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In Tbilissi fordert man, Visa für Bürger Russlands einzuführen


Georgiens Oppositionsparteien fordern von der Regierung, ein Visa-Regime für die Bürger der Russischen Föderation einzuführen. Nach ihrer Meinung gebe es im Land zu viele Bürger Russlands, die ihr Business begonnen hätten, und die einheimischen Unternehmer könnten mit ihnen nicht konkurrieren. Die Offiziellen Georgiens sind auch noch unter den Druck der USA geraten. Das State Department verlangte, die Attacken gegen den amerikanischen Botschafter in Tbilissi einzustellen.

Das sich in Georgien Vollziehende bestätigt: Im Land gibt es zwei politische Zentren – ein oppositionelles und prowestliches einerseits und andererseits die eigentliche herrschende Partei „Georgischer Traum“, die versucht, zwischen den Interessen des Westens, der Russischen Föderation und den georgischen zu lavieren. Für das Parteienbündnis wird es immer schwieriger, dies zu tun. Die Kritik durch die Parteiführer an der USA-Botschafterin in Georgien, Kelly C. Degnan, wegen einer „Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes, unter anderem in den Gerichtsprozess gegen den Leiter des Fernsehkanals „Mtavari“, Nika Gvaramia“, bezeichnete das State Department als eine unzulässige.

Bei einem Briefing erklärte der offizielle Sprecher des US-Außenministeriums Ned Price, dass Degnan und ihr Team die euro-atlantischen Bestrebungen Georgien unterstützen und die vollkommene Unterstützung Washingtons genießen würden. „Die Rhetorik einiger georgischer offizieller Persönlichkeiten ist scheinbar darauf ausgerichtet, die Bürger Georgiens von diesem Ziel abzulenken… Die Angriffe auf Botschafterin Degnan sind unzulässig“, erklärte Ned Price.

Wahrscheinlich wird Tbilissi bald etwas Ähnliches auch von der Europäischen Union bekommen. Die Sache ist die, dass der Vorsitzende der regierenden Partei Irakli Kobachidse die Tätigkeit von Carl Hartzell, des scheidenden EU-Botschafters in Georgien, als „eine sehr schwache und faktisch den Erhalt eines Kandidatenstatus für die EU-Mitgliedschaft störende“ bezeichnete. Solche Ausfälle bleiben üblicherweise keine unbeantworteten.

Eine besondere Intrige verleiht der Situation das, dass die prowestlichen Oppositionsparteien gerade in diesen Tagen den Druck auf die Herrschenden verstärkten, wobei sie fordern, ein Visa-Regime für die Bürger Russlands einzuführen. Und dabei kann es durchaus passieren, dass die Partei „Georgischer Traum“ gezwungen sein wird, die Visa-Forderungen für eine Abschwächung das Schlages des Westens zu erfüllen. Interessant ist gleichfalls, dass Moskau seinerseits gerade in diesen Tagen die Liberalisierung des Visa-Regimes für die Bürger Georgiens für möglich erklärt. Aber unter Berücksichtigung des Geschehens ist die Wahrscheinlichkeit dessen groß, dass es dazu nicht kommen wird.

Der Chef der Partei „Europäische Demokraten“, Nikoloz Vashakidze, erklärte, dass das Visa-Regime im Zusammenhang mit der sich verstärkenden Migration aus Russland nach Georgien erforderlich sei. Und „dies beunruhige alle, scheinbar außer die Landesführung“. Er unterstrich, dass die Gefahr eine zweifache sei, da es um Bürger eines „feindseligen Okkupationsstaates“ gehe. Der Politiker betonte, dass aus Russland zum größeren Teil eine materiell gutgestellte, sich leicht anpassende Schicht nach Georgien kommen würde, die hier ihr Business beginne und faktisch das einheimische Unternehmertum unterdrücke. Nach seiner Meinung würden sich die russischen Geheimdienste früher oder später in diesen Prozess unter irgendeinem Vorwand einschalten. „Daher müssen zu einer der ersten und unaufschiebbaren Maßnahmen die Einführung eines Visa-Regimes mit der Russischen Föderation und eine radikale Beschränkung der Anzahl russischer Migranten werden“, erklärte Vashakidze.

Der Gerechtigkeit halber muss betont werden, dass vor nicht allzu langer Zeit georgische Geschäftsleute ihre Besorgnis bekundeten, die in der Tourismusbranche tätig sind. Sie beklagten sich darüber, dass nach Georgien gekommene Bürger Russlands ihre konzipierten exklusiven touristischen Routen kopieren und ihre Tourismusfirmen eröffnen würden. Dank starker Investitionen, der Verbindungen mit Landsleuten, dem geringsten Bestehen sprachlicher Barrieren und so weiter hätten die neuen Firmen begonnen, die einheimischen unter Druck zu setzen, indem sie deren Touristen-Klientel wegnehmen. Der zum Ausdruck gebrachte Unmut brachte keine Ergebnisse. Ja, und konnte es auch nicht. Wie kann man denn den exklusiven Charakter einer touristischen Route oder des einen oder anderen Gerichts in einem Restaurant nachweisen?

Laut offiziellen Angaben können sich heute in Georgien rund 90.000 Bürger Russlands befinden. Gerade damit, aber auch mit den Flüchtlingen aus der Ukraine hängt auch der drastische Anstieg der Preise für den Verkauf und das Vermieten von Wohnungen in Georgien zusammen. Stark zugenommen haben die Geldüberweisungen aus der Russischen Föderation, die in der letzten Zeit die 300-Millionen-Dollar-Marke im Monat überschritten haben.

Bis zur faktischen Vereinigung der Opposition hinsichtlich der Frage nach der Einführung von Visa für Bürger Russlands hatte sich die georgischen Offiziellen mehr als liberal gegenüber der Einwanderung verhalten. Unter anderem hatte der Vorsitzende der Partei „Georgischer Traum“, Irakli Kobachidse, mehrfach der „Nationalen Bewegung“, der Partei von Ex-Präsident Michail Saakashvili, vorgeworfen, dass gerade sie die Kampagne gegen die Einreise von Bürgern der Russischen Föderation nach Georgien anführe. Kobachidse forderte von den Rechtsschutzorganen, verstärkt auf Fälle einer Diskriminierung von Bürgern Russlands zu reagieren, und informierte über eine geplante Verschärfung des Gesetzes „Über das Schüren von nationaler Zwietracht“. Mehr noch, der Führer des „Georgischen Traums“ verkündete, dass Georgien zum einzigen Land geworden sei, in dem eine großangelegte Kampagne zur ethnischen Diskriminierung von Bürgern Russlands erfolge. Und eine Diskriminierung von Menschen aufgrund nationaler Merkmale sei eine unerhörte Erscheinung für die zivilisierte Welt. Er unterstrich ein weiteres Mal, dass dahinter die ehemalige regierende Partei – die „Nationale Bewegung“ – stehe, die zu einer „Partei des Krieges mit dem einzigen Ziel, Georgien in einen militärischen Konflikt zu verwickeln“, geworden sei.

Bei einer Analyse der sozialen Netzwerke kann man sehen, dass in der georgischen Gesellschaft die Meinungen hinsichtlich der Einwanderung aus Russland auseinanderdriften. Die einen sind der Meinung, dass ein Visa-Regime nötig sei. Man müsse den Zustrom der einreisenden Bürger Russlands drastisch einschränken, damit „sich für Moskau kein Anlass für den sattsam bekannten Schutz der eigenen Bürger in einem anderen Land ergibt“. Andere sind geneigt, in den Migranten „Flüchtige vor dem blutigen Regime, die Hilfe und Unterkunft brauchen“, zu sehen. Dritte sehen nichts Schlimmes und rufen auf, die Situation aus wirtschaftlicher Sicht zu beurteilen. Wenn das Eintreffen von Bürgern Russlands in Georgien mit einem Zufluss von Geld, mit der Schaffung von Arbeitsplätzen verbunden ist, so müsse der Prozess gefördert werden. Wenn er aber negative Folgen haben, so müsse man im Gegenteil Barrieren für eine Einwanderung aus Russland errichten.