Von Flugplätzen in Russland, Weißrussland, Tadschikistan, Kirgisien und Armenien sind mit Flugzeugen der russischen Militärtransport-Fliegerkräfte fast 4000 Vertreter von Friedenstruppen der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS) – eine gewisse analoge Struktur zur NATO im postsowjetischen Raum — nach Kasachstan verlegt worden. Dies sind die ersten praktischen Erfahrungen eines derartigen Einsatzes von Militärs aus den Ländern der OVKS zwecks Lösung innenpolitischer Probleme in einem der Staaten, die zu der Organisation gehören.
Im Hauptquartier der OVKS gibt man sich bisher wortkarg, wobei die Situation eine ungewöhnliche ist. Seit dem Zeitpunkt der Bildung 1992 hat die Organisation lediglich mehr die Funktion „eines zusammenhaltenden Unternehmens“ wahrgenommen – die Organisierung eines Zusammenwirkens auf der Ebene der Verteidigungsministerien der Mitgliedsländer und die Durchführung zahlreicher Antiterror-Übungen und -Manöver sowie konkrete Arbeitsergebnisse hinsichtlich einer Unterbindung des Drogenschmuggels. Immerhin waren im Rahmen der Operation „Kanal“ über 14.300 Mitarbeiter der zuständigen Organe eingesetzt worden. Im Ergebnis der koordinierten Aktionen wurden ca. fünf Tonnen Drogen aus dem illegalen Verkehr gezogen, darunter über 4,8 Kilogramm Opium, mehr als elf Kilogramm Haschisch, über 3,5 Kilogramm Heroin, mehr als fünf Tonnen Marihuana sowie über 17 Kilogramm synthetische Drogen.
Das Paradoxe besteht darin, dass die OVKS keine eigenen Kampfeinheiten besitzt. Dies ist eine ausschließlich politische Struktur. Gerade deshalb sind alle Informationen über die Entscheidungen, die im Rahmen der Gewährung von Hilfe für Kasachstan getroffen werden, heute von ihr und nicht vom Verteidigungsministerium Russlands ausgegangen. Das russische Verteidigungsministerium meldet lediglich die Realisierung der OVKS-Entscheidungen. Am 7. Januar wurde beispielsweise durch den Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums Igor Konaschenkow mitgeteilt, dass Russland über 75 Flugzeuge für die Verlegung von Friedenstruppen nach Kasachstan eingesetzt hätte.
Die russischen Militärs waren anfangs auch nicht sehr wortreich. So war nur aus inoffiziellen Angaben bekannt geworden, dass am 4. Januar die 15. Alexander-Mot.-Schützen-Blauhelm-Brigade der Landstreitkräfte, drei Brigaden der Hauptverwaltung für Aufklärung des Generalstabs in Togliatti sowie Uljanowsker und Pskower Fallschirmjäger in Alarmbereitschaft versetzt wurden. In der folgenden Nacht kamen Militärs von Sondereinheiten aus Weißrussland, Tadschikistan und Armenien dazu. Insgesamt: von Moskau – 3000, von Minsk – 500, von Duschanbe – 200, von Bischkek – 150 und von Jerewan – 100 Mann (Stand vom 7. Januar lt. Angaben des Nachrichtenportals Sputnik Armenien).
Im Grunde genommen ist dies der Personalbestand der kollektiven Streitkräfte für ein operatives Reagieren (KSOR) der OVKS. Planmäßig gehören die 31. Einzelne Luftlande-Sturmbrigade aus Uljanowsk, die 98. Luftlandedivision aus Iwanowo, aber auch zusätzliche Kräfte aus anderen Einheiten der Luftlandetruppen zu ihnen. Weißrussland vertritt die 103. Einzelne Luftlandebrigade. Ja, und von Tadschikistan, Kirgisien und Armenien gibt in den KSOR jeweils nur ein Bataillon. Und auf jeden Fall befassten sich Militärtransportfliegerkräfte der Luft- und Kosmos-Streitkräfte Russlands mit ihrer Verlegung. Dazu wurden Il-76-Transportmaschinen und die schweren Transportjets vom Typ An-124 „Ruslan“.
Den Bildern vom Boarding der Militärs nach zu urteilen, die durch das russische Verteidigungsministerium verbreitet wurden, kann man verstehen, dass Eliteeinheiten der operativen Einsatzkräfte der russischen Armee nach Kasachstan entsandt wurden. Die Militärs sind mit den neuen AK-12-Maschinenpistolen, mit „Petscheneg“-Maschinengewehren und Scharfschützengewehren bewaffnet. Daraus kann man den Schluss ziehen, dass da zumindest ein vollwertiger Aufklärungszug verlegt wurde. Auf den Videoaufnahmen war auch Spezialtechnik auszumachen. Experten rätseln bisher herum, ob dies elektronische Leitstellen oder Mittel für den funkelektronischen Kampf sind. Den Aufnahmen nach zu urteilen, sind neben den Militärs BMD-3-Kettenpanzer, BTR-82-Schützenpanzerwagen, gepanzerte Straßenfahrzeuge vom Typ „Tiger“, aber auch ein „Geländer-3“-Komplex für die funkelektronische Aufklärung nach Kasachstan gebracht worden. Letzterer ist auch für den funkelektronischen Kampf bestimmt, wobei er sich besonders für mobile Fernmeldenetze mit dem GSM-Standard eignet.
Wie der Vorsitzende des GUS-Ausschusses der Staatsduma (des russischen Unterhauses – Anmerkung der Redaktion) Leonid Kalaschnikow (KPRF) mitteilte, werde das internationale Kontingent staatlich bedeutsame Infrastrukturobjekte unter seine Kontrolle nehmen. In Kasachstan gibt es überdies mindestens fünf russische Objekte von strategischer Bedeutung. Dies ist das 5. Staatliche Kosmodrom Baikonur, ein Sonderregiment der Transportfliegerkräfte in Kustanai, ein einzelner funktechnischer Knotenpunkt in Priosjorsk auf dem Übungsgelände Sary-Schagan. Dort ist auch das staatliche Testgelände für Luftabwehr- und Raketenabwehrmittel. Und letztlich ist da auch die 20. einzelne Messstation der strategischen Raketentruppen in der Siedlung Nowaja Kasanka. „Die Friedenstruppen der OVKS können sich so lange in Kasachstan aufhalten, wie es der Präsident Kasachstans für nötig hält“, teilte Kalaschnikow mit, wobei er betonte, dass „die Säuberung und alles, was derzeit passiert, schließlich nicht die OVKS, sondern die einheimischen Kräfte durchführen“. Doch laut unbestätigten Angaben haben sich die Militärs auch mit einem „Patrouillieren des Territoriums“ zu befassen. Es ist klar: mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen.
*) „Grüne Männlein“ – Bezeichnung für die russischen Truppen, die vor der Aufnahme der Krim in die Russische Föderation ohne deutliche Erkennungszeichen auf dem Territorium der Halbinsel agierten und letztlich diesen Prozess ohne Blutvergießen absicherten. Anmerkung der Redaktion