Etwa eine Woche vor den Kommunalwahlen sind die Offiziellen Georgiens in einen diplomatischen Skandal verwickelt worden. Der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij teilte vor der UNO-Vollversammlung mit, dass Europa Tbilissi „verloren“ hätte. Und europäische Botschaften in der georgischen Hauptstadt haben eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht, in der sie die Regierung der Republik aufgrund der Diskreditierung ihrer Tätigkeit kritisieren. Allerdings versetzt dies alles die regierende Partei „Georgischer Traum“ in keiner Weise in Verlegenheit. Sie hat begonnen, die Botschafter der EU-Länder öffentlich zu tadeln.
„Ich möchte nicht mit Wladimir Selenskij in eine Polemik treten. Er ist der Präsident eines Landes, das sich im Kriegszustand befindet. Daher halte ich es für unnötig, was für eine Erklärung er auch immer abgeben möge, darauf zu reagieren. Was die Situation hinsichtlich der Demokratie und der Menschenrechte angeht, so hat sich in der Ukraine in dieser Hinsicht sowohl aus der Sicht der Demokratie als auch aus der Sicht der Menschenrechte eine tragische Situation herausgebildet… Georgien ist ein zweifelloser Spitzenreiter unter den Kandidatenländern für einen Beitritt zur Europäischen Union, unter anderem entsprechend dem Grad der Demokratie und der Menschenrechte“, erklärte Georgiens Premierminister Irakli Kobachidse.
Bekanntlich teile nicht alle europäischen Partner der Republik solch eine Bewertung. Unter anderem haben am 24. September die Botschaften von 25 Ländern der Europäischen Union (alle außer Ungarn und die Slowakei), aber auch die von Großbritannien eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht, in der sie „alle politischen Spitzenvertreter“ aufriefen, sich des Schürens von Feindschaft und Hass in der georgischen Gesellschaft zu enthalten, aber gleichfalls unterstrichen, dass sie sich selbst nie mit Derartigem befasst hätten. Dabei ist offensichtlich, dass sie sich nicht an die Opposition wandten, mit der sie freundschaftliche Beziehungen unterhalten, sondern an die Offiziellen, die gerade den Botschaftern Kontakte mit Extremisten vorwerfen.
Am gleichen Tag bestellte Georgiens Außenministerium den Botschafter Deutschlands in Tbilissi, Peter Fischer, ein. Er ist schon lange für die Partei „Georgischer Traum“ zum Symbol der unbequemen europäischen Stimme geworden. Der erfahrene Diplomat mit einer fast 40jährigen Karriere verurteilt offen den Kurs der Herrschenden Georgiens, besucht Gerichtsprozesse gegen Gegner des herrschenden Regimes und bekundet überhaupt jegliche Unterstützung für die Opposition.
„Die georgische Seite hat Besorgnis über die Versuche zur Stimulierung einer radikalen Agenda innerhalb des Landes, die mit den Prinzipien der Demokratie unvereinbar sind und eine Vertiefung der Polarisierung in der Gesellschaft fördern, bekundet. Nicht weniger Besorgnis lösen die anhaltenden Versuche aus, die gerichtlichen Untersuchungen in Georgien zu politisieren, aber auch die Teilnahme der Botschafter an diesen Prozessen“, erklärte man im Außenministerium.
Dort hat man gleichfalls betont, dass man die Erklärung der europäischen Botschaften als einen weiteren Akt der Verbreitung von Desinformationen, als einen „grundlosen Versuch von Attacken gegen die Regierung“ ansehe. Freilich wird Tbilissi die diplomatischen Beziehungen mit Berlin abbrechen, im Gegenteil, dort misst man ihnen große Bedeutung bei und hofft, sie zu bewahren.
Bemerkenswert ist, dass man nach P. Fischer Großbritanniens Botschafter Gareth Ward ins Außenministerium Georgiens einbestellte. Er kritisiert auch konsequent die Regierung der Partei „Georgischer Traum“.
„Die unmittelbare Teilnahme konkreter Botschafter an politischen Prozessen ist eine grobe Verletzung des Demokratieprinzips und ein grober Verstoß gegen die Prinzipien der Wiener Konvention“, erläuterte Kobachidse die Position der Regierung.
Als eines der Beispiele für die Zusammenarbeit der Botschafter mit der Opposition führte der Premier die Kritik an König Erekle II. (georgisch: Irakli II., regierte das Königreich Kachetien von 1744 bis 1762 und das Königreich Kartlien-Kachetien von 1762 bis 1798) an. „Seinerzeit, als der größte Druck aus Anlass der Eröffnung einer zweiten Front ausgeübt wurde, hatte sich einer der Botschafter mit einem unserer Spitzenvertreter getroffen und aus völlig unverständlichen Gründen angefangen, Irakli II. zu schelten. Danach hatte ich eine Begegnung mit einem meiner Kollegen, einem hochrangigen Vertreter der gleichen Botschaft, und er fing auch auf einmal an, Irakli II. Zu beschimpfen. Eine Woche später präsentierte man von dort den Pseudo-Denker Levan Berdsenischwili und nötigte ihn, Irakli II. zu beschimpfen. Dies demonstriert, was für eine Koordinierung zwischen der hiesigen Agentur und deren Schirmherren existiert. In Bezug auf Irakli II. gibt es sehr viel Kritik, da gerade Irakli II. ein Symbol des Pragmatismus der Heimattreue ist. Unsere ausländischen Agenten und deren Schirmherren können dies nicht ertragen“, erklärte Kobachidse.
Den Regierungschef unterstützte der Parlamentsvorsitzende Schalwa Papuaschwili. „Ich warne noch einmal alle: Wenn es am 4. Oktober (dem Tag der Kommunalwahlen) auch nur einen Akt von Gewalt geben wird, wird die Verantwortung dafür bei den Vertretern der Institute der Europäischen Union liegen, die in ihren Herzen diese Schuldigen verbergen“, sagte Papuaschwili.
Die Politologin Nino Skworzowa erzählte der „NG“, dass man von der Regierung Georgiens eine noch härtere Position hätte erwarten können. „Im Fall des deutschen Botschafters war der Geduldsfaden gerissen. Und man hatte entschieden, Fischer an seine unmittelbaren Pflichten zu erinnern. Viele erwarteten eine schärfere Erklärung des Außenministeriums, bis hin zu dessen Erklärung als eine Persona non grata. Tbilissi lässt jedoch Raum für ein Manövrieren sowohl in den Beziehungen mit Deutschland als auch mit der EU. Die Partei „Georgischer Traum“ möchte vorerst nichts riskieren, wird sich aber dabei entsprechend den Möglichkeiten verteidigen. Und die Möglichkeiten werden immer weniger, da Brüssel und einzelne EU-Mitglieder weiter auf absurde Forderungen bestehen…“. Außerdem würden sich laut Aussagen der Expertin die Offiziellen Georgiens jener Proteste erinnern, die nach den Parlamentswahlen begannen, und „sie wollen deren Wiederholung nicht zulassen“, erklärte Skworzowa.
Der Politologe Nika Tschitadse ist der Auffassung, dass die Beziehungen zwischen Georgien und den Ländern des Westens in der überschaubaren Perspektive noch schlechter werden könnten. „Die Kritik seitens der Botschafter wird nicht schwächer. Daher kann sie die Partei „Georgischer Traum“ zu Persona non grata erklären und wird ihre zwecks Konsultationen abberufen. Im Ergebnis dessen wird das Niveau der diplomatischen Beziehungen zurückgestuft, was der Regierung erlauben wird, einen erheblichen Teil des aus dem Ausland kommenden Negativen zu nivellieren. Zum Beispiel ist der Botschafter der USA in Georgien schon nicht mehr vor Ort. Natürlich wirkt sich dies negativ auf das Investitionsklima und die humanitären Programme aus, die Partei „Georgischer Traum“ wird aber ihre Macht festigen“, betonte Tschitadse.
Georgiens Offizielle lassen sich auf eine Zuspitzung des Konflikts mit der Europäischen Union ein
13:28 27.09.2025