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In den neuen Regionen werden die Kandidaten und Wähler voneinander getrennt


Im Verwaltungsgebiet Rostow haben sich Medien über den Erwerb von fast 4.500 mobilen Wahlurnen für Stimmzettel durch die regionale Wahlkommission erstaunt gezeigt. Dieses Gebiet wird jedoch zusammen mit der Krim zum elektoralen Hinterland für die Donbass-Republiken DVR und LVR und die Verwaltungsgebiete Saporoschje und Cherson (die Russland für sich auch entsprechend der Verfassung seit dem vergangenen Herbst beansprucht, aber nach wie vor nicht vollkommen kontrolliert – Anmerkung der Redaktion). Dort sollen neue Regionalparlamente entsprechend den Gesetzen der Russischen Föderation gewählt werden, die dies aber unter Bedingungen eines Kriegszustands eigentlich verbieten. Die Staatsduma (das russische Unterhaus – Anmerkung der Redaktion) wird in einem Monat solch eine Norm durchwinken: Die Wahlkampagne an sich und die eigentliche Abstimmung werden geografisch getrennt und im Weiteren virtuell verbunden. Und die zusätzlichen Urnen eignen sich für die realen Flüchtlinge, die abstimmungsberechtigt sind.

Die Lokalpresse lenkte die Aufmerksamkeit auf den etwas überhöhten Wertumfang der staatlichen Einkäufe. Aber sicherlich ist es interessanter, die Anzahl der zu liefernden Urnen und die Anzahl der territorialen Wahlkommissionen zu vergleichen – 4417 für 62.

Solch eine nicht arme Region wie das Verwaltungsgebiet Rostow hatte wohl früher nicht den erforderlichen Umfang an Urnen für die Organisierung einer auswärtigen Stimmabgabe besessen. Daher ist die Annahme logisch, dass von dieser Partie Reserven gerade auf der Ebene der territorialen Wahlkommissionen angelegt werden. Denn gerade in solchen Kommissionen wird auch – allem nach zu urteilen – die Willensbekundung der Einwohner der neuen Subjekte der Russischen Föderation organisiert werden. Sowohl jener, die sich bereits außerhalb von ihnen befinden, als auch jener, die sie während der dreitägigen „Fern“-Abstimmung für die Kandidatenlisten der Parteien verlassen werden, um neue gesetzgebende Versammlungen für die Donbass-Republiken DVR und LVR sowie die Verwaltungsgebiete Saporoschje und Cherson entsprechend den russischen Gesetzen zu wählen. Es sei daran erinnert, dass dort derzeit der Kriegszustand gilt, der eindeutig die Abhaltung irgendwelcher Wahlen verbietet.

Es gilt aber, wie dies schon lange formuliert wurde: Wenn es auf keinen Fall erlaubt ist, aber sehr gebraucht wird, so kann man es. Die entsprechenden Änderungen für das Gesetz über die hauptsächlichen Garantien für die Wahlrechte der Bürger der Russischen Föderation sind bereits in erster Lesung in der Staatsduma angenommen worden. Etwa in der zweiten Mai-Hälfte sollen sie in einer endgültigen Form gebilligt werden. Es sei daran erinnert, dass die Zentrale Wahlkommission der Russischen Föderation das Recht erhält. Sozusagen die eigenständigen Initiativen der neuen Regionen abzusegnen, um die nunmehrigen ersten russischen Wahlen in einem besonderen Format abzuhalten.

Erstens, die politische Wahlkampagne an sich und das eigentliche Abstimmungsprozedere zu trennen, wobei letzteres in andere Subjekte der Russischen Föderation verlegt wird. Es ist klar, dass in diesem Sinne gerade das Verwaltungsgebiet Rostow und die Krim zu einem gewissen elektoralen Hinterland für den Donbass und Noworossia werden. Interessant ist aber, dass sich die Offiziellen der neuen Regionen recht offen über das Abwarten finaler Signale aus Moskau äußern. Beispielsweise gab der Vizechef der Volksversammlung der DVR, Sergej Prokopenko von der Kremlpartei „Einiges Russland“, am Rande der sogenannten internationalen wissenschaftlich-praktischen Konferenz zum 240. Jahrestag des Anschlusses der Krim sowie der Gebiete Taman und Kuban an das Russische Imperium in einem Interview für die staatliche russische Nachrichtenagentur TASS sogar geringste Details der künftigen Wahlkampagne zum Besten, wobei er jedoch nicht ein einziges Wort über das Schlüsselprinzip ihrer Durchführung sagte. Allerdings äußerte er sich über auswärtige Wahllokale, aber nur über jene, in denen Militärs der militärischen Sonderoperation Russlands abstimmen können. Dies bedeutet augenscheinlich, dass die Herrschenden bereits mindestens eine halbe Million garantierter gültiger Stimmen in petto haben.

Zweitens ist durch die Staatsduma gerade schon beschlossen worden, die Anforderungen an die Dokumente zu lockern, denen entsprechend diese Stimmzettel ausgegeben werden, darunter auch im Rahmen des Systems „Mobiler Wähler“. Übrigens, irgendetwas legt nahe: Augenscheinlich steht auch noch eine Entscheidung über eine Erleichterung für solche „abgelegenen“ Wähler, die bereits außerhalb der neuen Subjekte sind, sowohl eines persönlichen als auch eventuell eines kollektiven Zugangs zu einer elektronischen Online-Abstimmung bevor. Die zusätzliche Anzahl von Wahlurnen im bereits erwähnten Verwaltungsgebiet Rostow hängt natürlich auch damit zusammen, dass dort nach wie vor keine geringe Anzahl von Flüchtlingen aufgrund der seit mehr als 420 Tage währenden Sonderoperation aus der Ostukraine eintreffen.

Drittens bedeutet das besondere Format für die Wahlen in den neuen Subjekten entsprechend den russischen Gesetzen auch ein Zurückschrauben der Strenge der Anforderungen an die Kandidaten. Zum Beispiel über das Verbot ausländischer Finanzinstrumente. Und die Auswahl der Kandidaten ist natürlich bereits im Gange, wobei demonstriert wird, dass die Wahl der gesetzgebenden Versammlungen nicht bloß entsprechend von Parteilisten erfolgen wird, sondern auch entsprechend einem Quoten-Schema, wobei jede Parlamentspartei ihren Anteil an Mandaten erhält, und die Kremlpartei „Einiges Russland“ – den Löwenanteil. Die Spitzenvertreter der vier Regionen, die nicht direkt gewählt werden, schreiben sich bereits für die sogenannten Primaries der Kremlpartei ein, um deren „Lokomotiven“ bzw. „Zugpferde“ zu sein. Zum Beispiel die amtierenden Regionalchefs Denis Puschilin aus der DVR oder der Gouverneur von Saporoschje, Jewgenij Balizkij. Der amtierende Lugansker Regionalchef Leonid Pasetschnik agiert, wie es sich auch für Geheimdienstler gehört, ohne unnötigen Rummel. Und der amtierende Chersoner Gouverneur Wladimir Saldo hinkt einfach ständig den Kollegen etwas hinterher.

Übrigens, Balizkij und Saldo haben dennoch ihre Rosinen für die Wahlkampagne gefunden. Der erste gab die Wiederherstellung des Saporoschjer Kosaken-Heers bekannt, wobei er erklärte, dass bereits im kommenden Jahr diese freiheitliebenden Männer und Frauen (im Kosakenslang: Lyzari) zu ihrem ersten Forum in der historischen Heimat – auf der Dnepr-Insel Chortiza – zusammenkommen würden. Der zweite versprach, schon bald das Denkmal für Fürst Potjomkin an seinen historischen Ort in Cherson zurückzubringen. Ein bestimmte Datum hatte er jedoch verständlicherweise nicht ausgewiesen.