Nach Beginn der militärischen Sonderoperation in der Ukraine am 24. Februar wurden die internationalen Verbindungen Russlands im Kulturbereich abgebrochen. Und der Konflikt auf dem Gebiet der Kultur wird nicht geglättet, worauf einige gehofft hatten, sondern im Gegenteil er nimmt nur zu. Dieser Tage teilte der Pressedienst des Kulturministeriums Litauens mit, dass das Litauische Russische Schauspieltheater (LRDT) in Vilniuser Altes Theater umbenannt werde. Und am gleichen Tag wurde der künstlerische Leiter des Russischen Theaters in Estland, Filipp Los, entlassen, der sich erlaubt hatte, das Canceln von allem Russen im Baltikum emotional als „faulige schäbige Russophobie“ zu bezeichnen. Dem Regisseur wurde unverzüglich das Misstrauen ausgesprochen (übrigens nach einer Denunziation, womit die Methoden – ob nun in Russland oder in Europa – von gleicher Art sind). Und die Rede ist gleichfalls von einer Aberkennung seiner Aufenthaltserlaubnis im Land.
Eine vollkommene Isolierung des Landes unter den Bedingungen der Globalisierung ist unmöglich. Die Kultur erfordert aber einen Austausch, ein Überschreiten der territorialen Grenzen. Diesen Ausweg sucht die Russische Föderation in den sogenannten befreundeten Ländern – vor allem in den früheren Republiken der UdSSR sowie in anderen Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas. Als ein Beispiel kann man die Veranstaltungen nennen, die dieser Tage erfolgten.
Auf Einladung des russischen Kulturministeriums besuchte eine Delegation unter Leitung von Kasachstans Kultur- und Sportminister Dauren Abajew Moskau zwecks Teilnahme an einer Tagung der Institutionen übergreifenden Unterkommission für kulturelle Zusammenarbeit. Den Museumskomplex „Gorki Leninskije“ (Sterbeort von Wladimir Lenin vor den Toren Moskaus – Anmerkung der Redaktion) besuchte eine Delegation des Ständigen Ausschusses der Allchinesischen Versammlung der Volksvertreter (auch: Nationaler Volkskongress) unter Leitung von Li Zhanshu. Erörtert wurde die Entwicklung des Komplexes als eine Plattform für die russisch-chinesische Wirtschaftskooperation. Roskino (eine staatliche Einrichtung für das Propagieren des russischen Films im Ausland und die Suche nach internationalen Kooperationsmöglichkeiten – Anmerkung der Redaktion) veranstaltet in dieser Woche Tage des russischen Films im Rahmen des XIV. Taschkenter internationalen Filmfestivals „Perle der Seidenstraße“. Vorstellungen russischer Streifen finden in der usbekischen Hauptstadt und in Buchara statt. Und im Rahmen des Business-Programms werden Projekte für gemeinsame Dreharbeiten erörtert.
Am Puppentheater-Festival „Der Born“, das gerade im Moskauer Obraszow-Theater abgeschlossen wurde, nahmen Aufführungen aus Weißrussland, dem Libanon, der Mongolei, der Türkei und aus dem Iran teil. Und Anfang September erfolgte in der Russischen Staatsbibliothek eine Begegnung der stellvertretenden Kulturministerin Olga Jarilowa mit dem Amtskollegen aus Teheran hinsichtlich eines Erfahrungsaustauschs auf dem Gebiet des Bibliothekswesens.
Bisher ist ein spürbarer Kulturaustausch nur im Bereich der Filmindustrie auszumachen, da es nicht so schwer ist, einen Filmverleih zu organisieren. Weitaus schwieriger ist es natürlich, das Publikum für unpopuläre Filme zu gewinnen. Bollywood ist ja doch kein Konkurrent für Hollywood. Und dementsprechend sind die Erlöse der russischen Filmtheater jämmerliche, neue russische Streifen erweisen sich als Flops. Und es geht die Angst um, dass ohne staatliche Unterstützung hunderte Kinos im Land schließen müssen. Durch die Musik- und Theater-Industrie ist die neue Spielzeit als eine russische angekündigt worden. Vereinzelte ausländische Künstler werden möglicherweise in Russland auftauchen. Das Moskauer Bolschoi-Theater annoncierte die Inszenierung einer Ballettaufführung durch einen westlichen Choreografen. Doch bis zu Unterzeichnung des Vertrages gibt man jedoch seinen Namen nicht bekannt.
Zum Beginn des Beitrags zurückkehrend, lohnt es zu betonen, dass es russische Theater im Ausland nicht nur im Baltikum gibt. Heutzutage ist gerade die Zeit für eine Bewahrung und sogar für eine Entwicklung des russischen Theater-Diaspora gekommen. Dieses Thema tauchte ständig auf der Kultur-Agenda auf, aber recht schwachbrüstig. Vor fünf Jahren wurde die Vereinigung von Künstlern russischer Theater des Auslands gebildet, der bis zum Beginn der international umstrittenen Sonderoperation Russlands in der Ukraine 150 Menschen aus 40 Ländern angehörten. Der Verband der Theaterschaffenden der Russischen Föderation veranstaltet kreative Labors, Meisterklassen, organisiert Reisen russischer Pädagogen und Regisseure zu russischen Theatern im Ausland. Dennoch haben die künstlerischen Austauschveranstaltungen in keiner Weise die materielle Basis belebt. (Diese Theater werden von den Staaten unterhalten, in denen sie sich befinden.) Darüber sprach beispielsweise GITIS-Rektor Grigorij Saslawskij im Rahmen einer Videoschaltkonferenz zwischen Moskau, Semipalatinsk und Suchum unter dem Motto „Künstlerische Hochschulen Russlands – für die russischen Theater im Ausland“. „In vielen Ländern im postsowjetischen Raum befinden sich die russischen Theater in einem beklagenswerten Zustand. Einigen Theatern werden für Inszenierungen genau solche Geldsummen wie in Russland für Studenten-Inszenierungen bereitgestellt“, sagte der Rektor. Im Rahmen der geografischen kulturellen Neuausrichtung werden die russischen Theater jetzt möglicherweise Glück haben.