In Kirgisien sind seit dem 7. September für einen Monat alle Waffengeschäfte geschlossen und die Ausstellung von Lizenzen für das Tragen, die Verwendung und Aufbewahrung von Waffen verboten worden. Die erhöhten Sicherheitsmaßnahmen sind im Zusammenhang mit dem Beginn der Kampagne zu den Parlamentswahlen am 4. Oktober getroffen worden. Wie der Präsident der Republik, Sooronbai Dscheenbekow, erklärte, „gibt es Kräfte, die die Wahlen für ein Ins-Schaukeln-bringen der politischen Situation ausnutzen wollen“.
An der Wahlkampagne sollten anfangs 15 Parteien teilnehmen. Nicht alle politischen Organisationen, die in das Jogorku Kengesh (kirgisisch: Oberster Rat, das Parlament) gelangen wollten, konnten die Registrierung in der Zentralen Wahlkommission Kirgisiens durchlaufen. Unter anderem wurde zwei Vereinigungen – „Butun Kyrgystan“ („Einiges Kyrgystan“) und „Aktiv“ – die Registrierung verwehrt. Am Dienstag kamen deren Anhänger zu einem Meeting am Gebäude des Gerichts zusammen, welches die Beschwerde gegen die Entscheidung der Zentralen Wahlkommission behandelte.
Der Vorsitzende von „Butun Kyrgystan“, Adachan Madumarow, versicherte, dass sie unbedingt einen Ausweg aus der entstandenen Situation finden würden. Sein Mitstreiter, der stellvertretende Sekretär des Sicherheitsrates Kirgisiens, Generalmajor Omurbek Suwanalijew, „betonte, dass die um ihre Partei entstandene Situation lediglich ein Anlass ist“. Seinen Worten zufolge hätte die Aufgabe gestanden, die Kandidaten von der Partei „Butun Kyrgystan“ nicht ins Parlament zu lassen, da es sein Antlitz verändern würde. „Das Parlament hätte anders gearbeitet. Ausgehend davon hatten die politischen Kräfte, die den Regierenden nahestehen, beschlossen, uns aus dem Wege zu räumen. Wir werden kämpfen. Dies ist ein politischer Auftrag. Wir werden uns bemühen, dies auf dem Gerichtsweg zu beweisen. Wenn das Gericht die Seite der Herrschenden einnimmt, werden wir natürlich die verfassungsmäßigen Rechte verteidigen“, hatte er erklärt. Zu einer Eskalierung der Situation um die Madumarow-Partei wird es aber nicht kommen, da am Mittwoch das Verwaltungsgericht von Bischkek eine Entscheidung gegen die Zentrale Wahlkommission fällte. Deren Argumente zugunsten der Nichtregistrierung wurden als haltlose zurückgewiesen, so dass nunmehr 16 Parteien ihren Wahlkampf führen werden.
Bei dem im August abgehaltenen Parteitag von „Butun Kyrgystan“ hatte Suwanalijew mitgeteilt, dass die Regierenden des Landes den Kampf gegen die Kriminalität verloren hätten: „Hinter einer Reihe von Parteien, die sich anschicken, an den Parlamentswahlen teilzunehmen, stehen „Schwarze“ (Vertreter organisierter krimineller Gruppierungen – Anmerkung der Redaktion), denen viele Kandidaten dienen. Im Parlament Kyrgystan, überall spricht von der Korruption. Aber keiner sagt, dass an der Spitze der Korruption organisierte kriminelle Gruppierungen stehen, die alles leiten. Man hat Angst, dass man ihnen morgen eins auf den Schädel gibt, denn die Regierenden haben gegen die organisierten kriminellen Gruppierungen verloren.“
Oberst Toktogul Kaktschekejew, ein kirgisischer Militärexperte, würdigte die Erklärung von Suwanalijew als „eine mutige und gerechte Bewertung eines Kollegen im Rechtsschutzsystem“. Er betonte, dass laut veröffentlichten Angaben über die Kandidaten von allen Parteien rund 300 Personen durch Gerichte verurteilt worden waren, aber nunmehr nicht mehr als vorbestraft gelten. Und gegen weitere 55 Personen laufen Untersuchungsverfahren. „Es sei daran erinnert, dass in vielen Ländern Menschen mit einer Vorbestrafung auf Lebenszeit nicht zu einer Arbeit in staatlichen und munizipalen Diensten unabhängig von der Aufhebung der Vorstrafen zugelassen. Diese Länder besitzen staatliche Erfahrungen, die Jahrhunderte zurückreichen. Die Zulassung von Kriminellen mit einem verbrecherischen Verhalten wird dem Staat teuer zu stehen kommen“, meint Kaktschekejew.
Iskhak Masalijew, ein Staatsfunktionär und Politiker sowie mehrfach wiedergewählter Abgeordneter des Parlaments, hat es dieses Mal abgelehnt, an den Wahlen teilzunehmen, wobei er erklärte, dass er früher mit solch einer Willkür nicht konfrontiert worden sei.
Derweil haben die Parteien ihre Agitationskampagnen begonnen. Aufgrund des Coronavirus und der in der Republik verhängten Quarantäne steht für das Buhlen um die Wählergunst weniger Zeit zur Verfügung. Im Zusammenhang damit sagte der kirgisische Experte Asilbek Egemberdijew gegenüber der „NG“: „In unserem kyrgysischen Kolosseum haben bereits richtige Gladiatorenkämpfe, Intrigen, Skandale und Streitereien begonnen“. Seinen Worten zufolge glaube man in der Gesellschaft nicht, dass ins Parlament Abgeordnete kommen werden, die in der Lage sind, die Republik aus den Ruinen zu heben, Arbeitsplätze zu schaffen und die Familien zu vereinen, die durch die Arbeitsmigration auseinandergerissen worden sind.
Die Parteien haben keine klaren Programme für ein Herausführen des Landes aus der Krise, dafür aber unerfüllbare Versprechen im Überfluss. Die Partei „Republik“ beispielsweise ist bereit, das Institut des Präsidenten zu liquidieren und die Anzahl der Abgeordneten zu reduzieren. Und dies ist nicht das Schlimmste.
„Das Programm der Partei „Mekenim Kyrgystan“ ist einer Verhöhnung des gesunden Menschenverstands und der ganzen Nation: Kyrgystan ist ein regionales Logistikzentrum unter Ausnutzung des Potenzials von China, die Priorität sind eine Erweiterung der Transport- und Logistikmöglichkeiten und ein freier Warenverkehr. Keiner hat noch nicht so korrekt die Interessen von Rayimbek Matrayimov, der als Rayim-Million (der ehemalige stellvertretende Leiter des kirgisischen Zolls, der hinter dieser Partei steht – „NG“) bekannt ist, beschrieben“, meint der Jurist und Aktivist der Bewegung „Umut-2020“ Nursultan Akylbek.
Allerdings haben sich die kirgisischen Politiker nie besonders bei den Programmen angestrengt, wobei sie es vorgezogen haben, einfach Wählerstimmen für 2.000 Som (rund 21,5 Euro) zu kaufen. Dies weiß auch Präsident Sooronbai Dscheenbekow. In einem erneuten Interview für den Hörfunksender „Birintschi Radio“ erklärte er, dass es eine persönliche Angelegenheit eines jeden von uns sei, „seine Stimme zu verkaufen oder nicht zu verkaufen… Keiner kann einen Menschen zwingen, sich darauf einzulassen“, betonte das Staatsoberhaupt. Seinen Worten zufolge liege die Verantwortung für ehrliche und saubere Wahlen nicht nur auf der Staatsmacht, sondern auch auf jedem Wähler.
Der Kauf von Wählerstimmen ist jedoch ein Verbrechen und eine Gesetzesverletzung sowohl seitens des Bürgers, wenn er verkauft, als auch seitens des Politikers, der kauft. Und folglich ist die Korruptionsbekämpfung in Kirgisien leeres Gerede seitens der Machtvertreter. Dennoch ist der kirgisische Staatschef der Meinung, dass die Wahlen ehrlich stattfinden würden. Obgleich es seinen Worten zufolge jene gebe, die versuchen würden, die Menschen vom Gegenteil zu überzeugen. „Zu vernehmen sind bereits die Aufrufe, bereit zu sein, um auf die Straßen zu gehen. Wir hören dies alles“, erklärte Präsident Dscheenbekow. Seinen Worten zufolge würden gegen solche Kräfte alle notwendigen präventiven Maßnahmen ergriffen. Diese Frage wurde bereits im Sicherheitsrat des Landes erörtert. Der Präsident erinnerte daran, dass die Volksunruhen, ausgelöst durch den Unmut über die Wahlergebnisse, zweimal zu Revolutionen ausgeufert seien. Dcheenbekow versprach, dass es seinerseits und seitens des Apparates ein gleichartiges Verhältnis gegenüber allen Wahlteilnehmern geben werde. „Meine Hauptaufgabe als Präsident ist es, die Stabilität im Land, den Frieden und die Sicherheit in der Gesellschaft aufrechtzuerhalten. Ich werde diese Aufgabe erfüllen. Keiner von jenen, die die Wahlen für ein Ins-Schwanken-bringen der Situation im Land ausnutzen wollen, um politisch zu punkten, bleibt ohne Beachtung“, unterstrich das Staatsoberhaupt.