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In Minsk soll ein Pantheon für die Nationalhelden geschaffen werden


In Weißrussland erarbeitet man Empfehlungen für die Realisierung einer einheitlichen Staatspolitik im Bereich der historischen Erinnerungen. Der Leiter der Präsidialadministration Igor Sergejenko erklärte, dass ein „Pantheon für die nationalen Helden“ geschaffen und ein Denkmal zu Ehren der Einheit des Volkes errichtet werden. Derweil sind die Symbole, Helden und Orientierungspunkte der weißrussischen Opposition und jener, die die Herrschenden unterstützen, unterschiedliche. In Minsk begannen am 17. Mai die Veranstaltungen der auswärtigen Tagung des Rates der Parlamentarischen Vollversammlung der Organisation des Vertrages über kollektive Sicherheit. Und Swetlana Tichanowskaja nahm im Namen von Weißrussland am dritten Summit des Europarates in Reykjavik teil.

Auf dem Oktoberplatz in Minsk plant man, das Monument „Belarus – ein geeintes“ zu errichten. Dies berichtete Kulturminister Anatolij Markewitsch im Verlauf einer Sitzung des Republiksrates für Geschichtspolitik. Im Zentrum der künftigen Komposition wird eine gigantische Figur, die Belarus verkörpert, mit der Flagge des Landes in einer Hand und einem Kind an der anderen stehen. Und um sie sollen Figuren angeordnet werden, die die Verwaltungsgebiete symbolisieren. Den Sockel werden Hochreliefs schmücken, die über die Landesgeschichte berichten werden.

Damit aber hatte es der Rat für Geschichtspolitik, der im vergangenen Jahr durch eine spezielle Anordnung von Alexander Lukaschenko etabliert wurde, nicht belassen. Igor Sergejenko, der Präsidialamtschef, erklärte, dass nach der Jahresbotschaft des Präsidenten an das weißrussische Volk und Parlament ein Protokoll mit Aufträgen des Staatsoberhauptes formuliert wurde. Einer von ihnen ist der Arbeit des Rates gewidmet. Für ihn wurde die Aufgabe gestellt, „Empfehlungen zur Durchführung einer einheitlichen staatlichen Politik im Bereich der historischen Erinnerungen und Organisierung der Arbeit zur Festigung des nationalen Selbstbewusstseins auszuarbeiten, die auf wissenschaftlichen Herangehensweisen und den Prinzipien der Geschichte der weißrussischen Staatlichkeit basieren“.

Der Kulturminister hat da sofort auch eine Reihe von Vorschlägen zur Umsetzung dieser Aufgabe geäußert. Unter anderem unterbreitete er die Initiative, eine elektronische Datenbank „Pantheon der nationalen Helden“ zu schaffen. „Sie könnte als eine Grundlage für die Entwicklung von Sujets für Kunstwerke dienen“, erläuterte Anatolij Markewitsch.

All diese Vorschläge belegen, dass in der weißrussischen Gesellschaft im Bereich der historischen Erinnerungen gerade keine Einheit zu beobachten ist. Daher hatte sich auch die Notwendigkeit einer Kodifizierung dessen und jener ergeben, woran man sich erinnern müsse. Die historische und ideologische Spaltung offenbart sich mitunter in kuriosen Formen. Das Internetportal „Zerkalo“ (deutsch: Spiegel) meldete, dass jüngst ein Gericht des Verwaltungskreises Tschaschniki jüngst ein Ordnungsverfahren gegen eine einheimische Einwohnerin verhandelte, die in den sozialen Netzwerken eine weiß-rot-weiße Torte mit dem Wappen „Pahonja“ (zeigt in Rot einen angreifenden weißen schwertschwingenden Ritter auf silbernem Pferd, einen silbernen Schild führend, der ein goldenes Kreuz mit zwei Querbalken zeigt) gepostet hatte.

Das Foto hatten Mitarbeiter der Miliz auf der Seite der Frau im Netzwerk „Odnoklassniki“ (deutsch: Klassenkameraden) gefunden. Gegen die Autorin des kulinarischen Schmuckstücks setzte man ein Protokoll auf, da nach Meinung der Rechtsschützer die Frau mit der Veröffentlichung dieser Aufnahmen „ihre gesellschaftspolitischen und persönlichen Interessen zum Ausdruck gebracht“ und ohne die Genehmigung des örtlichen Kreisexekutivkomitees an einer Mahnwache teilgenommen hatte. Das Gericht hielt die Frau für schuldig und legte für sie eine Geldstrafe von 1850 Rubel fest.

Derweil hatte im Mai 1918 die Rada (das Parlament – Anmerkung der Redaktion) der Weißrussischen Volksrepublik, des ersten unabhängigen Staates der Weißrussen, gerade „Pahonja“ als Wappen ausgewählt. Bald wurde in der Zeitung „Freies Belarus“ der Artikel „Was jeder Weißrusse wissen muss“ des Premierministers des neuen Staates, Vaclav Lastovski, publiziert, in dem die folgende Erklärung der nationalen Symbole gegeben wurde: „Das Wappen des weißrussischen Staates ist das Wappen des alten Belarussisch-Litauischen Großfürstentums: Ein Recke auf einem weißen Ross vor einem roten Hintergrund. Mit diesem Wappen wurden in der Vergangenheit alle weißrussischen Gebiete oder – wie man sie später bezeichnete – Wojewodschaften gekennzeichnet. Die weißrussischen Nationalfarben sind weiß und rot. Aus diesen Farben ist auch die weißrussische Flagge gestaltet worden, die aus drei horizontalen Streifen – einem weißen, einen roten und wieder einem weißen – besteht“.

Derweil hat dieser Tage der Abgeordnete Igor Marsaluk eingängig die Unterschiede der alten und der neuen Symbolik in einer Sendung des TV-Kanals „Belrus-1“ beschrieben. „Diejenigen, die für die rot-grüne Flagge sind, für dieses Wappen und für unsere heutige Hymne sind, dies sind Menschen, die sich an völlig anderen geopolitischen und sozio-kulturellen Werten. Sie sehen nichts Schlechtes in der engen Zusammenarbeit mit der Russischen Föderation. Dies sind Menschen, die die traditionelle weißrussische Identität fortsetzen“, erklärte der Abgeordnete.

„Diejenigen, die auf die NATO orientiert sind, auf das Pentagon, diejenigen, die auf Westeuropa orientiert sind, die haben sich unter entgegengesetzten Symbolen vereint. Wenn du die weiß-rot-weiße Flagge hochhebst, so bedeutet dies nur eines: Du bist kategorisch gegen die gegenwärtige Politik, die heutige Verfassung, und du willst, dass dein Land zu einem Vorhof Europas und des NATO-Blocks wird. Und du träumst von NATO-Raketen im Bereich von Orschi, die gegen Smolensk ausgerichtet sind“, fügte der Volksvertreter hinzu.

Am 17. Mai haben die Politiker, die sich an diesen sehr unterschiedlichen Symbolen orientieren, erneut demonstriert, dass sie nicht nur die Haltung zur Vergangenheit, sondern auch die Sichtweise auf die Zukunft von Weißrussland trennen. In Minsk begannen Veranstaltungen im Rahmen einer zweitägigen auswärtigen Tagung des Rates der Parlamentarischen Vollversammlung der Organisation des Vertrages über kollektive Sicherheit. Im laufenden Jahr führt Weißrussland den Vorsitz in dieser Organisation, zu der heute gleichfalls Armenien, Kasachstan, Kirgisien, Russland und Tadschikistan gehören.

Und in Reykjavik trat beim Summit des Europarates als Sondergast Swetlana Tichanowskaja auf und erklärte unter anderem: „Wir wollen, dass Belarus in den Europarat zurückkehrt. Belarus darf nicht mehr ein schwarzer Fleck auf der Landkarte des Europarates sei. Denn wir sind Europäer. Wir wollen, dass ein demokratisches Belarus seinen Platz in der europäischen Familie der freien Völker einnimmt“.