Unabhängige Zeitung

Private Tageszeitung

In den Beziehungen Russlands und der USA sind Anzeichen für ein nahendes Tauwetter aufgetaucht


Nachdem mehrfach erklärt wurde, dass keinerlei prinzipielle Zugeständnisse an die Russische Föderation möglich seien und dass die USA die Putinschen „roten“ Linien nicht anerkennen würden, hat die Administration von Joseph Biden dennoch begonnen, diese „roten“ Linien mit Russland zu erörtern. In Moskau wird die Beraterin des US-Außenministers Karen Donfried erwartet. Mit ihr werde, wie der stellvertretende russische Außenminister Sergej Rjabkow erklärte, ein „tiefgründiges Gespräch“ zum Thema der Sicherheitsgarantien geführt werden, die der Westen entsprechend dem Grundgedanken von Wladimir Putin gewähren müsse.

Die Andeutung, dass die USA bereit seien, in diesem Fall dem Kreml entgegenzukommen, klang in der vergangenen Woche in Reden sowohl von Biden als auch seines Beraters für nationale Sicherheitsfragen Jake Sullivan an. Sowohl der eine als auch der andere erklärten, dass nach den am 7. Dezember erfolgten Gesprächen beider Präsidenten der Dialog Russlands und des Westens in einer prinzipiell neuen Form erfolge. „Wir sind der Auffassung, dass es einen alternativen Weg geben muss, mit dessen Hilfe wir einen Fortschritt in der Diplomatie zum Problem des Donbass, der Minsker Abkommen und des Normandie-Formats erreichen können, in dessen Rahmen wir die Besorgnisse in den Sicherheitsfragen seitens der NATO, Amerikas und Russlands erörtern können“, sagte beispielsweise Sullivan.

Den Worten Bidens nach zu urteilen, wird es jetzt Moskau nicht mit der NATO insgesamt zu tun haben, wie dies das Baltikum und Polen wollen, sondern mit den führenden Ländern der Allianz. Das heißt: selbstverständlich mit den USA, mit Großbritannien, das immer hartnäckiger die Rolle eines Vertreters der Interessen der osteuropäischen Verbündeten Washingtons übernimmt, und mit den Staaten, mit denen sich die Beziehungen der russischen Offiziellen relativ nicht schlecht gestalten – mit Frankreich, Deutschland und eventuell Italien.

Zu den Faktoren, die belegen, dass man im Weißen Haus den Kreml vernommen hat, gehört auch das, dass nirgends – weder in Washington noch in Brüssel – die Aufrufe laut werden, gegenüber Russland äußerste Maßnahmen anzuwenden, solche wie ein Abschalten von SWIFT und der Gewährung von Garantien einer direkten Militärhilfe für die Ukraine. Darüber hatten bei der Aufzählung der möglichen Konsequenzen eines russischen Vorrückens auf ukrainisches Territorium weder Sullivan noch die Teilnehmer des G-7-Außenministertreffens in Liverpool gesprochen. Russland droht man mit unbestimmten Sanktionen, der Ukraine verspricht man eine unbestimmte Hilfe, wobei man den Vorbehalt formuliert, dass man ja doch nicht an einen russischen Einmarsch glauben würde. Dies ist ein Anzeichen dafür, dass man sich mit dem Kreml einigen möchte. Freilich, wenn man anhand der Erklärungen der russischen, US-amerikanischen und europäischen Beamten urteilt, ist bisher unklar, was der Westen bereit ist, Moskau vorzuschlagen.

Dafür ist das Interesse des Westens an sich offensichtlich. Die Beziehungen der USA mit China gestalten sich immer schwieriger. Zu einer neuen Episode des Kalten Kriegs beider Länder wurde die Südostasien-Tournee von US-Außenminister Anthony Blinken. In deren Verlauf erklärte der Chef der amerikanischen Diplomatie, dass die Vereinigten Staaten beabsichtigen würden, „tiefere Verbindungen“ auf einer antichinesischen Grundlage mit den Ländern der ASEAN – dem entscheidenden Wirtschaftspartner der Volksrepublik China – anzubahnen. Von Moskau erwartet man augenscheinlich, dass es im amerikanisch-chinesischen Konflikt nicht die chinesische Seite einnehmen wird.

Schließlich gibt es noch die Iran-Frage. Die letzte Verhandlungsrunde in Wien über eine Wiederherstellung des „Nuklear-Deals“ (ein Projekt, mit dem Biden persönlich große Hoffnungen verknüpft) scheiterte. Diplomaten der „Euro-Troika“ (Großbritannien, Deutschland und Frankreich) legten am 13. Dezember eine Erklärung vor. In der wurde noch einmal die Haltung des Westens dargestellt: Am Scheitern der Wiener Verhandlungen sei das offizielle Teheran schuld, das jedes Mal harte, wissentlich inakzeptable Bedingungen stelle. Am gleichen Tag führte Außenminister Sergej Lawrow ein Telefonat mit seinem iranischen Amtskollegen Hossein Amir-Abdollahian. Und am 15. Dezember werden Gespräche Putins mit Xi Jinping erwartet. Alles in allem hat Moskau skizziert, wo und wie es bereit ist, seinen guten Willen zu demonstrieren. Am Zuge ist der Westen.