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In Zentralasien beäugt man die neue Regierung Afghanistans


Tadschikistans Präsident Emomali Rahmon hat Staaten und internationale Organisationen aufgerufen, kurzfristige gemeinsame Maßnahmen zur Regulierung der Situation in Afghanistan zu ergreifen. Bekanntlich hat die in der Russischen Föderation verbotene Taliban-Bewegung die Bildung einer Regierung bekanntgegeben. Gebildet wurde sie ausschließlich aus Mitgliedern der Taliban-Bewegung (aus Paschtunen) und wird daher in Zentralasien als nichtvoraussagbare angesehen. Diese Ungewissheit macht den Ländern Zentralasiens Angst, die ihre Linie der Beziehungen mit Kabul gestalten, wobei sie anstreben, sich auf maximale Weise abzusichern.

Besonders unbequem ist es für Tadschikistans Präsident Emomali Rahmon. Am 9. September beging das Land seinen 30. Unabhängigkeitstag. Allerdings dauerten die Feierlichkeiten drei Tage an. Am Vorabend fand in Duschanbe eine Militärparade statt, bei der zu Beginn Rahmon erklärt hatte, dass „die Lage in Afghanistan direkt die Situation in den Ländern Zentralasiens beeinflusst, denn die Sicherheit in unserer Region hängt in erster Linie von der Situation in diesem Nachbarland ab“.

Am 8. September erfolgte eine Festversammlung, bei der das Staatsoberhaupt betonte, , dass in Afghanistan eine Regierung der nationalen Aussöhnung unter Berücksichtigung der Interessen aller Nationen und Völker, die in diesem Land leben, gebildet werden müsse. Es sei daran erinnert, dass die Taliban-Bewegung zuvor die Zusammensetzung der neuen Regierung bekanntgegeben hatte, die ausschließlich aus eigenen Vertretern besteht. „Die internationale Gemeinschaft, darunter die interessierten Länder, haben kein moralisches Recht, das afghanische Volk allein mit den entstandenen Problemen zu lassen… Ich bin darüber erstaunt, dass sich alle internationalen Menschenrechtsinstitute in Schweigen hüllen und keinerlei Initiativen zur Unterstützung der Rechte des afghanischen Volks demonstrieren“, unterstrich Emomali Rahmon.

Als Gegengewicht zu Duschanbe habe Taschkent die Bildung der provisorischen Regierung in Afghanistan begrüßt, teilte Usbekistans Außenministerium mit. „Wir hoffen, dass diese Entscheidung zum Beginn des Erreichens einer breiten nationalen Eintracht sowie zur Schaffung eines dauerhaften Friedens und von Stabilität in diesem Land wird. Wir bekunden die Bereitschaft zur Entwicklung eines konstruktiven Dialogs und eines praktischen Zusammenwirkens mit den neuen Staatsorganen Afghanistans“, heißt es in einer Mitteilung des Ministeriums.

„Die Herangehensweise Usbekistans ist in dieser Situation kein produktiveres als das vorsichtige Vorgehen Tadschikistans. In den 90er Jahren hatte Taschkent auch gute Beziehungen mit den Taliban. Dies hatte aber nicht das Durchbrechen der von ihm kontrollierten Kämpfer von Juma Namangani verhindert. Die Taliban sind absolut unfähig zu Vereinbarungen. Sie waren sowohl in den 90er Jahren als auch jetzt nicht fähig zu Vereinbarungen“, sagte der „NG“ der tadschikische Politologe Parvis Mullodschanow. Nach seinen Worten werde die Position Tadschikistans gerade durch das Misstrauen gegenüber den Taliban bestimmt. „Unter der Kontrolle der Taliban-Bewegung agieren über 30 dschihadistische Organisationen. Daher stellen die Taliban eine Gefahr für die ganze Region dar. In der Region an sich gibt es eine Schicht, die ihnen sympathisiert. Dies sind die Salafisten. Sie handeln im Untergrund und unterstützen vollkommen die Ideen der Taliban-Bewegung. In der weltlichen Gesellschaft ist die Haltung gegenüber den Taliban eine negative. Dies gilt besonders für Tadschikistan, wo der ethnische Faktor die Hauptrolle spielt. Die Taliban sind Paschtunen. Dennoch versuchen einige Blogger, in den sozialen Netzwerken die Ideen der Taliban-Bewegung zu popularisieren“, betonte der Experte.

„Die Hauptgefahr für die Regimes der Länder Zentralasiens ist das Scheitern in der Wirtschaft und im sozialen Bereich. Die politische und soziale Stabilität in den Ländern der Region wird gefährdet. Und da wird sich für den dschihadistischen und Salafisten-Untergrund eine Möglichkeit der Einmischung in die Politik für eine Destabilisierung der Lage und sogar für den Versuch, die Macht an sich zu reißen, ergeben. Sobald Unruhen beginnen werden, werden sofort auch Versuche eines Grenzdurchbruchs folgen“, betonte Parvis Mullodschanow.

Der Experte für internationale Fragen Grigorij Trofimtschuk ist der Meinung, dass vor dem Hintergrund der afghanischen Ereignisse bestimmte Kreise in den USA Szenarios für eine Beeinflussung Zentralasiens erörtern würden. „Als erste solcher Varianten wurden, wie wir uns erinnern, Militärstützpunkte in einem oder mehreren Ländern der Region erörtert. Danach kam parallel der Gedanke auf, sie mit afghanischen Flüchtlingen und massenhaft zum Studium kommenden Pakistani zu überschwemmen, schon ganz zu schweigen von der über Zentralasien schwebenden Gefahr einer Aktivierung des radikalen religiösen Untergrunds. Auf jeden Fall müssen die Länder der Region und Russland eine Antwort auf die Frage haben: Sind die Taliban eigenständige oder stehen doch die USA und Pakistan hinter ihnen“, sagte Grigorij Trofimtschuk der „NG“. Übrigens, gerade Pakistani sind in einer großen Zahl in Kirgisien und Usbekistan aufgetaucht, was auch die einheimischen Bewohner sofort bemerkt haben. Nach Aussagen von Trofimtschuk dürfe man in solch einer Situation noch eine Maßnahme zur Durchsetzung der russischen und chinesischen Interessen in der Schlüsselregion nicht ausschließen – schon keine bunte Revolution, sondern einen vollwerten Staatsstreich. „Die innere gesellschaftspolitische Situation in praktisch allen Ländern der Region löse an und für sich Besorgnis aus. Die schwierigste Situation herrscht in Kasachstan. Usbekistan hat scheinbar einen besonderen Weg gewählt – den eines Reagierens auf die Vorschläge der Taliban, wobei angestrebt wird, sich nicht gleich von vornherein zu reizen“, meint der Experte.

Tadschikistan hab nach seiner Meinung eine bemerkenswerte Position: Präsident Rahmon hatte sofort eindeutig erklärt, dass er die afghanische Regierung, die nicht auf einer Koalitionsbasis gebildet wurde, nicht unterstütze. „Und da sehen wir nun eine Regierung des Emirats, die beinahe durch und durch aus Terroristen gebildet wurde, wo beinahe unter jedem Minister-Namen der Vermerk „in der Russischen Föderation verboten“ vorgenommen werden muss“, betonte Grigorij Trofimtschuk.

Nach seinen Worten hätten die Taliban bereits praktisch alle Zufahrtswege nach Tadschikistan auf ihrem Territorium gesäubert, nachdem sie den Widerstand von Achmad Masud Jr. niedergeschlagen hätten. Die Taliban-Bewegung werde möglicherweise vorerst die Nachbarterritorien nicht antasten, doch werde sie unbedingt jene strafen, die eine Politik verfolgen würden, die ihren Interessen zuwiderlaufen wird. Und Tadschikistan sei in dieser Liste das erste Land. „Dabei hat Rahmon nach wie vor zu viele Feinde, die außerhalb der Republik auf ihre Stunde warten. Und sie werden alle Anstrengungen aufbieten, um die Rechnungen mit ihm zu begleichen“, sagte Grigorij Trofimtschuk.

Alexander Knjasew, ein Experte für Zentralasien und den Mittleren Osten, ist der Auffassung, dass die Erklärung Rahmons wahrscheinlich mit Moskau abgestimmt worden sei. „Dies belegt die Position Rahmons, während alle übrigen Länder Zentralasiens bereit sind, mit der Regierung der Taliban Kontakte zu unterhalten und zu arbeiten. Der Anti-Taliban-Kanal Tadschikistans kann in der Perspektive von Nutzen sein. Mit Blick auf die innere Lage ist dies einfach eine Goldader. Wenn sich ein Großteil der Bevölkerung um die Solidarität mit den afghanischen Tadschiken Sorgen macht, lenkt dies von den inneren Problemen Tadschikistans ab. Vor allem von der schweren sozial-ökonomischen Situation im Land“, betonte Knjasew gegenüber der „NG“.