Unabhängige Zeitung

Private Tageszeitung

Gott mag ihnen ein Richter sein


Am Freitag ging in der Newa-Metropole das XII. Internationale Petersburger Gasforum zu Ende. Es wurde zu einer Plattform für einen Meinungs- und Erfahrungsaustausch – nicht nur zu technischen Fragen, sondern auch zu den Perspektiven des weltweiten Gasmarktes. Aus russischer Sicht vollziehen sich da bemerkenswerte Veränderungen, zu denen Gazprom-Chef Alexej Miller im Verlauf der Plenartagung sprach. Freilich fiel auf, dass einige unangenehme Aspekte für Gazprom durch den 61jährigen ausgeklammert wurden. So ging er nicht auf den spürbaren Rückgang der Gasförderung des Konzerns, auf den Einbruch der Einnahmen aus dem Export in die EU-Länder. Nichts gesagt wurde zu den jüngst aufgetauchten Informationen, dass Kiew im nächsten Jahr den Vertrag für russische Gastransite über ukrainisches Territorium nicht verlängern könne. Und von ersten Warnstreiks auf dem Kovykta-Gasfeld im Verwaltungsgebiet Irkutsk war gleichfalls nichts zu hören. Der Staatskonzern stellt sich natürlich den neuen Herausforderungen und Aufgaben – z. B. mit Blick auf weitere Gaslieferungen nach Chia und andere Länder der asiatisch-pazifischen Region. Auch wenn dies allein technisch nicht mit einem Schlag zu bewerkstelligen ist. Im Nachfolgenden veröffentlicht die Redaktion „NG Deutschland“ eine Mitschrift des Alexej-Miller-Auftritts, der zum Nachdenken und zum Diskutieren anregen kann.

Erstens möchte ich alle Teilnehmer unserer Plenartagung begrüßen.

Am Forum nehmen 20.000 Menschen aus 35 Ländern teil. In der Tat, eine beeindruckende Zahl. Das Internationale Gasforum in Petersburg ist zu einer sehr angesehenen Experten-Plattform in Bezug auf Fragen der Zusammenarbeit im Gassektor geworden.

Das Thema, das heute als Hauptthema unserer Plenartagung bestimmt wurde, hätte noch vor einigen Jahren nicht so – als Hauptthema – formuliert werden können. Dies ist so, da wir doch im Verlauf einer rechten langen Zeit in einem Paradigma gearbeitet hatten. Und heute vollzieht sich zweifellos eine Transformation des internationalen Gasmarktes. Und sicherlich kann man hier ein Synonym eben dieses Wortes „Transformation“ verwenden. Was wir im Grunde genommen darunter verstehen.

Wir verstehen sie als eine „Deformation“ der Beziehungen, die sich im Verlauf von Dezennien zwischen den traditionellen Verbrauchern und Lieferanten von Gas herausgebildet hatten. Und diese Deformation hat sich in einem sehr kurzen Zeitraum vollzogen. Dies zum ersten. Und zweitens: Als die Ursachen für solch eine Deformation halten wir natürlich den unlauteren Wettbewerb. Weiter: die unwahrscheinlich groben Fehler der Aufsichtsbehörden in den Gas-Verbraucherländern. Und natürlich die geopolitische Instabilität.

Und als ein Ergebnis ist der internationale Gasmarkt zu einem außerordentlich volatilen geworden, die großen regionalen Märkte sind zu außerordentlich volatilen geworden. Und dementsprechend können wir sagen: Er ist instabil.

Dabei bleibt der Gasmarkt für die Länder des Westens ein „enger“. Es gibt solch einen Begriff in der Branche, es existiert solch ein Begriff auf dem Gasmarkt. Für die Länder des Westens bleibt der Markt ein „enger“. Dabei wird in den nächsten Jahrzehnten der Umfang der Nachfrage nach Gas unablässig zunehmen.

Und im Verlauf meines Auftritts bemühe ich mich aufzuzeigen: Warum wird der Markt für den Westen ein „enger“ sein? Durch was sind die Ursachen für die Zunahme ausgelöst worden? Und welche Entwicklungswege gibt es im Grunde genommen? Wie Sie das Thema unserer Plenartagung definierten.

In erster Linie muss man natürlich betonen, dass die Entwicklungswege des Gasmarktes jetzt ganz bestimmt in den neuen internationalen Zentren der Wirtschaftsentwicklung, in den Ländern des globalen Südens und der asiatisch-pazifischen Region bestimmt werden, in den Ländern, mit denen Russland seine Beziehungen dynamisch entwickelt.

Und hier würde ich gern als ein Beispiel ein sehr denkwürdiges Ereignis anführen, das vor kurzem erst – am 7. Oktober dieses Jahres – erfolgte. Wir haben dem System der Ferngasleitungen Mittelasien-Zentrum ein zweites Leben beschert. Und zum ersten Mal wird russisches Gas im Revers-Regime über Kasachstan nach Usbekistan gelangen.

Die Ursachen für solch ein Projekt und die Gründe für die Lieferung unseres russischen Gases bestehen natürlich darin, dass sich sowohl Kasachstan als auch Usbekistan gegenwärtig mit einem großen Tempo, mit einem wirtschaftlich großen Tempo entwickeln. Und bekanntlich bedeutet ein Wirtschaftswachstum eine Zunahme des Energieverbrauchs. Das Tempo ist ein großes.

Und unabhängig dessen, dass sowohl Kasachstan als auch Usbekistan Förderländer sind, Erdgas fördern, müssen wir uns ebenfalls dessen erinnern, dass dies Länder mit einem stark kontinentalen Klima sind. Und genauso wie auch in Russland treten sehr, sehr starke Fröste auf. Und in diesen Ländern weiß man gut aus der Praxis, was ein Durchlaufen der Spitzenbelastungen der Herbst- und Winterperiode bedeutet.

Ich unterstreiche aber noch einmal: Die Hauptursache ist aber natürlich das große Tempo des Wirtschaftswachstums in diesen Ländern.

Und, wenn von diesem Projekt die Rede ist, kann gesagt werden, dass gerade dies jetzt zu einem Signal geworden ist. Zu einem Signal für den internationalen Gasmarkt, dass die Intensivierung der Beziehungen zwischen den Ländern Eurasiens im Gassektor im Grunde genommen jener Vektor ist, der auch in einem sehr großen Maße die Dynamik der Zunahme des Gasverbrauchs bestimmen wird.

Wenn man über die große Führungsrolle Eurasiens spricht, so werden wir hier natürlich unbedingt das Beispiel der Zusammenarbeit zwischen Russland und China – zwischen dem größten Gaserzeuger und dem größten Verbraucher von Gas in der Welt – als ein Beispiel anführen.

Laut einer Statistik der Hauptzollverwaltung Chinas hat im Verlauf von etwas weniger als vier Jahren der Anteil der russischen Gaslieferungen über Pipelines bereits 33 Prozent ausgemacht. Ein Drittel! Und in diesem Jahr haben unsere Lieferungen per Pipeline, die Gazprom-Lieferungen per Pipeline faktisch 50 Prozent der Zunahme des chinesischen Imports bewirkt.

Ich würde gern von der Tribüne des Internationalen Petersburger Gasforums aus den Organisatoren des Forums, das gerade in Peking stattgefunden hat, und dem Unternehmen CNPC, dessen Vizepräsident heute bei uns als Teilnehmer zugegen ist, Dankesworte aussprechen. Das Forum erfolgte auf einem sehr hohen Niveau. Und das Wichtigste ist, dass die Diskussionen, die Begegnungen und Gespräche zu Fragen der Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Brennstoff- und Energiekomplexes, in Bezug auf Fragen der Zusammenarbeit im Gassektor wirklich sehr, sehr konstruktive und inhaltsreiche gewesen waren. Und hier kann ich kurz sagen, dass Gazprom auch weiterhin den Umfang der Gaslieferung nach China über die abgestimmten Routen erhöhen wird.

Natürlich wird ein Faktor für das Wachstum des Gasmarktes, des globalen Gasmarktes das Entwicklungstempo solcher Organisationen wie der Eurasische Wirtschaftsunion, der Shanghai-Organisation für Zusammenarbeit und natürlich auch der BRICS sein. Und wenn wir von den BRICS-Staaten sprechen, so denke ich, dass es heutzutage angebracht ist, die BRICS-Staaten mit der G-7 zu vergleichen.

Wenn wir entsprechend den Hauptparametern einen Vergleich anstellen, die den Verbrauch und die Förderung von Gas sowie die Reserven charakterisieren, so werden wir folgendes Verhältnis sehen. Aber natürlich muss man in erster Linie das Augenmerk darauf lenken, dass die Anzahl der Erdbewohner, die in den BRICS-Ländern leben, zum heutigen Tag 46 Prozent ausmacht.

Und wie sieht es aber hinsichtlich des Gases aus? Nehmen wir einmal den Verbrauch. Die BRICS-Länder – 36 Prozent des weltweiten Gasverbrauchs, die G-7 – 35 Prozent. Die Förderung: Die BRICS-Länder – 35 Prozent der weltweiten Gasförderung, die G-7 – 30 Prozent. Die Gasreserven: Die BRICS-Länder – 50 Prozent der weltweiten Gasreserven, die G-7-Länder – acht Prozent.

Ja, man wird sagen: „Nun gut, sie können sich eventuell dort auf irgendwelche anderen Quellen orientieren“. Aber lassen Sie uns sich andere Zahlen des Jahres 2022 anschauen! Die Länder werden unterteilt, und die Organisationen werden unterteilt nach Netto-Importeuren und nach Netto-Exporteuren. Ja, und die Länder der G-7 und die Länder der Europäischen Union, sie sind klassische Netto-Importeure. Die G-7 hatte im Jahr 2022 ein Volumen des Netto-Imports von 144 Milliarden Kubikmeter Gas. Der Umfang des Netto-Imports von Gas in Europa belief sich auf 365 Milliarden Kubikmeter Gas.

Dabei wissen wir alle gut um die europäische Gaspolitik, was sie darstellt und wohin sie überhaupt die Wirtschaft bereits gebracht hat. Erstens ist dies ein Rückgang der Wirtschafts- und Produktionsparameter, besonders in solchen Branchen wie die Papier- und die Chemie-Industrie, die Metallurgie und Glasindustrie. Dies sind ein Abziehen von Kapital und ein Weggang von Produktionsbetrieben in andere Länder, nicht in Länder der Europäischen Union, sondern ganz und gar über den (Atlantischen) Ozean hinweg.

Ich kann sagen, dass wir, dass Gazprom natürlich nicht wenige Vorhaben hatten, die wir zusammen mit unseren europäischen Partnern auf dem Territorium Russlands realisierten. Die Partner fällten die Entscheidung und sind aus unseren Projekten ausgestiegen. Und wissen Sie was? Es passierte nichts. Ja, nichts ist geschehen. So wie wir rhythmisch gearbeitet haben, so arbeiten wir auch weiterhin rhythmisch. Je Pläne, die wir hatten, die setzen wir um, unabhängig dessen, dass sogar ernsthafte Unternehmen, die Lizenzen gewährt hatten, gegangen sind.

Du läufst durch die heutige Ausstellung, und die Seele und das Herz frohlocken. Entschuldigen Sie, wir sind schon ganz, wir sind bereits an der Schwelle einer vollständigen technologischen Souveränität. Dies sind keine lautstarken Worte. Die vollständige technologische Souveränität ist unsere nächste, die allernächste Zukunft.

Und wenn man sich den Fakten aus dem Leben zuwendet, so würden es die westlichen Geschäftskreise gar überhaupt vorziehen, dass die Gasströme aus Russland zurückkehren. Nun, Gott ist ihr Richter.

Auf jeden Fall möchte ich einfach die Aufmerksamkeit darauf lenken, dass die Länder des Westens traditionell stets mehr verbrauchten als sie förderten und fördern und fördern werden. Und diese Tendenz werden sie nicht überwinden. Es ist unmöglich, sie zu überwinden. Die Reserven sind keine solchen! Aber die Rolle des Gases, sie wird zunehmen, sie wird wachsen.

Wenn von Prognosen gesprochen wird, so werde ich hier in erster Linie sicherlich über jene Prognosen sprechen, die durch unsere Spezialisten, unsere Experten und die Experten des Forums der gasexportierenden Länder abgegeben worden sind. Im Verlauf der nächsten 25 Jahre wird die weltweite Nachfrage nach Gas um 43 Prozent zunehmen. Dabei wird der Anteil des Gases an der weltweiten Brennstoff- und Energiebilanz 26 Prozent erreichen. Und dies wird der größte Anteil an der weltweiten Brennstoff- und Energiebilanz sein, der des Gases. Im Verlauf von 25 Jahren.

Dafür wirkt ein neues Paradigma. Und ich möchte speziell auf dieses Paradigma eingehen. Das Paradigma lautet so: „Das Erdgas bei der Elektrifizierung des weltweiten Endverbrauchers“. Was passiert? Es passiert, dass sich eine neue Lebensart, eine neue Struktur herausbildet. Diese Lebensart ist als „Elektrifizierung des weltweiten Endverbrauchers“ formuliert worden, die dadurch vorausbestimmt worden ist, dass immer mehr und mehr Elektroenergie gebraucht wird. Doch das Wachsen der Produktion und der Nachfrage nach Elektroenergie übersteigt die Zunahme der Nachfrage nach Energieressourcen um das Anderthalbfache.

Die Nachfrage nach Elektroenergie wird durch welche Prozesse diktiert? Durch die Digitalisierung, das Arbeiten mit großen Datenbanken und die künstliche Intelligenz. Aber das Wichtigste ist das, dass der Anteil des Gases an der Stromerzeugung überhaupt im Verlauf des gesamten 21. Jahrhunderts stabil 20 Prozent ausmachte und schrittweise, die ganze Zeit langsam zunimmt.

Dementsprechend bestimmt die Zunahme des Energieverbrauchs das Wachstum des Dampf-Gas-Zyklus, der Gaserzeugung. Und dies ist eine neue Lebensform, die durch die Digitalisierung, das Arbeiten mit großen Datenbanken und die künstliche Intelligenz diktiert wird.

Daher, sehr geehrte Kollegen, 43 Prozent im Verlauf von 25 Jahren. Ich bitte, sich vorzubereiten. Da wir am Standort von Gazprom sind, können sich alle absolut sicher fühlen, denn Gazprom hat auch in Russland die größten Gasreserven. Deshalb waren, sind und werden wir ein zuverlässiger Lieferant von Gas für unsere Abnehmer sowohl im Land als auch im Ausland sein.“