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In Weißrussland hebt man die Löhne und Gehälter für die Beschäftigten im staatlichen Sektor an und verurteilt wegen einer Anhebung von Preisen


In Weißrussland wird ab 1. Januar kommenden Jahres der Lohn für die Beschäftigten in den aus dem Staatshaushalt finanzierten Sektoren angehoben. Vizepremier Igor Petrischenko erklärte, dass der soziale Staat eine zweifellose Entscheidung der amtierenden Offiziellen sei. Eine Bestätigung dessen ist der erste Gerichtsprozess gegen einen Unternehmer, der es gewagt hatte, gegenüber dem Präsidenten ungehorsam zu sein, und den Preis für seine Waren um 26 Kopeken (etwa knapp 10 Cent) angehoben hatte. Experten bezweifeln, dass es die Regierung schaffen werde, mit der Inflation fertig zu werden, und dass die Anhebung der Löhne und Gehälter von ihr gefressen werde.

Ab dem 1. Januar des Jahres werden die Löhne und Gehälter in den Organisationen und Einrichtungen sowie Betrieben, die aus dem Staatshaushalt finanziert werden, ansteigen. Dies teilte der Telegram-Kanal des Ministeriums Weißrusslands für Arbeit und sozialen Schutz mit. Die Internet-Ressource informiert: „Durch den Beschluss des Ministerrates der Republik Belarus Nr. 887 vom 19. Dezember 2022 wird ab 1. Januar 2023 der Basistarif in einer Höhe von 228 Rubel (umgerechnet ca. 85 Euro – Anmerkung der Redaktion) festgelegt.

Der Basistarif wird im Vergleich zum 1. Dezember 2022 (212 Rubel) um 7,5 Prozent ansteigen, zum 1. Januar 2022 (207 Rubel) – um 10,1 Prozent. Da an den Basistarif andere stimulierende und kompensierende Zahlungen angekoppelt sind, wird deren Höhe dementsprechend auch ab 1. Januar 2023 ansteigen“.

Zuvor hatte bei der Ankündigung dieser Entscheidung Vizepremier Igor Petrischenko erklärt: „Der soziale Staat ist die Grundlage unserer Politik“. Er informierte die Bürger gleichfalls darüber, dass im Jahr 2023 45 Prozent des konsolidierten Haushalts für den Sozialbereich eingesetzt werden würden. Der Vizepremier erläuterte: „Und wir planen, die Ausgaben für das Gesundheitswesen zu erhöhen – um rund 16 Prozent, im Bildungsbereich – um 20 Prozent. Wir planen eine Aufstockung der Löhne und Gehälter insgesamt im aus dem Staatshaushalt finanzierten Bereich um 17 Prozent. Während unter den aktuellen Bedingungen im Haushaltsbereich der Durchschnittsverdienst 1258 weißrussische Rubel ausmacht, so planen wir im nächsten Jahr, auf 1454 weißrussische Rubel zu kommen. Es sei angemerkt, dass ein weißrussischer Rubel 25,91 russischen Rubeln entspricht.

Aber der „soziale Charakter“ der Staatspolitik wird in Weißrussland nicht nur durch rein wirtschaftliche, sondern auch durch repressive Methoden gewährleistet. So wurde dieser Tage in Mogiljow das erste Urteil zu einem Fall über eine Erhöhung von Preisen verkündet. Der Direktor eines Lebensmittelladens hatte unter bösartiger Ignorierung einer Anweisung von Präsident Lukaschenko über die Unzulässigkeit derartiger Handlungen, die dieser bereits Anfang Oktober erteilt hatte, dennoch beschlossen, diese „antisoziale“ Tat zu begehen und den Preis für Käse um 26 Kilogramm für ein Kilogramm anzuheben. Die Internetseite Office Life berichtet über Einzelheiten „dieser Straftat“. Auf der Anklagebank war der 46jährige Inhaber eines kleinen Dorfladens in einem Vorort von Mogiljow geraten. Als der Beschluss des Ministerrates „Über zeitweilige Maßnahmen zur Stabilisierung der Preise“ in Kraft trat, vermochte er es nicht, sich in einigen Nuancen dieses Dokuments Klarheit zu verschaffen, weshalb er auch gelitten hat.

Am 8. Oktober hatte sich der Preis für Suluguni-Käse von (der Firma) „Babuschkina krynka“ (deutsch: „Omas Milchkrug“) in seinem Laden als ein höherer als der, der am 5. Oktober galt, erwiesen, da er die ausgewiesene Ware vom Hersteller zu einem höheren Preis als früher erhalten hatte. Dies wurde aber zu keinem entschuldigenden Faktor für ihn.

Den Verstoß fixierte eine Vertreterin der Arbeitsgruppe zum Monitoring der Preise aus dem einheimischen Dorfrat. Nach Feststellung des Anstiegs des Preises im Vergleich zu dem, der am Vorabend noch ausgewiesen war, informierte die wachsame Aktivistin über den Verstoß im Kreisrat, wobei sie den Mitarbeitern des Lebensmittelladens nichts gesagt hatte. Die Handelsumsätze in dem Dorfladen sind bescheidene. Daher hatte der Unternehmer weniger als ein Dutzend an Packungen des fatalen Produkts bestellt und ins Ladenregal gelegt. Die Gesamtsumme der Überziehung des Preises machte 78 Kopeken aus. Glücklicherweise hatten die Rechtsschützer operativ gehandelt. Und der Ladeninhaber wurde festgenommen, bevor er es geschafft hatte, seine „kriminelle Absicht“ zu realisieren. Nicht eine einzige Käse-Packung war verkauft worden.

Im Endergebnis hat das Gericht unter Berücksichtigung all dieser Faktoren ihm eine Bestrafung in Form von zwei Jahren Freiheitsentzug mit einen Aufschub um ein Jahr auferlegt. Das heißt; Wenn dieser Bürger künftig derartige Verstöße nicht zulässt, so muss er die Haftstrafe nicht absitzen.

Das Urteil hat die Anführerin der weißrussischen Opposition im Ausland, Swetlana Tichanowskaja, in ihrem Telegram-Kanal kommentiert: „Als ich diese Nachricht las, fesselte mich der Satz der Staatsanwaltschaft, wonach der Mann durch die Anhebung des Preises in seinem Laden „die Autorität der Machtorgane untergraben hatte““. Es scheint, dass das Regime auch selbst begreift, was seine Autorität wert ist – 26 Kopeken. Ich möchte aber sagen, dass die Autorität der Herrschenden nicht der Ladendirektor und nicht das Preisschild an einem Stück Käse untergraben haben, sondern die Jahrzehnte von Verantwortungslosigkeit der Politiker, der Korruption und der ineffizienten Verwaltung. Die Autorität des Staatsapparats hat der Apparat selbst untergraben, als er sich vom Gesetz abwandte, als er sich vom Volk abwandte und die nationalen Interessen unseres Landes verriet“.

Derweil hat die Wirtschaftsmaßnahmen der Regierung insgesamt zur Gewährleistung eines sozialen Schutzes der wissenschaftliche Oberassistent von BEROC (dem führenden unabhängigen akademischen Forschungszentrum auf dem Gebiet für Wirtschaftsforschungen in Belarus) Dmitrij Kruk auf der Internetseite „Salidarnasz“ (deutsch: „Solidarität“) analysiert. 2Es ist eine große Frage, ob die weißrussischen Offiziellen die Inflation in den vorausgesagten Grenzen halten können. In diesem Jahr hat sich die Realität als weitaus extremer als die Pläne erwiesen. Die erklärten sechs Prozent kletterten bis zu zweistelligen Zahlen. Und erst in der zweiten Jahreshälfte hat die Inflation etwas an Tempo verloren (im November – bis 13,3 Prozent“, betont der Experte.

Der Wirtschaftsexperte weist auf Folgendes hin: „Eine Tendenz zur Verlangsamung, selbst bis zur Regulierung der Preise, mit der die Offiziellen Unfug treiben, ja, sie hat sich abgezeichnet. Aber es kann nicht gesagt werden, dass der Trend zur Verlangsamung der Inflation ein starker und stabiler ist. Die Absichten der Offiziellen, die Löhne und Gehälter für die Beschäftigten der aus dem Haushalt finanzierten Bereiche anzuheben, sind vom Prinzip her logisch. Und bei der Realisierung des nominalen Teils habe ich ein wenig Zweifel. Aber für die reale Geldbörse und den Wohlstand der Menschen ist nicht weniger wichtig, was mit der Inflation passieren wird. Und hier gibt es eine gewaltige Menge an Risiken und Gefahren. Mit einer Hand können die Einkommen erhöht werden, mit der anderen aber sofort „aufgefressen“ werden“.