In Kasachstan ist aufgrund der umfangreichen Hochwasser der Ausnahmezustand ausgerufen worden. Überschwemmt sind Städte und Ortschaften der westlichen, nördlichen und östlichen Regionen des Landes. Im Verwaltungsgebiet Almaty ist das Wasser über die Ufer des Woroschilow-Stausees getreten, im Verwaltungsgebiet Aktjubinsk wurde der Stscherbakow-Staudamm undicht. Hunderte Häuser wurden überflutet. Evakuiert wurden über 11.000 Menschen. Präsident Qassym-Shomart Tokajew übte scharfe Kritik an den Handlungen von Ministern und Gouverneuren aufgrund von Fahrlässigkeit und mangelndem Professionalismus. Das Staatsoberhaupt entschuldigte sich bei den Bürgern des Landes und versprach allen Betroffenen Hilfe. Premierminister Olshas Bektenow beauftragte am 31. März bei einer Tagung des republikanischen Stabes für die Bekämpfung der Hochwasser den Generalstaatsanwalt, eine Überprüfung der Fakten eines fahrlässigen Handelns von Beamten einzuleiten.
Es hat sich herausgestellt, dass Kasachstans Behörden nicht auf den Beginn des Frühlings und die Schneeschmelze vorbereitet waren. Aufgrund der Überschwemmungen wurden sieben Regionen in Mitleidenschaft gezogen – die Verwaltungsgebiete Aktjubinsk, Kostanay, Abai, Ulytau, Akmolinsk und Westkasachstan. Nach Meinung von Premierminister Olshas Bektenow wurde Kasachstan erstmals seit den letzten Jahren mit solch großen Überschwemmungen konfrontiert. Auf den Straßen treiben PKWs, Busse und sogar Traktoren im Wasser herum. Eine Reihe von Ortschaft sind vollkommen überflutet worden. Militärhubschrauber retten Einwohner von überschwemmten Ortschaften, evakuieren sie in eine sichere Zone, bringen denjenigen auf Luftweg Lebensmittel, warme Sachen sowie andere notwendige Dinge, die geblieben sind. Haustiere kommen um.
Am 31. März warnte das Department für Notstandssituationen des Verwaltungsgebietes Kostanay die Einwohner vor einer Verschlechterung der Hochwasser-Situation in der gerade begonnenen Woche im Zusammenhang mit einem starken Ansteigen der Lufttemperatur bis 20 Grad Celsius und Regenfällen. Für diejenigen, die nicht selbständig die Notstandszone verlassen können, wird eine Evakuierung organisiert.
Mit Stand vom Sonntag wurden aus den überfluteten Zonen 11.306 Menschen evakuiert, teilte man im Pressedienst der Regierung Kasachstans mit, wobei betont wurde, dass man den Betroffenen rund um die Uhr Hilfe gewähre. Und mit den Ortschaften, die von allen Transportwegen abgeschnitten wurden, würde man Nachrichtenverbindungen halten.
Auf was für eine Summe sich die Instandsetzung der unterspülten Straßen, Brücken, Gleisbetten und Häuser, die innerhalb weniger Stunden unter Wasser geraten sind, muss noch berechnet werden. Am Sonntagmorgen leitete Regierungschef Olshas Bektenow, der am Vorabend zum Leiter des Stabs zur Koordinierung der Maßnahmen für die Hochwasserbekämpfung ernannt worden war, dessen erste Sitzung: „Präsident Qassym-Shomart Tokajew erteilte der Arbeit zur Umsetzung der Maßnahmen zur Hochwasserbekämpfung eine unbefriedigende Bewertung. Es muss schon jetzt eine Bewertung des Umfangs des durch die Naturkatastrophe verursachten Schadens begonnen und unverzüglich mit der Gewährung materieller Hilfe für die betroffenen Menschen angefangen werden. Gleichfalls müssen auch komplexe Maßnahmen zur Verhinderung derartiger großer Überschwemmungen in der Zukunft ausgearbeitet werden. Jede Region muss einen klaren Aktionsplan haben“.
Allem nach zu urteilen, haben die Beamten auch die Frage zu beantworten, für was die sieben Milliarden Tenge verwendet wurden, die für Maßnahmen zum Hochwasserschutz bereitgestellt worden waren. Nach Auffassung des Kabinettschef sei die Vorbereitung auf die Hochwasser eine formale gewesen. Experten meinen, dass es wahrscheinlich zu Umbesetzungen im Team der Verwaltungsbeamten kommen werde. „Gegenwärtig sind das Wichtigste die Rettung von Menschenleben und eine Minimierung der Hochwasserfolgen. Danach wird eine gegenstandsbezogene Überprüfung vorgenommen, um mögliche Fakten einer lässigen Haltung einzelner Verantwortlicher gegenüber der Erfüllung ihrer Dienstpflichten zu ermitteln. Diese Frage habe ich bereits mit dem Generalstaatsanwalt erörtert“, erklärte Bektenow im Verlauf der erwähnten Sitzung.
Allerdings erfolgte bereits am 31. März eine erste Neubesetzung. Per Erlass des Staatsoberhauptes wurde zu einem neuen Stellvertreter des Premierministers Kanat Bosumbajew ernannt, der früher das Amt eines Präsidentenberaters bekleidete. Der neue Vizepremier wird sich um Fragen der Regionalpolitik, der Wohnungs- und kommunalen Wirtschaft sowie von Notstandssituationen und der Wasserressourcen kümmern, teilte Berik Uali, Pressesekretär des Präsidenten, mit.
Am Vorabend hatte Tokajew die Situation mit den Überschwemmungen analysiert und dem Vize-Premier Roman Skljar und dem Minister für Wasserressourcen und Bewässerung, Nurshan Nurshigitow jeweils einen strengen Verweis aufgrund dessen erteilt, dass sie nicht rechtzeitige Hochwasserschutzmaßnahmen ergriffen hätten. Einen strengen Verweis und die Warnung vor einem Nichtentsprechen der Dienstpflichten erhielten die Akims (Gouverneure) der Verwaltungsgebiete Aktjubinsk, Kostanay und Westkasachstan, einen strengen Verweis – die Akims der Verwaltungsgebiete Atyrau, Akmolinsk, Almaty, Pawlodar und Abai.
Der Abgeordnete des kasachischen Parlaments Sergej Ponomarjow ist der Auffassung, dass die Regierung und Regionalverwaltung sich nicht auf die Überschwemmungen vorbereitet hätten, wobei sie begriffen hätten, dass sie unweigerliche sein werden. Im Winter hatte es viele Niederschläge gegeben. In mehreren Gebieten erreichte die Schneedecke eine Höhe von bis zu zwei Metern. „Es war eine Situation entstanden, in der sich 217 Ortschaften in der Risikozone wiederfanden. Und dies mehr als 86.000 Häuser. Ein überschwemmtes Haus ist schon ein Unglück. Und heute riskieren wir das Leben von knapp einer halben Million Menschen. Dies hängt mit einem Mangel an einer systematischen Vorbereitungsarbeit zusammen, vor allem zur Schaffung und Unterhaltung eines Systems hydrotechnischer Bauten, das sich in einem ständigen Bereitschafts- und intakten Zustand befinden muss. Ihr Netz erfordert eine ständige Beobachtung, Pflege, Instandsetzung und – das Wichtigste – Erneuerung. Es sei betont, dass laut Angaben des Katastrophenschutzministeriums mit Stand vom Februar dieses Jahres landesweit 537 hydrotechnische Bauten eine Reparatur erfordern. Acht von ihnen sind ohne einen Eigentümer. Über 200 Dämme haben keine technischen Pässe. Und ihr technischer Sicherheitsgrad ist nicht bestimmt worden. Es bleibt auch noch das Problem der widerrechtlichen Bebauung in der Wasserschutz-Zone“, erklärte der Parlamentarier in einer Anfrage, die am 27. März den Regierungsmitgliedern zugeleitet wurde.
Derweil hat Kultur- und Informationsministerin Aida Balajewa aufgerufen, keine falschen Angaben über die Überschwemmungen zu verbreiten. Dies löse Panik aus und störe die Arbeit der Rettungskräfte.
Post Scriptum:
Bereits nach Redaktionsschluss des vorliegenden Beitrages wurde am Montag in der kasachischen Hauptstadt Astana mitgeteilt, dass ca. 14.300 Menschen aus den Hochwassergebieten evakuiert wurden. Das Katastrophenschutzministerium informierte, dass rund 10.400 Rettungskräfte derzeit im Einsatz seien. Zusammen mit örtlichen Mitstreitern sind schon 728.000 Sandsäcke und 728.000 Tonnen wasserbeständige Baumaterialien in den betroffenen Gebieten für Schutzmaßnahmen ausgelegt worden.
Aber auch in Russland kämpft man mit den Folgen von Überschwemmungen aufgrund des Schmelzens von Schnee und Eis. In 25 Landesregionen wurden 490 Wohnhäuser von Hochwasser betroffen, außerdem 112 Brücken und 58 Straßen.