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In Kasachstan fürchtet man um die Stabilität des Binnenmarktes


Kasachstan erlebt neue Einschränkungen, die nach Meinung der Offiziellen den Binnenmarkt absichern und Mangelerscheinungen vermeiden sollen. Nach dem Verbot für den Export von Kartoffeln in Länder außerhalb der Eurasischen Wirtschaftsunion folgte ein Verbot für die Ausfuhr von Benzin, Dieselkraftstoff und anderer Erdölprodukte inklusive der Länder der ausgewiesenen Vereinigung. Parallel dazu kündigten die Offiziellen eine schrittweise Liberalisierung der Preise für Kraft- und Schmierstoffe an, wobei die bisherigen maximalen Preise für Benzin und Dieselkraftstoff aufgehoben werden sollen, was unweigerlich zu einer Erhöhung der Kosten für Waren und Dienstleistungen in der Republik führen wird. In Kasachstan trat am 29. Januar ein gemeinsamer Erlass des Energieministeriums, des Komitees für nationale Sicherheit, des Finanz- sowie des Innenministeriums in Kraft, der eine Ausfuhr von Benzin und Dieselkraftstoff per Bahn verbietet. Vorerst für zwei Monate. Jedoch ist im Weiteren eine Verlängerung der Fristen für sein Wirken nicht ausgeschlossen. Dies betrifft die gesamte Wirtschaftstätigkeit, darunter auch Projekte im Rahmen der Eurasischen Wirtschaftsunion. Zuvor war im September vergangenen Jahres ein analoges Verbot für die Ausfuhr von Kraftstoffen per Tanklaster verhängt worden. Anfang Februar können in der Republik die maximalen Preise für Benzin und Dieselkraftstoff aufgehoben werden, was nach Meinung der Offiziellen einen Übergang zur marktwirtschaftlichen Preisbildung bedeute. Wie man im Energieministerium erläuterte, sei diese Maßnahme dazu bestimmt, nicht nur den Mangel an Kraftstoffen zu überwinden, sondern auch günstige Bedingungen für eine Modernisierung des gesamten Sektors zu schaffen. Das Ministerium versicherte, dass die Veränderungen fließende und voraussagbare sein werden. Und für den Schutz der Interessen der Bürger würden die Maßnahmen für eine soziale Unterstützung beibehalten werden. Die Agrarerzeuger werden derweil einen garantierten Zugang zu Dieselkraftstoff entsprechend transparenten Schemen und zu akzeptablen Preisen erhalten, heißt es in einer offiziellen Pressemitteilung. Energieminister Almasadam Satkalijew prognostizierte seinerseits einen möglichen Anstieg der Benzinpreise um das Anderthalbfache, wobei er unterstrich, dass die aktuellen Preise für Kraftstoffe in Kasachstan zu den geringsten in der Welt gehören. Diese Preissituation provoziere aber nach Aussagen des Ministers einen Mangel, behindere die Modernisierung der Branche und fördere den illegalen Export von Kraftstoffen. Die Ursache des Problems liege aber, wie Experten erklären, tiefer als einfach in den geringen Preisen auf dem Inlandsmarkt. Der regelmäßig auftretende Mangel an Kraftstoffen und als Konsequenz das schleichende Ansteigen der Preise werden durch die wesentliche Differenz zwischen den Exportpreisen und den Preisen auf dem Binnenmarkt bedingt. Gerade diese Diskrepanz machte für die Erzeuger den Export von Kraftstoffen zu einem vorteilhafteren als die Versorgung der einheimischen Tankstellen mit Kraftstoffen. Anders gesagt: Die Attraktivität der Auslandsmärkte ließ die Notwendigkeit einer Sättigung des Binnenmarktes in den Hintergrund rücken, was auch zu den Mangelerscheinungen führte. Zuvor hatte man ab dem 28. Januar die Ausfuhr von Kartoffeln für die Dauer von sechs Monaten eingeschränkt. Eine Ausnahme ist nur für die Länder der Eurasischen Wirtschaftsunion gemacht worden. Vizepremierminister und Minister für nationale Wirtschaft, Serik Shumangarin erläuterte auf einer Pressekonferenz, dass man das Verbot verhängt habe, um die Preise zu stabilisieren. Laut Angaben der Landesregierung war im vergangenen Jahr der Export von Kartoffeln um das 1,5fache im Zusammenhang mit der gestiegenen Nachfrage seitens der Nachbarländer, insbesondere Usbekistans, und der hohen Exportpreise gewachsen. „Täglich bis zu 1600 Tonnen Kartoffeln hatte man auszuführen begonnen. Der Preis schnellte von 120 Tenge bis auf 500 Tenge (von umgerechnet etwa 20 Cent bis auf 90 Cent je Kilogramm – Anmerkung der Redaktion) hoch. Drastisch, buchstäblich innerhalb weniger Tage. Daher waren wir gezwungen gewesen, Maßnahmen zu ergreifen. Vor allem, um die einheimischen Verbraucher zu schützen“, sagte Serik Shumangarin. Die Verteuerung der Kartoffeln wirkte sich sofort auf die Nachfrage aus. Es ging so weit, dass man in den Supermärkten von Astana Einschränkungen für den Verkauf von Kartoffeln einführte – maximal fünf Kilogramm pro Kunde. Dabei erklärten die einheimischen Behörden, dass es in der Hauptstadt keinen Mangel an Kartoffeln gebe, meldete die russische Nachrichtenagentur Interfax. Laut Angaben des Landwirtschaftsministeriums der Republik seien die vorhandenen Vorräte an Kartoffeln für eine vollständige Deckung des Inlandsbedarfs bis zu den ersten Kartoffeln dieses Jahres ausreichend. Die Vorräte beliefen sich mit Stand vom 19. Januar auf mehr als 850.000 Tonnen, ohne die Vorräte in den Handelsketten zu berücksichtigen (600.000 Tonnen bei der Vereinigung der Kartoffelanbauer, 68.000 Tonnen in den Stabilisierungsfonds und 200.000 Tonnen in den kleinen Anbaubetrieben). Hauptursache für den drastischen Anstieg der Preise für Kartoffeln in Kasachstan ist deren Mangel, der zu einem Ergebnis der überhöhten Angaben über die Ernte des Jahres 2024 geworden war, meint Toleutai Rachimbekow, Experte für Agrarpolitik. Laut offiziellen Berichten wurden 2,9 Millionen Tonnen Kartoffeln erzeugt, was die Inlandsnachfrage von zwei Millionen Tonnen übersteigt. Jedoch sei, wie Rachimbekow erklärte, „der reale Ernteertrag erheblich geringer gewesen, möglicherweise rund eine Million Tonnen“. „Die übrigen 1,9 Millionen Tonnen sind geschönte Zahlen der Beamten, die bestrebt sind, gute Werte auszuweisen. Gerade diese Differenz zwischen der realen und der erklärten erzeugten Menge führte zu einem Mangel und als Folge zu einem drastischen Preisanstieg, ungeachtet des Exports von 600.000 Tonnen nach Usbekistan“, zitierte das Nachrichtenportal www.orda.kz den Experten. Die Situation werde nach Meinung von Rachimbekow dadurch verschlimmert, dass die Erzeugung von Kartoffeln in den letzten Jahrzehnten zurückgegangen ist, da die früheren Sowchose verfielen, und den Bauern mangelt es an Mitteln für Qualitätssamen, Dünger und Technik. Außerdem haben sich die Flächen der zu bewässernden Böden verringert. Im Ergebnis dessen ging der reale Ernteertrag des vergangenen Jahres schnell aus, und bereits im November begann ein Ansteigen der Preise aufgrund des Mangels an Kartoffeln auf dem Markt. Eine analoge Situation gestalte sich nach Meinung des Experten auch mit dem Gemüse. Rachimbekow ist der Annahme, dass die realen erzeugten Mengen an Gemüse in Kasachstan nur ein Zehntel der offiziellen Angaben des Landwirtschaftsministeriums ausmachen. Für die Lösung der sich angesammelten Probleme im Agrar-Industrie-Komplex sei nach Meinung des Experten ein komplexes und systematisches Vorgehen nötig. In erster Linie müsse die aktuelle staatliche Agrarpolitik einer Revision unterzogen werden, die veraltet sei, denn sie war Ende der 1990er/Anfang der 2000er ausgearbeitet worden. Sie müsse die heutigen Realitäten berücksichtigen, solche wie die globalen Klimaveränderungen, die umfangreiche Degradierung der Böden und das Dominieren einer Warenproduktion geringen Umfangs. Die zu Beginn des Beitrags erwähnten Schutzmaßnahmen waren nach Bilanzierung der sozial-ökonomischen Entwicklung des Landes im Jahr 2024 und Festlegung der Hauptaufgaben für den anstehenden Zeitraum im Verlauf einer erweiterten Regierungssitzung unter Beteiligung von Präsident Qassym-Schomart Tokajew verabschiedet worden. Kasachstans Premierminister Olschas Bektenow betonte die Verlangsamung das Wirtschaftswachstums der Republik, das 4,8 Prozent ausmachte. Tokajew, der das Tempo des Wirtschaftswachstums als unzureichendes bewertete, stellte der Regierung eine Reihe von Aufgaben für die nächsten fünf Jahre. Zur gleichen Zeit unterstrich Tokajew die Notwendigkeit einer konsequenten Haushaltsdisziplin und strengen Kontrolle der Ausgaben zwecks Vermeidung einer Wirtschaftsstagnation. Die Aktualität dieser Maßnahme wird durch das chronische Loch im Staatshaushalt bedingt, das im laufenden Jahr laut Prognosen sieben bis acht Trillionen Tenge (umgerechnet ca. 15 Milliarden Dollar) ausmachen kann.