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In Russland hat die neue Saison von Gasexplosionen in Wohnhäusern begonnen


Mit dem Beginn der kalten Jahreszeit nimmt in Russland die Zahl von Explosionen in Mehrfamilienhäusern aufgrund des Austretens von Gas aus den vorhandenen Leitungen zu. Die Bewohner dieser Häuser lüften seltener ihre Räumlichkeiten durch und verwenden oft Haushaltsgas für das Heizen und Aufwärmen von Wasser. Das Problem der regelmäßigen Gasexplosionen in Wohnhäusern spitzt sich schon viele Jahre zu, darunter auch aufgrund des zunehmenden Verschleißes der Gasanlagen. Die Regierung der Russischen Föderation löst aber bisher das Problem der Gasexplosionen nicht und zieht es vor, sich auf kosmetische bzw. punktuelle Lösungen zu beschränken. Allein am vergangenen Mittwoch ereigneten sich zwei Gasexplosionen – in Noginsk bei Moskau und in Jekaterinburg. Und eine dritte Explosion am Samstag in der mittelrussischen Stadt Jelez.

Das Problem der Explosionen, der „Verpuffungen“ und des Austretens von Haushaltsgas bringt sich nicht erst das erste Jahr in Erinnerung. Die neue Explosion in einem Mehrfamilienhaus in Noginsk kostete sieben Menschen das Leben. Diese wie auch die beiden anderen erwähnten Gasexplosionen werden mit Sicherheit nicht die letzten Katastrophen in der gerade begonnenen neuen Heizsaison bleiben.

Explosionen ereignen sich aber auch im Sommer. Vor Anbruch des Herbstes wurde von Explosionen durch Haushaltsgas in Machatschkala, Simferopol, Krasnodar, Nowy Urengoi, Barnaul, Engels und anderen Städten berichtet. Im April wurden aufgrund einer Gasexplosion in einem Dorf des Verwaltungsgebietes Nishnij Nowgorod drei Menschen verletzt. Es brach ein Brand auf einer Gesamtfläche von 1000 Quadratmetern aus. Wohnungen auf mehreren Etagen wurden zerstört.

Insgesamt kam es im Verlauf des vergangenen Jahres zu mehr als 80.000 Vorfällen (15.000 Havarien und 65.000 weniger ernsthafte Störfälle), aber auch zu 266 Katastrophensituationen im Zusammenhang mit Havarien in Objekten der kommunalen Wohnungswirtschaft und Naturkatastrophen. Solche Daten finden sich im System für das Verfolgen von Problemen in der kommunalen Wohnungswirtschaft, dass das Ministerium für Bauwesen im vergangenen Jahr gestartet hat.

Die Offiziellen und Behörden ziehen es aber vor, den Familien der ums Leben gekommenen und betroffenen Menschen Wiedergutmachungen zu zahlen, schicken sich aber nicht an, die Risiken von Gasexplosionen grundlegend zu verringern. Beispielsweise hatten die Behörden nach einem Zwischenfall im vor den Toren Moskaus gelegenen Chimki im März dieses Jahres, nachdem im achten Stockwerk eines neungeschossigen Wohnhauses Gas explodiert war, eine Diskussion über die „Notwendigkeit einer Modernisierung der Gasanlagen in den Häusern“ initiiert.

So hatte Ende März auch das Bauministerium zugesagt, ein Treffen mit Vertretern des Konzerns „Gazprom“ durchzuführen, bei dem Methoden zur Verhinderung von Gasexplosionen in Mehrfamilienhäusern diskutiert werden sollten. Eine Reihe von Experten hatte für eine Verhinderung von Explosionen durch Haushaltsgas vorgeschlagen, in den Wohnungen obligatorisch Gasherde mit einem Mechanismus zur automatischen Abschaltung zu installieren. Bauminister Irek Faisullin hatte sich damals um die technischen Aspekte der Realisierung Sorgen gemacht. „Es steht die Frage: Wie richtig ist heute der Einsatz der Gelder durch die regionalen Betreiber auf diesem Gebiet. Man kann mit „Gazprom“ ein gemeinsames Schema entwickeln… Ich denke, dass wir die Führung der Regierung davon überzeugen werden, dass man sich in dieser Richtung weiter vorwärtsbewegen muss“, erklärte er vielsagend, letztlich aber gar nichts Konkretes.

Daher hat die Regierung vorerst auch keine besonderen praktischen Ergebnisse erzielt. Bürger Russlands kommen weiterhin bei Gaskatastrophen, die die Staatsbeamten gelernt haben, als „Verpuffungen“ zu bezeichnen, ums Leben und erleiden schwere Verletzungen. „Wir klären die Frage nach einer Rückkehr zur Praxis, die es früher gegeben hatte, wonach derjenige, der das Gas liefert, auch für die Anlagen und Ausrüstungen verantwortlich ist. Die entsprechenden Kosten müssen natürlich in den Tarif einfließen. Bei uns gibt es sowohl diejenigen, die für solche Lösungen sind, als auch diejenigen, die gegen diese sind“, berichtete Maxim Jegor, stellvertretender Minister für Bauwesen und kommunale Wohnungswirtschaft.

Heutzutage sind die Gasanlagen und -ausrüstungen innerhalb der Häuser und in den Wohnungen entsprechend Verantwortungsbereichen getrennt worden. Eine einzige Organisation, die für deren sicheren Betrieb zuständig ist, gibt es nicht, berichteten Experten. Es sei angemerkt, dass vor rund zwei Jahren ein Gesetzentwurf über die Kontrolle das Gasanlagen und -ausrüstungen in den Wohnungen in die Staatsduma (das Unterhaus des russischen Parlaments – Anmerkung der Redaktion) eingebracht wurde und bisher nicht verabschiedet worden ist. (Die Bekämpfung der Strukturen von Alexej Nawalny und liberaler oppositioneller Bürger Russlands, NGOs und Medien war aber in den vergangenen Jahren und Monaten für die russischen Gesetzgeber bekanntlich wichtiger. – Anmerkung der Redaktion). Experten schließen nicht aus, dass, wenn man die Kontrolle der Anlagen und Ausrüstungen den Gasvertriebsunternehmen überträgt, würden die Kosten für die Wartung und Instandsetzung in den Tarif einfließen.

In der Staatsduma gibt es auch andere Gesetzesvorlagen, die vorschlagen, die Häuser mit Systemen auszustatten, die ein Übersteigen der Gaskonzentration in den Wohnungen fixieren, automatisch die Gaszufuhr unterbrechen und darüber den Havarie- und Dispatcherdienst für ein operatives Reagieren auf die entstandene Situation informieren. Außerdem sei eine Auswechselung der veralteten Gasherde gegen moderne mit einem automatischen System zur Abschaltung des Gases nötig, meinen viele Abgeordnete.

Nach der März-Explosion in Chimki hatte eine Abgeordnete vorgeschlagen, bei einer Generalreparatur von Wohnhäusern die Gasherde durch Anlagen mit einem Mechanismus zur automatischen Unterbrechung der Gaszufuhr zu ersetzen. Dabei ist klar, dass es in der Russischen Föderation sehr schwierig ist, vollkommen auf einen Anschluss der Wohnhäuser an eine zentrale Gasversorgung zu verzichten.

„Die Initiative zur Ausrüstung der Häuser mit speziellen Systemen zur Unterbrechung der Gaszufuhr im Fall einer Havarie-Situation ist scheinbar auf der Ebene von Ideen und Vorschlägen geblieben. Für die Durchführung solcher Arbeiten im Maßstab des gesamten Wohnraumfonds des Landes sind mindestens 300 Milliarden Rubel erforderlich“, meinte die geschäftsführende Partnerin der Firma „Metrium“, Nadeschda Korka. „Aus dem föderalen Haushalt sind für die Modernisierung der kommunalen Wohnungswirtschaft nur ganze 150 Milliarden Rubel bereitgestellt worden. Und die Ausgaben auf die Eigentümer der Räumlichkeiten im Rahmen einer Generalreparatur umzuverteilen, ist nicht zweckmäßig, da solch eine erhebliche Summe schlicht und einfach nicht zusammengebracht wird“, urteilt die Expertin.

„Im Sommer des Jahres 2019 hat das Bauministerium bereits neue Regeln für die Installierung von Gasverbrauchssystemen in Wohngebäuden eingeführt. Dies betrifft aber Neubauten, in denen jetzt das Vorhandensein eines automatischen Systems zur Unterbrechung der Gaszufuhr obligatorisch ist“, erinnert Andrej Loboda, Experte auf dem Gebiet der Finanzkommunikationen. Für eine vollwertige Realisierung eines Programms zur Installierung von Gasherden mit einem „Gas-Kontroll“-System in allen Häusern und zur Ausstattung der Wohnräume mit Sensoren für die Fixierung das Gasgehaltes in der Luft werde politischer Wille der Gesetzgeber und der Aufsichtsbehörden für den Markt gebraucht, meint er. „In der Staatsduma hatte man vor mehreren Jahren die generelle Installierung von Signalanlagen für den Gasgehalt der Luft im Wohnungssektor Russlands mit Kosten von beinahe 140 Milliarden veranschlagt“, berichtet der Experte.