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In der BRD wird man die gefallenen Sowjetsoldaten nicht nach Russen und Ukrainern unterteilen


Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V., der sich um die Pflege von Kriegsgräbern befasst, ist mit einer Erklärung aufgetreten. Er dementierte die Meldungen einer Reihe russischer offizieller Massenmedien hinsichtlich einer angeblich von ihm vorgenommenen Differenzierung zwischen den in den Jahren des Zweiten Weltkrieges gefallenen Sowjetsoldaten nach deren Geburtsort. Es gehe um Versuche, tönte es tendenziös und ganz im Geiste der gegenwärtigen Eiszeit in den russisch-deutschen Beziehungen aus Moskau, die Soldaten würden nach dem nationalen Merkmal unterschieden – nach Russen und Ukrainern. In der Erklärung des Volksbundes wird unterstrichen, dass die Herkunft der in den Kriegsgräbern ruhenden Menschen keine Bedeutung habe.

Die Mitteilung einer Nachrichtenagentur – „Sowjetische Kriegsgräber: Volksbund will differenzieren“ – konnte zuvor den Anschein erwecken, der Landesverband Hamburg des Volksbundes wolle künftig bei der Grabpflege unterscheiden. „Das kann falsch interpretiert werden“, erklärte Generalsekretär Dirk Backen für den gesamten Volksbund einschließlich seiner Landesverbände. In diesem Zusammenhang betonte er weiter: „Die Pflege der Gräber der rund 2,8 Millionen Kriegstoten auf mehr als 830 Friedhöfen in 46 Ländern ist unser Auftrag, den wir mit all unserer Kraft ohne Unterschied erfüllen.“

Neben der Grabpflege arbeite der Volksbund an der Schicksalsklärung in Bezug auf im Krieg gefallener und verschollener Menschen, um ihren Angehörigen Gewissheit und einen Platz zur Trauer zu geben. Der Volksbund recherchiert Biographien, um möglichst vielen Toten ihre Identität wiederzugeben.

„Das ist“, so Generalsekretär Dirk Backen, „ein grundlegender Aspekt unserer Recherche- und Bildungsarbeit. Hinter jedem Grab steht ein Mensch mit seinem meist zu kurzen Leben, das häufig durch Gewalt im Krieg endete.“

Am vorletzten Wochenende hatte er zusammen mit Volksbund-Präsident Wolfgang Schneiderhan, einem General im Ruhestand, am Sowjetischen Ehrenmal in Berlin-Pankow einen Kranz niedergelegt. Mit einer Schweigeminute gedachten sie aller Militärs der Roten Armee, die im Verlauf der Schlacht um Berlin 1945 ums Leben gekommen waren.

Warum ist gerade in unseren Tagen diese Erklärung so wichtig, genauso wie die Kranzniederlegung?

Am 13. November wurde in Deutschland der Volkstrauertag begangen – als ein Tag für das Erinnern an die Opfer von Kriegen und staatlicher Gewalt. Der bundesdeutsche Botschafter in Moskau, Dr. Géza Andreas von Geyr, der an diesem Tag auf dem Deutschen Soldatenfriedhof Ljublino in Moskau auftrat, betonte: „Man könnte meinen, der Volkstrauertag wäre in erster Linie auf die Vergangenheit gerichtet und etwas für ältere Menschen.

Ja, es geht um die Trauer über Opfer früherer Kriege, eine Trauer, die in vielen Familien auch nach Generationen noch gegenwärtig ist.

Es geht aber auch um die Gegenwart und die Zukunft – darum, wie wir Erfahrungen aus der Vergangenheit nutzen, um heute und morgen friedlich zusammenzuleben.

Dies ist Verantwortung aus der Geschichte. Dies ist unsere Verantwortung heute“.

Der Botschafter unterstrich: „Beim Blick auf diese Gräber sollten wir uns daran erinnern, dass Frieden auch heute keine Selbstverständlichkeit ist, sondern ein hohes Gut, das sorgsam bewahrt und geschützt werden muss“. Nach seinen Worten hätte man die heutigen Ereignisse in Europa umgehen können, wenn die Politiker von heute die Vergangenheit besser kennen und sich nicht von deren Lehren distanzieren würden.

Post Scriptum

Am 3. November wurde in Kemerowo eine Kopie des Mahnmals im Berliner Treptow-Park eingeweiht. Den Anlass boten im vergangenen Jahr die Abgeordneten der deutschen Hauptstadt. Sie hatten beschlossen, Nikolaj Massalow die Berliner Ehrenbürgerschaft abzuerkennen. Mit einem Schlag hatte man an der Spree vergessen, dass der Sergeant der Roten Armee am 30. April 1945 in der Schlacht um Berlin einem deutschen Mädchen das Leben gerettet hatte. Und gerade der frühere Traktorist aus dem Gebiet Kemerowo wurde zum Vorbild für die Hauptfigur des Gedenkkomplexes in Berlin, die der weltbekannte Bildhauer Jewgenij Wutschetitsch schuf.