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In Weißrussland aktiviert man den Kampf gegen Faulpelze


Bis zum 21. Oktober müssen es die Weißrussen, die eines Schmarotzertums verdächtigt werden, schaffen, bei den entsprechenden Kommissionen Informationen über sich einzureichen, um nicht bereits im Dezember in die aktualisierte „Datenbank der Faulpelze“ aufgenommen zu werden. Dies kann dazu führen, dass die Zahlungen für kommunale Dienstleistungen ohne irgendwelche Vergünstigungen und Bonusse erhoben werden. Und danach werden möglicherweise auch die medizinischen Leistungen vollkommen kostenpflichtige werden. Experten diskutieren dabei noch eine Neuigkeit – die Aufnahme von Bürgern in die „Datenbank der Faulpelze“, die das Land für mehr als 30 Tage verlassen haben. Viele sind der Annahme, dass dies eine Form von „Vergeltung“ gegenüber den „Flüchtigen“ sei.

Die Weißrussen, deren berufstätiger Status nicht offensichtlich ist, müssen bis zum 21. Oktober mittels Dokumente nachweisen, dass sie keine Nichtstuer bzw. Faulpelze sind, und dies in Kommissionen, die dies kontrollieren sollen. Andernfalls werden sie im Dezember, wenn eine neue Aktualisierung der „Datenbank der Faulpelze“ erfolgt, in diese aufgenommen.

Den „Faulpelzen“, die eigenen Wohnraum besitzen, wird man die Zahlungsaufforderungen für die Gasversorgung, Heizung und Warmwasserversorgung entsprechend den kompletten Tarifen ausstellen. Wenn in einer Wohnung eine Familie aus mehreren Personen wohnt und eine von ihnen als Müßiggänger anerkannt wird, so werden die Kosten für die kommunalen Dienstleistungen zwischen den unter dieser Adresse gemeldeten Personen aufgeteilt. Und der „Faulpelz“ bezahlt seinen Teil gemäß den kompletten Tarifen (unter der Bedingung, dass er ein Eigentümer des Wohnraums ist). Die übrigen aber, die nicht in der Datenbank erfasst worden sind, entsprechend vergünstigten Tarifen.

In den Kommissionen für Angelegenheiten der nicht in der Wirtschaft beschäftigten Bürger erklärt man, dass sie den Begriff „Nichtstuer“ bzw. „Schmarotzer“ im Unterschied zum Präsidenten nicht anwenden und sich bemühen, sich jeder Frage individuell und maximal korrekt anzunehmen. Allerdings haben sich die Weißrussen bereits an diese Regeln gewöhnt. Dieser Tage wurde jedoch bekannt, dass es zwei „Datenbanken der Nichtstuer“ gibt. Die zweite wird durch diejenigen aufgefüllt, die für mehr als 30 Tage das Land verlassen haben.

Über die Neuerung berichtete gegenüber den Medien Pawel Iwaschko, Chefspezialist der Abteilung für Arbeit, Beschäftigungsfragen und sozialen Schutz des Rates des Kreises von Lida (im Verwaltungsgebiet Grodno).

„Das zweite Verzeichnis wird entsprechend von Daten des Staatlichen Grenzkomitees erstellt, da man seit dem vergangenen Jahr begonnen hat, die ins Ausland gegangenen Weißrussen zu jenen zu rechnen, die zu 100 Prozent die kommunalen Dienstleistungen zu bezahlen haben. In das Verzeichnis werden die Bürger aufgenommen, die im Monat vor dem Berichtsmonat 30 und mehr Tage nicht im Land gewesen waren. Freilich werden sie in das Verzeichnis für eine Bezahlung der kommunalen Rechnungen mit einer vollständigen Kompensierung der Aufwendungen nicht für das Quartal, sondern nach Monaten aufgenommen“, erklärte der Beamte.

Allerdings wird für jene eine Ausnahme gemacht, die in den Ländern der Eurasischen Wirtschaftsunion – in Russland, Kasachstan, Armenien und Kirgisien – arbeiten oder studieren.

Bereits im Jahr 2018 hatte man in Weißrussland begonnen, die „Datenbank der Faulpelze“ zu schaffen. Diesen Begriff an sich hatte Alexander Lukaschenko im Jahr 2015 wieder in den Sprachgebrauch zurückgeholt. Und im Jahr 2017 legte er das Dekret Nr. 1 „Über eine Förderung der Beschäftigung der Bevölkerung“ vor. Damals hatte es auch den Versuch gegeben, für die arbeitslosen Weißrussen eine spezielle Steuer einzuführen. Nach Massenprotesten hatte man aller Abstand von dieser Idee genommen.

Nach der Niederschlagung der gegen den Präsidenten gerichteten Aktionen im Jahr 2020 ist das Problem erneut als ein besonders aktuelles bezeichnet worden. Damals hatte Alexander Lukaschenko die Beamten aufgerufen, „unverzüglich alle Schmarotzer, die herumschwatzen, zu erfassen und sie zu arbeiten zu zwingen“.

Er hatte unterstrichen, dass ein nicht eingestellter Mensch dies sei „nicht bloß ein Protestler auf der Straße, dies ist ein künftiger Krimineller“. Und solch einer „beschert uns jeden Tag, jede Woche, jeden Monat Verbrechen“, meinte der Präsident. „Und wir geben viel Geld für ein Aufdecken dieser Verbrechen aus. Und dann halten wir einige noch in Strafvollzugseinrichtungen aus“.

Und Alexander Lukaschenko hält diese für ihn sensible Frage ständig unter Kontrolle. Vor einem Jahr erklärte er beispielsweise: „Mehrere Tausend arbeiten nicht, sie erhalten aber soziale Leistungen, darunter Leistungen des Bildungs- und besonders des Gesundheitswesens, so wie alle. Ist dies gerecht? Dies ist ungerecht“.

Und da wird laut Angaben der Organisation ehemaliger Mitarbeiter der Rechtsschutz- und Sicherheitsorgane BELPOL die Gerechtigkeit, wie sie der Präsident versteht, in der nächsten Zeit vollkommen wiederhergestellt. Die Vertreter dieser Organisation behaupten, dass Neuerung auf dem Gebiet der medizinischen Betreuung ins Haus stehen würden, denen zufolge die Personen, die in die „Datenbank der Faulpelze“ aufgenommen wurden, nur kostenpflichtig in stationären Abteilungen behandelt, aber auch stomatologische Hilfe erhalten können.

Gemeint ist eine Kompensierung von einhundert Prozent der „wirtschaftlich begründeten Ausgaben“ für die Erbringung medizinischer Leistungen. Eine Ausnahme wird nur für die Fälle der Gewährung medizinischer Nothilfe gemacht werden. Alle staatlichen medizinischen Einrichtungen werden an die entsprechenden „Schmarotzer“-Datenbanken angeschlossen, damit die Personen, die in ihnen erfasst worden sind, keine Leistungen wie die arbeitsliebenden und gesetzestreuen Bürger erhalten können.

Der Wirtschaftsexperte Wladimir Kowalkin kommentierte die Situation im Internet. „Ich denke, dass dies eine Fortsetzung der Politik einer kleinkarierten Rache gegenüber den Menschen ist, die mit dem politischen Kurs des Lukaschenko-Regimes nicht einverstanden sind. All dies fügt sich in ein großes Bild ein. Wir sehen, wie dies am Beispiel der Passe erfolgte: Wollen Sie den Pass umtauschen, kommen Sie nach Belarus“, meint der Experte.

Dabei sieht der Analytiker in der Entscheidung, die Ausgereisten zu den Schmarotzern zu rechnen, keinen besonderen wirtschaftlichen Sinn. Denn diejenigen, die aufgrund politischer Motive das Land verlassen haben, verkaufen schrittweise ihre Immobilien. Diejenigen aber, die keine Kämpfer für Ideen, die keine überzeugten Kämpfer sind, könnten wirklich grundlos betroffen werden.

„Dies wird alle tangieren, darunter jene, die sich außerhalb der Politik sehen. Da ergibt es sich: Wenn du dich außerhalb der Politik siehst, bedeutet dies nicht, dass du wirklich außerhalb von ihr bist. Mir scheint, dass dies eine gute Lehre für solchen Menschen ist“, betont der Experte.