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In der russischen Sonderoperation sucht man eine afghanische Spur


Russland hat man der Versuche bezichtigt, ehemalige afghanische Elite-Militärs, die von den USA keine Evakuierung und kein Asyl nach dem Fall von Kabul im vergangenen Jahr erreichen konnten, anzuwerben. Mit solchen Schlussfolgerungen ist die politikwissenschaftliche Fachzeitschrift „Foreign Policy“ an die Öffentlichkeit getreten, wobei sie akzentuierte, dass die zurückgelassenen afghanischen Militärs von der Joseph-Biden-Administration nicht mehr gebraucht worden und entweder in den Iran geflohen oder bei sich in der Heimat in die Illegalität gegangen seien. Ungeachtet der Versprechen der Republikaner, dem Weißen Haus hinsichtlich des Abzugs des ausländischen Kontingents im Jahr 2021 eine Untersuchung zu bescheren, besitzt das Thema eine geringe elektorale Bedeutung.

Seine anklagende Basis entwickelte „Foreign Policy“ unter Berufung auf Gespräche mit ehemaligen Kommando-Soldaten, die fast zwanzig Jahre lang im Schulterschluss mit der NATO gegen die „Taliban“-Bewegung (in der Russischen Föderation als terroristische Organisation verboten) gekämpft hatten. Laut ihren Aussagen würden sie in Messenger-Diensten Angebote hinsichtlich einer Teilnahme an der militärischen Sonderoperation auf dem Territorium der Ukraine erreichen. Die Autorenschaft dieser Mitteilungen wird von „Foreign Policy“ nicht direkt ausgewiesen. Doch die Zeitschrift lenkt die Aufmerksamkeit auf russische private Söldner-Firmen und eine Vermittlerrolle iranischer Ausbilder. Die Armee der Wächter der Islamischen Revolution wurde mehrfach mit Vorwürfen eines Anwerbens von Afghanen – besonders aus den Reihen der Hazara – konfrontiert, vorrangig aber für das Erreichen eigener Kampfaufgaben in Syrien und im Irak.

Entsprechend diesen Einschätzungen würden sich bis zu 10.000 ehemalige Elite-Soldaten, die nach der gescheiterten Evakuation der USA aus Kabul der Willkür des Schicksals überlassen wurden, derzeit auf der Suche nach Arbeit befinden. „Sie haben weder ein Land noch Arbeit und noch eine Zukunft“, beklagte sich einer der Gesprächspartner von „Foreign Policy“. „Sie haben nichts zu verlieren… Sie warten auf Arbeit für drei bis vier Dollar am Tag in Pakistan oder im Iran. Oder für zehn Dollar am Tag in der Türkei“. Nach seinen Worten würden es wenige ablehnen, wenn sich irgendwer von den Ausländern einfach an die ehemaligen Militärs wenden und eintausend Dollar anbieten würde. Die Quelle von „Foreign Policy“ unterstreicht besonders den unter den einstigen Elitesoldaten erhalten gebliebenen Geist einer Bruderschaft. „Wenn Sie einen Jungen finden werden, den man anwerben kann, so ist er in der Lage, die Hälfte seiner alten Einheit zu veranlassen sich anzuschließen“, sagte er.

Die Zeitschrift betont, dass die von den NATO-Ländern zurückgelassenen Militärs, die gegen die Taliban-Einheiten gekämpft hatten, eine tiefe Frustration durchmachen würden, da nicht eine einzige westliche Hauptstadt die Bereitschaft demonstriere, ihnen Asyl zu gewähren. „Wir sind sehr enttäuscht“, sagte einer der ehemaligen Elitemilitärs. „18 Jahre lang haben wir Schulter an Schulter mit amerikanischen, britischen und norwegischen Ausbildern gefährliche Aufgaben erfüllt. Tausende Militärs sind zu den Nachbarn in der Region geflohen, während die Taliban Anhänger der gestürzten Regierung aufspürte und umbrachte. Viele der in Afghanistan zurückgebliebenen Kommando-Soldaten verbergen sich, um eine Festnahme und Hinrichtung zu vermeiden“. Die heutigen Herrschenden in Kabul versichern aber selbst, dass sie eine Rückkehr der ehemaligen Militärs begrüßen würden und ihnen nichts Böses antun wollen.

Im August dieses Jahres hatte eine Gruppe von Kongress-Abgeordneten unter Leitung des Republikaners Michael McCaul ihren Bericht über das Scheitern der Evakuierungsmaßnahmen in Kabul im Jahr 2021 vorgelegt. Die Studie, die von Aussagen von Informanten, Interviews mit Augenzeugen und Daten, die im Verlauf offizieller Reisen von Gesetzgebern nach Südasien gewonnen wurden, ausgeht, enthält eine Kritik an die Adresse der Biden-Administration nicht nur hinsichtlich des nichtdurchdachten Plans zur Beendigung der militärischen und zivilen Präsenz der USA in Afghanistan, sondern auch in Bezug darauf, dass das Weiße Haus den einheimischen Elitemilitärs und Vertretern der bewaffneten und Rechtsschutzorgane, die in erster Linie ins Ausland gebracht werden mussten, unzureichende Priorität eingeräumt hätte.

Nach Einschätzungen des Kongresses sei nur etwa 600 Vertretern der afghanischen Sicherheitskräfte Hilfe bei der Evakuierung gewährt worden. Etwa 3000 ihrer Kollegen hätten in den benachbarten Iran fliehen müssen. Ausgehend davon konstatierten die Kongress-Vertreter, dass die ehemaligen Militärs „angeworben oder für ein Arbeiten für einen der Gegner Amerikas, der eine Präsenz in Afghanistan – inkl. Russland, China oder der Iran – bewahrt, gezwungen werden“. Das Republikaner-Lager bezeichnete diese Wahrscheinlichkeit als eine „ernsthafte Gefahr im Bereich der nationalen Sicherheit“, da, wie die Autoren des Berichts hervorheben, jene, die in den afghanischen Geheimdiensten professionelle Erfahrungen erhalten haben, „mit der Taktik, den Methoden und den Prozeduren der amerikanischen Militärs und der Aufklärungscommunity vertraut sind“.

Die Gegner der Demokraten verhehlen nicht, dass im Falle eines für das Weiße Haus unangenehmen Ausgangs der Midterms zum Kongress, die Anfang November stattfinden, sie eine große Überprüfung hinsichtlich der Qualität der Evakuierungsmaßnahmen des vergangenen Jahres und deren Konsequenzen initiieren können. McCaul hat der Biden-Administration den offenkundigen Versuch vorgeworfen, „das chaotische und todbringende Verlassen Afghanistans unter den Teppich zu kehren“. „Sie hoffen, dass sie die Vollmachten des Kongresses und die Bitten der amerikanischen Bürger und afghanischen Partner ignorieren können, die sich immer noch in einer Falle befinden und die den Wunsch haben, dass dieses Problem irgendwie gelöst wird. Das amerikanische Volk hat aber nichts vergessen, und es will, dass die Zuständigen zur Verantwortung gezogen werden“, unterstrich der Kongress-Abgeordnete.

Dennoch ist das Potenzial des Afghanistan-Dossiers aus der Sicht des Ausübens von Druck auf das Weiße Haus kein so offenkundiges. „Für die Wahlen in Amerika ist dieses Thema bereits abgearbeitet worden“, erklärte der „NG“ Wladimir Frolow, Experte für internationale Beziehungen. „Dort dominieren gegenwärtig andere Themen. Dies ist vor allem die Inflation“. Der Gesprächspartner der „NG“ formulierte aber den Vorbehalt, dass die Republikaner-Partei im Falle des Erlangens einer Kontrolle im Repräsentantenhaus natürlich ihre Afghanistan-Untersuchung starten könnten – neben Überprüfungen in mehreren anderen Richtungen, um Biden das Leben zu vergällen. „Elektoral hat dies aber schon keine Bedeutung“, resümierte Frolow.