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In Bergkarabach hat man Paschinjan nicht verstanden


Die Erklärung von Armeniens Premierminister Nikol Paschinjan, die im Landesparlament diese Woche abgegeben wurde, hat bereits am Donnerstag eine negative Reaktion in Bergkarabach ausgelöst. In Stepanakert hat man Paschinjans Vorschlag, die territoriale Integrität Aserbaidschans und Armenien in den Grenzen der Armenischen SSR anzuerkennen, nicht akzeptiert. Dass Bergkarabach in der UdSSR zur Aserbaidschanischen SSR gehörte, war von Paschinjan in seiner Rede vor den Abgeordneten hervorgehoben worden. Dabei betonte er, dass es ohne einen Kompromiss keinen Frieden im Südkaukasus geben werde. Und er löste damit Verständnis in den USA und in der Russischen Föderation sowie eine Verärgerung in Bergkarabach aus.

Die fünf Fraktionen des Parlaments von Bergkarabach hielten die Worte von Nikol Paschinjan für unannehmbare, wonach Armenien vollkommen die territoriale Integrität Aserbaidschans anerkenne und dass die Frage nach der Gewährleistung der Sicherheit des Volkes von Bergkarabach durch Jerewan vom Recht auf dessen Selbstbestimmung getrennt worden sei. Als Antwort darauf betonte Paschinjan, dass er aufmerksam die Meinung der Nationalversammlung von Bergkarabach verfolge und sie schätze. Weiter folgte jedoch ein „aber“.

„Ich habe jedoch etwas Anderes gesagt“, merkte Paschinjan an. „Gewöhnlich verstehen sie mich nicht richtig. Und ich schließe nicht aus, dass sie es auch dieses Mal nicht richtig verstanden haben. Meines Erachtens gibt es da jedoch im Großen und Ganzen nicht so etwas, um nicht richtig zu verstehen, da meine Einschätzungen sehr klare sind. Ich möchte die Aufmerksamkeit auf Folgendes lenken: Was für ein Gegenargument erklang auf dem Feld der Argumente? Lassen Sie uns für eine Minute die Bewertungen beiseitelegen, da dies, was Sie sagen, nichts Neues in den Bewertungen sei, angefangen damit, dass dies ein Verrat sei. Dies ist kein Verrat. Lassen Sie uns in den Inhalt eindringen und schauen, was dieser Inhalt bedeutet“.

„In meinem Bericht hatte ich klar erklärt, dass die Formulierung für eine Selbstbestimmung in den Madrider Prinzipien so vermittelt werde, dass Armenien Karabach ein Teil Aserbaidschans sei. Darin besteht das Problem. Ich hatte darüber während der vorangegangenen Regierungsfragestunde im Parlament gesprochen“, erklärte Armeniens Regierungschef, womit er auf die Frage eines Korrespondenten des Nachrichtenportals www.news.am antwortete, ob er dem zustimme, dass territoriale Integrität bedeute, dass Bergkarabach im Bestand von Aserbaidschan sein werde.

„Ich sagte, dass wir, indem wir diese Realität nicht akzeptiert hatten, eine parallele Wunschrealität geschaffen hatten, die nichts mit der internationalen und geopolitischen Realität gemein hat. Wir müssen diese Situation akzeptieren. Ich sage unseren geachteten Oppositionellen: Kritisieren Sie mich dafür! Warum kritisieren Sie mich nicht dafür? Weil sie auch eben jenen Fehler begangen haben“, betonte er.

Am Donnerstag empfing Nikol Paschinjan den US-amerikanischen Co-Vorsitzenden der Minsker OSZE-Gruppe und Senior Berater für die Verhandlungen im Kaukasus, Louis L. Bono. Armeniens Premierminister unterstrich die Wichtigkeit der Anstrengungen der US-Administration zur Gewährleistung von Stabilität und Sicherheit in der Region und stellte die Vorgehensweisen der armenischen Seite in der Frage nach der Regulierung der bestehenden Schlüsselprobleme vor. Paschinjan bezeichnete eine aggressive Politik und militaristische Rhetorik hinsichtlich des Volkes von Bergkarabach und der territorialen Integrität von Armenien als unannehmbare.

Die Gesprächspartner erörterten Fragen im Zusammenhang mit dem Bergkarabach-Konflikt, der Gestaltung eines Mechanismus für einen internationalen Dialog zwischen Stepanakert und Baku und der humanitären Krise, die sich in Bergkarabach aufgrund einer Blockierung des Latschin-Korridors durch Aserbaidschan (seit Dezember letzten Jahres – Anmerkung der Redaktion) ergeben hatte, aber auch im Zusammenhang mit der Regulierung der Beziehungen zwischen Armenien und Aserbaidschan sowie der De-Blockierung der regionalen Transport-Infrastruktur.

Es ging auch um die Möglichkeit der Entfaltung einer Beobachtermission der Organisation des Vertrages über kollektive Sicherheit (OVKS) an den Grenzen Armeniens.

„Wir skizzierten den Rahmen unserer Besorgnis. Und unsere Besorgnis, unser Wunsch oder Bestreben bestehen darin, dass die mögliche Mission eine effektive ist. Dies ist sowohl für Armenien als auch für die OVKS wichtig. Dies ist auch für die Region wichtig. Wir setzen die Diskussion in dieser Richtung fort“, sagte der Regierungschef Journalisten. Bei einem Vergleich zwischen der OVKS und der EU betonte er, dass man die Mission der EU nicht auf eine Stufe mit der OVKS stellen könne.

„Lassen Sie uns die OVKS und die Europäische Union (voneinander) abgrenzen. Die OVKS hat Pflichten hinsichtlich der Sicherheit in Bezug auf Armenien. Und Armenien hat Pflichten, die es unter anderem während der Ereignisse in Kasachstan im Jahr 2022 erfüllte“, sagte Paschinjan. Folglich müssten nach Aussagen des Premierministers die Erwartungen Armeniens in Bezug auf die OVKS weitaus höhere als bezüglich der EU-Mission sein.

Auf die Frage, ob er mit der Arbeit der EU-Mission zufrieden sei, antwortete Paschinjan: „Die Mission der EU ist eine langfristige Mission, die praktisch bereits im Verlauf von zwei Monaten entfaltet wird. Übrigens, sie ist noch nicht vollkommen entfaltet worden. Wir sehen es im Prozess“.

Derweil sind in Jerewan nicht alle mit Paschinjan einverstanden. Armeniens Ex-Außenminister Vardan Oskanjan ist der Auffassung, dass die Offiziellen den Mythos in Umlauf bringen würden, dass es zum Geschehen keine Alternative gebe. Dies sei aber nicht so. Er ist der Annahme, dass man Bergkarabach auch ohne einen Krieg als armenisches bewahren könne. Der zweite Mythos bestehe nach Aussagen Oskanjans darin, dass der Krieg angeblich unumgänglich gewesen sei. „Der Krieg war nicht nur nicht unumgänglich, sondern er war auch ausgeschlossen gewesen. Er ist zur Folge diplomatischer Fehler geworden. Heute werden diese Fehler fortgesetzt und können noch einen Krieg auslösen. Es ist die Zeit gekommen, zur Ernüchterung zu kommen sowie den Spekulationen und Rechtfertigungen ein Ende zu bereiten“, erklärte Oskanjan. Nach seinen Worten habe er etwas, was er den Offiziellen empfehlen könne, wenn sie Interesse bekunden würden.

Mit einer speziellen Erklärung ist die Bewegung „Konsolidierung“ an die Öffentlichkeit getreten. Nach einer Kritik der Herrschenden aufgrund der Position zu Bergkarabach gab sie zu verstehen, dass das armenische Volk nur nach einer Entmachtung von Nikol Paschinjan eine weitere Katastrophe verhindern könne.

Zur gleichen Zeit erklärte Aserbaidschans Außenministerium: „Die aserbaidschanische Seite ist als eine Seite, die als erste eine Initiative unterbreitete, bereit, einen Friedensvertrag mit Armenien auf der Grundlage der Prinzipien der territorialen Integrität und Souveränität zu unterzeichnen. Dafür muss die armenische Seite die territorialen Ansprüche gegenüber Aserbaidschan aufgeben und eindeutig anerkennen, dass Karabach ein Territorium Aserbaidschans ist“.

Post Scriptum

Aus moralischer Sicht musste Armeniens Premier am Donnerstag den wohl bisher schwersten Schlag nach seinen letzten Statements zu Aserbaidschan und Bergkarabach einstecken. Das Oberhaupt der Armenisch-apostolischen Kirche, Katholikos Garegin II., erklärte, dass seine Kirche nicht ihren Aufruf zum Rücktritt von Nikol Paschinjan fallengelassen habe, zumal er zeitlich nicht eingeschränkt worden sei. Garegin II. betonte gleichfalls: „Es werden falsche und inakzeptable Erklärungen abgegeben, zum Beispiel über den Status von Arzach. Wir halten gleichfalls die Erklärungen für unangebrachte, dass die einstigen Offiziellen Armeniens Arzach im Bestand von Aserbaidschan anerkannt haben“. Er betonte in diesem Zusammenhang, dass sich das armenische Volk niemals mit dem Gedanken abfinden werde, Bergkarabach im Bestand von Aserbaidschan zu sehen. „Dies wird einen neuen Genozid des armenischen Volkes bedeuten“, erklärte der Katholikos.