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In Kirgisien will man erneut auf die Glücksspiel-Industrie setzen


Im Parlament Kirgisiens befand sich eine Gesetzesvorlage über die Legalisierung des Glücksspiels auf dem Territorium der Republik, die im Eilverfahren angenommen wurde. Zur entsprechenden Sitzung des Parlaments waren Premierminister Akylbek Dschaparow und der Vorsitzende des Staatskomitees für nationale Sicherheit (SKNS), Kamtschibek Taschijew, gekommen. Man brauchte nicht zu bezweifeln, dass das Dokument unter der verstärkten Aufmerksamkeit des SKNS verabschiedet wird. Ein Großteil der Gesellschaft und besonders der Klerus sind jedoch kategorisch gegen eine Wiedergeburt der Glücksspiel-Industrie im Land, die vor zehn Jahren verboten worden war. Wie der Vorsitzende der Fraktion der Partei „Butun Kirgisistan“ (deutsch: „Einiges Kirgisistan“), Adachan Madumarow, der „NG“ sagte, werde auf die Abgeordneten Druck ausgeübt und die Annahme des Dokuments werde zu einer Zäsur zwischen den Herrschenden und der Gesellschaft.

Zuvor hatte der Ausschuss für Haushalts-, Wirtschafts- und Steuerpolitik den Gesetzentwurf über die Legalisierung der Glücksspielindustrie gebilligt. Die entsprechende Sitzung erfolgte hinter verschlossenen Türen sowie mit abgeschalteten Mikrofonen und Aufzeichnungsgeräten. Entsprechend einer eindringlichen Bitte der Vertreter des Ministerkabinetts haben die Abgeordneten das Dokument gleich in der zweiten und dritten Lesung verabschiedet.

Es sei daran erinnert, dass das Dokument bereits im April in erster Lesung verabschiedet worden war. Die weitere Behandlung war aber aufgrund des in der islamischen Welt begonnenen heiligen Monats Ramadan ausgesetzt worden. Wahrscheinlich war aber auch Zeit nötig gewesen, um die Abgeordneten davon zu überzeugen, diese Gesetzesvorlage zu unterstützen.

Das Lobbyieren und Agitieren für dieses Gesetz erfolgen mit einer vollkommenen Unterstützung von Präsident Sadyr Dschaparow. Nach seiner Meinung „ist ein Casino kein größeres Übel als Alkohol und Tabak“. In einem Interview für das Internetportal Kabar erklärte er, dass, wenn man das Gesetz verabschiede und es in Kraft trete, „wir 15 bis 20 Casinos kontrollieren können. Andernfalls: Was sind wir für ein Staat?“. Mehr noch, auf Vorschlag des Staatsoberhauptes sollte man nicht nur am Issyk-Kul (der größte See in Kirgisistan und mit 6236 km² Fläche der zweitgrößte Gebirgssee der Erde – Anmerkung der Redaktion) und im Verwaltungsgebiet Batken eröffnen, wie ursprünglich vorgeschlagen worden war, sondern auch in Bischkek und in allen Hauptstädten der Verwaltungsgebiete. Der Besitzer eines Casinos werde für eine bis anderthalb Millionen Dollar eine Lizenz erwerben, präzisierte Präsident Dschaparow. „Wenn aber in den Casinos Kirgisen spielen werden, wird die Lizenz annulliert und die Spieler zur Verantwortung gezogen“, erklärte das Staatsoberhaupt. In den Casinos würden entsprechend der Absicht der Herrschenden nur reiche Touristen spielen. Die Beamten verweisen dabei auf Erfahrungen verschiedener Länder der Welt, wo Casinos funktionieren, wobei sie aber nicht die historische sowie die geistig-moralische Spezifik Kirgisiens berücksichtigen.

Im Wirtschaftsministerium Kirgisiens hat man berechnet, dass die Glücksspiel-Industrie der Republik Haushaltseinnahmen im Umfang von drei bis fünf Milliarden Som im Jahr (bis zu 60 Millionen Dollar) bringen werde. Bis zu 5.000 Menschen würden Arbeit bekommen. Und dies seien sowohl Einkommenssteuern von mehr als einer Million Dollar als auch Abführungen von Versicherungsbeiträgen in einem Umfang von 2,5 Millionen Dollar im Jahr. Die Legalisierung von Casinos werde diese Industrie aus dem Graubereich herausführen, die Haushaltseinnahmen erhöhen, aber auch noch eine multiplikative Wirkung sichern. Dies sei besonders jetzt wichtig, da im Land die Errichtung des Kambar-Atin-Wasserkraftwerkes 1 begonnen habe, für das die Gelder bisher aus dem Landesetat kommen.

In Kirgisien hat es bereits Erfahrungen aus dem Funktionieren von Casinos bis zum Jahr 2012 gegeben, doch das Land ist nicht reicher geworden. Nach Aussagen des Abgeordneten Adachan Madumarow hätten die Einnahmen aus den Glücksspieleinrichtungen selbst in den besten Zeiten nur rund eine Million Dollar im Jahr ausgemacht. „Die Casinos wurden auf Drängen der Gesellschaft geschlossen. Die Spieler hatten all ihr verdientes Geld verloren, Wohnungen und Autos als Pfand überlassen, Familien waren ohne Existenzmittel auf der Straße geblieben. Und wieviel Suizide es gegeben hatte! Dies war eine Tragödie. Dort wo ein Casino ist, da gibt es einen illegalen Umsatz von Drogen, Prostitution und alle Arten von Kriminalität. Dies begleitet stets gerade die Glücksspiel-Industrie. Und dass die Vertreter der obersten Führungsriege hartnäckig den Gesetzentwurf durchboxen, belegt nur, dass dies im Interesse einer bestimmten Gruppe von Personen im Hintergrund ist, die der Präsident unterstützt. Allem nach zu urteilen ist er entweder irgendwem etwas schuldig oder hat das Selbsterhaltungsgefühl verloren“, sagte Madumarow der „NG“.

Nach seinen Worten seien viele Abgeordnete mit dieser Gesetzesvorlage nicht einverstanden. Aber nicht alle von ihnen könnten sich offen der exekutiven Gewalt entgegenstellen. Auf sie werde Druck ausgeübt. So hatte Parlamentschef Talant Mamytow unter Verletzung des Reglements Gespräche mit allen Faktionschefs durchgeführt, außer mit den Vorsitzenden der Fraktionen von „Butun Kirgisistan“ und „Yiman Nuru“. Wie Madumarow betonte: „Uns hatte man nicht eingeladen, weil man weiß, dass man sich mit uns nicht einigen kann“.

Mehr noch, die Abgeordneten hatte man nicht vorgewarnt, dass die Gesetzesvorlage zur Abstimmung gebracht werde, damit alle an ihren Plätzen sind. Laut Reglement stehen ihnen 72 Stunden für das Studium eines Dokuments zu. Die exekutive Gewalt wendet aber in den Fällen, wenn ein Teil der Abgeordneten nicht einverstanden ist, die Praxis des „Überraschungseffekts“ an. Dies ist der Fall, wenn der Vertreter des Präsidenten und der Regierung im Parlament, Almasbek Abyschew, im Verlauf einer Sitzung überraschend vorschlägt, für das eine oder andere „gebrauchte“ Dokumente abzustimmen und viele dies nicht ablehnen können. So hatte er am vergangenen Mittwoch diesen Gesetzentwurf unterbreitet und gebeten, ihn gleich in zwei Lesungen – der zweiten und dritten – zu verabschieden.

„Dies ist eine volksfeindliche und eine staatsfeindliche Politik, die zu einer Spaltung der Herrschenden mit der Gesellschaft führt“, meint Madumarow. Der Parlamentarier erläuterte, dass die Einwohner des Landes unabhängig von der konfessionellen Bindung recht konservativ seien und sich an jene Werte halten würden, die der Islam, das Christentum, der Judaismus und die anderen im Land vertretenen Religionen predigen.

„Ungeachtet dessen, dass der Klerus der Republik gegen derartige Pläne auftrat, bestehen die Vertreter der Machtorgane weiterhin auf eine Legalisierung der Casinos. Solch eine Hartnäckigkeit führe unweigerlich zu dem Gedanken, dass die oberste Machtriege ihre Schuld entweder gegenüber äußeren oder gegenüber inneren Kräften abarbeitet. Unter Berücksichtigung dessen, dass Casinos stets eine Interessenssphäre Krimineller sind, wird man wohl kaum darauf hoffen können, dass es in Kirgisien anders sein wird“, sagte der „NG“ der Direktor der Agentur für ethnonationale Strategien, Alexander Kobrinskij.

„Wenn die Casinos für Ausländer bestimmt sind, so ganz bestimmt nicht für Kasachen, die eine Glücksspielzone am Stausee Kaptschagai (heute: Konajew, 70 Kilometer von Almaty entfernt – „NG“) haben. Die Wahrscheinlichkeit dessen, dass Tadschiken oder Usbeken kommen werden, tendiert gleichfalls gen null. Russland hat seine eigenen Glücksspielzonen. Ja, und Bürger Russlands werden wohl kaum massenhaft nach Kirgisien zum Spielen kommen. Bleiben Touristen aus arabischen Ländern oder aus China. Aber es wird auch nicht so viele von ihnen geben. Und ein Einzug von Chinesen nach Kirgisien über Casinos kann in der Perspektive ein recht trauriges Ergebnis für die Zukunft des Landes haben. Somit gibt es nicht einen einzigen positiven Aspekt. Außer den, dass die herrschende Elite irgendwelchen Kräften im Hintergrund Schulden zurückzahlt“, nimmt der Experte an. Nach seiner Meinung sei die Eröffnung von Casinos in armen Ländern eine endgültige Vernichtung der Bürger. Selbst wenn sie nicht spielen würden, so würden sie doch in den Graubereich dieses Business und ins Kriminelle involviert, in das unweigerlich auch die Strukturen der Sicherheits- und Rechtsschutzorgane hineingezogen werden würden. „Die Offiziellen haben unzureichend gut die Konsequenzen der Entwicklung einer Glücksspiel-Sphäre durchgerechnet, deren Einnahmen geringer als die erwarteten ausfallen können. Die negativen Folgen werden sie aber erheblich übersteigen“, resümierte Kobrinskij.