasus-Republik, Salome Zurabishvili, kündigte an, dass sie ein Veto dagegen einlegen werde, wenn sich nichts ändere. Die Partei „Georgischer Traum“ wird dieses aber problemlos überwinden.
Derweil erklärte Jim O’Brien, Berater des US-Außenministers für Europa- und Eurasien-Angelegenheiten, der in dieser Zeit in Tbilissi weilte, dass das Gesetz in der gegenwärtigen Form nicht den europäischen und euro-atlantischen Werten entspreche. Nach seinen Worten könnten, wenn die Regierenden des Landes es nicht umschreiben würden, schwere Konsequenzen folgen. „Wenn das Gesetz über ausländische Agenten ohne eine Abstimmung mit den Normen der EU vorangetrieben wird und es hier eine Untergrabung der Demokratie und Gewalt gegen die friedlichen Protestierenden geben wird, werden seitens der USA Restriktionen folgen. Dies werden finanzielle Restriktionen und Reisebeschränkungen für die Personen, die für diese Handlungen verantwortlich sind, und deren Familien sein“, sagte O’Brien.
Als eine erstrangige Maßnahme werde Washington seine Entscheidung über die Bereitstellung eines Hilfspakets über eine Summe von 390 Millionen Dollar für Tbilissi revidieren. Die georgischen Offiziellen wollen sie eigentlich für Verteidigungs- und Wirtschaftsprojekte einsetzen. Nach Aussagen des Diplomaten hätte Georgiens Premierminister Irakli Kobachidse diese Nachricht als eine Nötigung aufgefasst. In den USA sei man damit aber nicht einverstanden.
Jim O’Brien erinnerte daran, dass Georgien der Europäischen Union und der NATO beitreten wolle, daher müsse man deren Standards und Regeln entsprechen. Wenn aber die Offiziellen auf eine Integration in diese Strukturen verzichten würden, würden sie die eigene Verfassung verletzen. Und in der sei alles verankert worden. „Wenn das Gesetz entsprechend diesen Standards verändert wird, wird dies unsere Partnerschaft verstärken und sie nicht zerreißen, was gegenwärtig, wie ich spüre, erfolgt“, sagte der Vertreter des State Department. Zur gleichen Zeit versicherte er, dass die USA nicht die Aufgabe hatte und habe, die Partei „Georgischer Traum“ zu stürzen und an ihren Platz die sogenannte Partei eines Krieges zu bringen.
Ihrerseits erklärte die Pressesprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre, dass Washington bereit sei seine Beziehungen mit Tbilissi grundlegend zu überprüfen. Der stellvertretende Pressesprecher des US-Außenministeriums Vedant Patel betonte, dass die georgischen Offiziellen noch Zeit für ein Arbeiten am Gesetz über die ausländischen Agenten (so wird vielfach das Gesetz in westlichen Medien fälschlicherweise genannt – Anmerkung der Redaktion) hätten.
In der Europäischen Union erklingen ebenfalls immer eindringlicher Appelle, antigeorgische Sanktionen zu verhängen. Zum Beispiel hat Estlands Außenamtschef Margus Tsahkna vorgeschlagen, das visafreie Regime zwischen der EU und der Kaukasus-Republik aufzuheben. Die Außenminister Deutschlands, Dänemarks, Polens, Norwegens und anderer europäischer Länder erklärten, dass Georgien mit solch einem Gesetz nicht in ihre Familie gelangen werde. Die Londoner „Financial Times“ meldete unter Berufung auf eigene Quellen, dass die Europäische Union plane, den Antrag Georgiens auf einen Beitritt zur EU für unbestimmte Zeit auf Eis zu legen, wenn das Gesetz über die ausländischen Agenten in Kraft trete. Die Partei der Europäischen Grünen, die rund elf Prozent der Sitze im Europaparlament haben, rief dazu auf, die Regierung Georgiens zur Verantwortung zu ziehen. „Wir hoffen, dass die Oktoberwahlen der Herrschaft der Partei „Georgischer Traum“ ein Ende setzen werden“, heißt es in einer Erklärung der Partei.
Derweil hat ein Teil der georgischen Opposition beschlossen, sich zur „Europäischen Plattform für einen nationalen Widerstand“ zu vereinigen. Der Koalition gehören bereits „Girchi — More Freedom“, „Lelo“, die Nationale Einheitsbewegung, „Ahali“ und die Partei „Strategia Aghmashenebeli“ an. Dies hatten ihre Führungskräfte am Abend des 14. Mai bei einem Meeting der Opposition erklärt. Sie versprachen, die Meinungsverschiedenheiten zu vergessen und mit Zurabishvili zusammenzuarbeiten, um die Partei „Georgischer Traum“ bei den anstehenden Parlamentswahlen zu besiegen. Die Vorsitzenden der außenpolitischen Parlamentsausschüsse Tschechiens, Polens, Deutschlands, Litauens und Finnlands, die ebenfalls bei dieser Aktion gewesen waren, unterstützten die Oppositionellen. Der bundesdeutsche Vertreter Michael Roth (SPD) bezeichnete die Regierung Georgiens sogar als einen „Albtraum“.
Kobachidse hielt solch eine Symbiose für einen besten Beweis dessen, dass aus dem Ausland Druck auf sein Land ausgeübt werde. „Natürlich ist es absolut unzulässig, wenn Außenstehende versuchen, sich in die Innenpolitik Georgiens im Interesse einer kollektiven „nationalen Bewegung“ einmischen“, unterstrich der Premierminister.
Freilich erklärte Parlamentschef Schalwa Papuaschwili nach einem Treffen mit den Außenministern Litauens, Lettlands, Estlands und Islands, dass die westlichen Kollegen der Notwendigkeit zugestimmt hätten, Ordnung auf dem Gebiet der ausländischen Finanzierung von Nichtregierungsorganisationen zu schaffen. Dabei hätten sie nach seinen Worten Beanstandungen am Inhalt des Regierungsgesetzes. Man könne es aber ausbessern, wenn die Opposition mit ihren Vorschlägen komme, die es bisher nicht gegeben hätte.
„Die Partei „Georgischer Traum“ hat offiziell nirgends eine Wende der Außenpolitik vom Westen gen Osten signalisiert. Die Seiten sind jedoch dicht an jenen Punkt angelangt, nachdem dies passieren kann. Die Partei „Georgischer Traum“ hat die Möglichkeit der Vornahme redaktioneller Änderungen an ihrem Gesetz angedeutet. Insgesamt scheint es aber, dass sich die Regierungspartei nicht anschickt, sich auf Zugeständnisse einzulassen. Derzeit denken alle darüber nach, in welchem Zustand die Herrschenden und die Opposition zu den Wahlen kommen werden“, sagte der „NG“ Viktor Kipiani, Chef des Zentrums „Geocase“.
Vor diesem Hintergrund scheint Russland das einzige Land zu sein, dass den Offiziellen Georgiens moralische Unterstützung bekundet. „Die Dauer und der Grad der Zuspitzung der Konfrontation Georgiens mit dem Westen werden durch mehrere Parameter bestimmt – durch die Erwärmung der Beziehungen zwischen Tbilissi und Moskau, die bereits erfolgt, durch den Erfolgsgrad des Beitritts von Georgien zum konservativen Flügel der EU und durch das Ausmaß der Bereitschaft der USA und der Länder der Europäischen Union, um ihren Einfluss auf die Republik zu kämpfen“, meint Wladimir Nowikow, Leiter der Kaukasus-Abteilung des Instituts für die GUS-Länder (mit Sitz in Moskau). Außerdem ist der Politologe der Auffassung, dass Vieles von der Fähigkeit der georgischen Zivilgesellschaft abhänge, den Protest fortzusetzen.