Unabhängige Zeitung

Private Tageszeitung

In Kiew will man die Amtszeit von Präsident Selenskij verlängern


Im Verlauf einer speziellen Kampagne, die durch ukrainische Massenmedien gestartet wurde und von der EU finanziert wird, sollte augenscheinlich sowohl die einheimische Bevölkerung als auch die ausländischen Partner von der Legitimität des Präsidenten der Ukraine, Wladimir Selenskij, auch nach dem endgültigen Ablauf seiner Vollmachten am 21. Mai 2024 überzeugen. Diese These wird gleichfalls in einem Beitrag von Maxim Wichrow, einem Analytiker des Zentrums für strategische Kommunikation und Informationssicherheit, formuliert, der die aufgekommenen Zweifel mit dem Wirken der russischen Propaganda begründete.

Im Rahmen der „Allumfassenden Informations- und Aufklärungskampagne zur Bekämpfung von Desinformationen“ ist ein Beitrag des Analytikers des Zentrums für strategische Kommunikation und Informationssicherheit Maxim Wichrow veröffentlicht worden, der dem 5. Jahrestag der Amtseinführung von Selenskij gewidmet ist.

Bekanntlich hatte er am 20. Mai 2019 sein Amt angetreten. Und nach Ablauf der fünfjährigen Geltungsdauer der Vollmachten müsste er entsprechend der Landesverfassung die Macht an einen neugewählten Nachfolger übergeben. In Kiew hatte man jedoch unter Verweis auf den regelmäßig verlängerten Kriegszustand unter den Bedingungen der seit Februar 2022 andauernden großangelegten Kampfhandlungen gegen die Streitkräfte der Russischen Föderation weder Parlaments- (für Oktober des vergangenen Jahres) noch Präsidentschaftswahlen (für März dieses Jahres) anberaumt. Wobei gleich betont werden muss, dass im Unterschied zur Werchowna Rada der Ukraine (das Landesparlament – Anmerkung der Redaktion), deren Wahl man entsprechend der Gesetzgebung verschieben kann, sie daher berechtigt ist, ihre Tätigkeit auch weiterhin fortzusetzen, derartige Vorbehalte für das amtierende Staatsoberhaupt nicht vorgesehen sind.

Unter solchen Bedingungen erläuterte der Autor des eingangs erwähnten Artikels alle Zweifel bezüglich der weiteren Legitimität von Selenskij mit entsprechenden Attacken und Aussagen Moskaus. Nach seiner Auffassung sei die russische Seite bestrebt, die ukrainischen Machtstrukturen zu destabilisieren und Chaos im Land zu schüren. Und mit diesem Ziel versuche Moskau, den Einwohnern der Ukraine zu suggerieren, dass „nach Ablauf der fünfjährigen Kadenz der Präsident der Ukraine seine Legitimität verliert und sich in einen „Usurpator“ verwandelt“. Die in der Russischen Föderation artikulierten „Pseudoargumente juristischer Art sehen jedoch am anfechtbarsten aus, da schon längst der Punkt aufs „i“ gesetzt worden ist. Die Verschiebung der Präsidentschaftswahlen und die Verlängerung der Vollmachten Selenskij sind durch die geltende Gesetzgebung erlaubt worden und widersprechen nicht der Verfassung der Ukraine“, argumentierte Wichrow. Und er verwies gleichfalls darauf, dass noch ein Ziel der russischen „Desinformatoren“ darin bestehe, die Legitimität der ukrainischen Führung im Vorfeld des globalen Friedensgipfels, der am 15. und 16. Juni in der Schweiz stattfinden soll, in Zweifel zu ziehen. „Die Bedeutung dieses Ereignisses ist für die Ukraine schwer zu überschätzen. Gerade dort wird die Formel für einen gerechten Frieden, die durch Selenskij vorgeschlagen wurde, erörtert“, betonte der Analytiker. Gerade daher unternehme Moskau gewaltige Anstrengungen, fügte er hinzu, vorab „so viel wie möglich Teilnehmerstaaten zu entmutigen“.

Allerdings hätten die potenziellen Teilnehmer der anstehenden Diskussion Grund, sich als entmutigte zu fühlen, behauptete der Ex-Abgeordnete der Werchowna Rada Wladimir Oleinik (Vertreter der Kommunistischen Partei der Ukraine) gegenüber der „NG“, der noch im Jahr 2010 als ein Verdienter Jurist der Ukraine anerkannt wurde. Er erinnerte daran, dass man zwar Wladimir Selenskij (von der Ausbildung her auch ein Jurist) in den ersten Tagen nach Antritt seines Präsidentenamtes auf einer Kinderbuchausstellung in Lwow ein Exemplar der Verfassung der Ukraine geschenkt hätte, er sie aber allem Anschein nach nicht gelesen hätte. Andernfalls hätte er wissen müssen, dass entsprechend der Gesetzgebung das ukrainische Parlament auch unter den aktuellen realen Bedingungen ein rechtmäßiges bleibe, während die Situation hinsichtlich des Präsidenten eine andere sei: Für ihn seien keine Verschiebung der Wahlen und die Möglichkeit einer automatischen Prolongierung der Vollmachten vorgesehen. Dabei seien auch die traditionellen Verweise der Kiewer Rechtsexperten auf Verfassungsartikel 108 nicht berechtigt, in dem festgeschrieben wurde, dass der Präsident seine Pflichten bis zur Amtseinführung des neugewählten Staatsoberhauptes wahrnehme. Da durch diesen Artikel jene Fälle geregelt werden, wenn sich der Amtsantritt des neuen Präsidenten auf irgendeine Weise verzögert. So geschah es auch im Jahr 2010. Damals hatte der scheidende ukrainische Präsident Viktor Justschenko (der am 23. Januar 2005 vereidigt worden war) seine Vollmachten nicht im Januar, sondern am 25. Februar 2010 – am Tag der Amtseinführung seines Nachfolgers Viktor Janukowitsch – übergeben. Danach hatte im Übrigen bereits im Jahr 2019 das Verfassungsgericht der Ukraine auf Anfrage des damaligen Staatsoberhauptes Pjotr Poroschenko noch einmal bestätigt, dass die Dauer der Vollmachten des ukrainischen Staatsoberhauptes fünf Jahre ausmache. Vom Prinzip her konnten sich auch die gegenwärtigen Kiewer Führungskräfte zwecks Erläuterungen an das Verfassungsgericht wenden. Augenscheinlich hätten sie aber Angst gehabt, dies zu tun, da sie sich nicht der Kontrollierbarkeit der Richter sicher gewesen seien, vermutete Oleinik.

Unter den heutigen Bedingungen, unter denen im Land eine Wirtschafts- und politische Krise zu beobachten sei und sich an der Front die Angelegenheiten ganz und gar katastrophal gestalten würden, würde sich bei den Durchschnittsbürgern immer mehr die Empfindung verstärken, dass der Kaiser doch kein echter sei, unkte der 67jährige Kommunist. In der Europäischen Union hätte man auch schon begriffen, dass es da ein Problem gebe. Und daher hätte man auch zugestimmt, die von Kiew begonnene „Informations- und Aufklärungskampagne“ zu finanzieren, in deren Verlauf man der Bevölkerung die Legitimität von Präsident Selenskij versichern wolle. Obgleich, je mehr man dies behaupten werde, desto weniger würden die Ukrainer dem Glauben schenken. Wobei die Frage nach der Legitimität des Status des amtierenden ukrainischen Präsidenten auch aus der Sicht der künftigen Friedensvereinbarungen (zu den Bedingungen Moskaus – Anmerkung der Redaktion) wichtig sei, da seine kommenden Nachfolger im Weiteren neben der Unterschrift des Kiewer Unterzeichners auch das Dokument an sich anfechten könnten, präzisierte der Ex-Abgeordnete der Werchowna Rada.

Bemerkenswert ist, dass am Mittwoch Medien auch Erläuterungen des Außenministeriums der Schweiz zu den Zielen des anstehenden „Friedensgipfels“ veröffentlichten. Diese Ziele würden darin bestehen, einen Weg für einen künftigen Friedensprozess zu bahnen und dafür praktische Elemente auszuarbeiten, aber auch den Teilnehmern des Summits die Möglichkeit einzuräumen, Vorschläge für die Gewährleistung eines gerechten und langanhaltenden Friedens im ukrainischen Staat zu unterbreiten, wurde in einer Erklärung des eidgenössischen Außenministeriums betont.

Post Scriptum

Moskau, das nicht zum erwähnten Friedensgipfel eingeladen wurde, sieht ihn als einen sinnlosen. Dabei hofft man in der russischen Hauptstadt, dass Vertreter Pekings nicht an der Friedenskonferenz in der Schweiz am 15. und 16. Juni teilnehmen. China hat noch nicht zugesagt, gilt wegen seines Einflusses auf Moskau jedoch als entscheidender Teilnehmer. Demonstrativ hat Putin daher die chinesische «Friedensinitiative» am Donnerstag bei seinem Peking-Besuch gelobt, in der von «legitimen Sicherheitsinteressen» aller Staaten die Rede ist.

China hatte vor mehr als einem Jahr einen Zwölf-Punkte-Plan zur Beilegung der «Ukraine-Krise» veröffentlicht. Darin forderte Peking, die Bedenken aller Länder ernst zu nehmen. Detaillierte Lösungsvorschläge kamen nicht vor, weshalb der Plan international auf Kritik stieß.