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Internationale Medien verlieren das Interesse an der weißrussischen Opposition


Die analytische Gruppe „Zentrum für neue Ideen“ hat zwei neue Studien vorgelegt – „Das Bild Weißrusslands in den Medien des Auslands in den Jahren 2022-2023“ und „Der Einfluss der Weißrussen im Ausland auf das Image Weißrusslands“. Die in ihnen angeführten Daten erfreuen nicht die Opposition. Präsident Alexander Lukaschenko wird in den ausländischen Massenmedien 6mal häufiger als die Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja erwähnt. Und in lediglich fünf Prozent der Publikationen bezeichnet man sie als „gewählte Präsidentin“. Insgesamt werden die Weißrussen immer weniger mit Protesten und immer mehr mit einer Unterstützung für Russland assoziiert. Derweil hat Swetlana Tichanowskaja vom 17. bis 19. April an einem Treffen der Außenminister der G-7-Länder teilgenommen, auf dem sie erneut aufrief, nicht zu vergessen, dass „Belarus Europa ist“.

Am Freitag ist auf der italienischen Insel Capri ein Treffen der G-7-Außenminister zu Ende gegangen, zu dem man Swetlana Tichanowskaja eingeladen hatte. Bei dieser Veranstaltung wurde sie mit der Möglichkeit gewürdigt, mit EU-Chefdiplomat Josep Borrell zu sprechen. Sie traf sich gleichfalls mit Außenministern der G-7-Länder. Dies teilte der Berater für Diplomatie-Fragen der weißrussischen Oppositionsführerin, Denis Kutschinskij auf dem Telegram-Kanal von Tichanowskaja mit. Er unterstrich, dass dies eine einmalige Möglichkeit und ein Zeichen der Achtung gegenüber seiner Chefin gewesen sei.

Außerdem ist Tichanowskaja zu einem Treffen der Parlamentschef der EU-Länder in Spanien eingeladen worden. Bei der Veranstaltung werde es, wie Kutschinskij unterstrich, nur zwei „besondere Gäste“ geben – Spaniens König und Tichanowskaja. Als eine Aufgabe letzterer bei beiden Treffen bezeichnete der außenpolitische Berater unter anderem, „den Fokus auf Belarus zurückzuverlegen“.

Es macht Sinn zu betonen, dass praktisch alle internationalen Veranstaltungen der Oppositionsvertreter mit der Notwendigkeit motiviert werden, die Aufmerksamkeit des Westens für Weißrussland aufrechtzuerhalten und nachzuweisen, dass es Europa sei. Und es dürfe keine Gleichsetzung der Weißrussen mit Lukaschenko zugelassen werden. Die beiden aktuellen Studien, die von der analytischen Gruppe „Zentrum für neue Ideen“ vorgelegt wurden und dem Medien-Bild Weißrusslands im Ausland in den Jahren 2022-2023 und dem Einfluss der Weißrussen im Ausland auf das Image ihres Landes gewidmet sind, belegen jedoch, dass Tichanowskaja und ihre Mitstreiter diese Aufgaben nicht glänzend bewältigen.

„Leider wird das Image von Belarus in den ausländischen Massenmedien in erster Linie durch das Prisma der weißrussischen Offiziellen dargestellt. Verringert hat sich die Anzahl der Publikationen, in denen man die Weißrussen als ein mutiges Volk bezeichnet. Erklärt wird dies durch den Kontext, da die Ereignisse des Jahres 2020, die Proteste der Weißrussen aus der Agenda der ausländischen Massenmedien verschwinden“, zitieren Medien Worte der Sprecherin des „Zentrums für neue Ideen“, Lesja Rudnik.

Die Expertin betonte gleichfalls, dass die ausländischen Medien in 30 Prozent der Beiträge über Lukaschenko schreiben würden, über Tichanowskaja – lediglich in fünf Prozent. Ungeachtet der aktiven Arbeit der Opposition, die die Illegitimität von Lukaschenko nachzuweisen sucht, bezeichnet man ihn in 32 Prozent der Beiträge als Präsident, als einen Diktator in 22 Prozent und als ein nichtlegitimes Staatsoberhaupt in 18 Prozent der Beiträge.

Ja, und Tichanowskaja bezeichnet man in 75 Prozent der Beiträge als Anführerin der demokratischen Kräfte, in 20 Prozent weist man sie als einstige Präsidentschaftskandidatin oder gar einfach als eine „Aktivistin“ aus. Und in lediglich fünf Prozent der Beiträge bezeichnen ausländische Journalistin Tichanowskaja als „Präsidentin“ oder „gewählte Präsident – President-elect“.

Recht charakteristisch die Änderung der Haltung zu den einfachen Weißrussen, die die Forscher fixiert haben. „Innerhalb eines Jahres ist die Anzahl der Beiträge, in denen erklärt wird, dass die Mehrheit der Weißrussen Russland unterstütze, um zehn Prozent angestiegen. Beim vergangenen Monitoring lag diese Zahl unter einem Prozent, im nunmehrigen – bei elf Prozent. Am häufigsten wurde solch eine Meinung in polnischen und ukrainischen Massenmedien bekundet. Man kann sagen, dass sich in den ukrainischen und polnischen Massenmedien das Image von Belarus ein wenig verschlecht hat“, betonte Lesja Rudnik.

Spürbar abgenommen hat die Zahl der Veröffentlichungen über die weißrussische Diaspora. Sie machen ganze drei Prozent vor dem Hintergrund der übrigen, mit Weißrussland verbundenen Themen aus.

Die Studie hat gezeigt, dass die Aufmerksamkeit für Weißrussland in den ausländischen Massenmedien unablässig abnimmt. „Dies widerspiegelt sich sowohl in der Anzahl der Beiträge über Belarus als auch in einem oberflächlicheren Covern der Ereignisse. In einigen Medien, die durch unser Monitoring im Verlauf der letzten drei Jahre erfasst wurden, hat sich die Anzahl der Beiträge über Belarus um 80 Prozent verringert. Aufgekommen ist ein neuer Trend, wonach man die Weißrussen als Anhänger Russlands bezeichnet“, resümierte Rudnik.

Ihr Kollege Gennadij Korschunow stellte eine Studie vor, die dem gewidmet wurde, wie die Republik Belarus und die Weißrussen in den Ländern, in denen heute die meisten Emigranten aus diesem Land – in Polen, Litauen und Georgien – leben, wahrgenommen werden. Die Angaben wurden auf der Grundlage von tiefgründigen Interviews gewonnen, die in diesen Ländern im Februar-März dieses Jahres geführt worden waren.

Die am stärksten verschwommene Vorstellung herrscht in Georgien. In der älteren Generation wird sie durch die Erinnerungen an die Sowjetzeiten bestimmt, bei den jungen Menschen – durch die Erinnerungen an die Proteste des Jahres 2020.

Die Haltung in Polen wird in Vielem durch die Besonderheiten der Geschichte dieses Landes geprägt. „Die Polen, besonders die ältere Generation, sehen historische Parallelen zwischen dem, was sich heutzutage in Belarus abspielt, und ihrer Epoche der Solidarność, verstehen, was dies für eine Bürde ist, und erinnern sich, wieviel Zeit die Polen gebraucht haben, um die Situation zu klären“, betont Gennadij Korschunow.

In Litauen ist alles komplizierter. Die Haltung verschlechtert sich aufgrund der Probleme des sogenannten Litauentums, der aktiven Ansprüche eines Teils der weißrussischen Emigranten auf das historische Erbe des Großfürstentums Litauen.

„Der Blick auf die Weißrussen als eine Bedrohung hat sowohl das Bild der von Repressalien gepeinigten Belarus als auch der weißrussischen „protestieren“ Gesellschaft versperrt. Bis zu den persönlichen Beziehungen gehen die Anschuldigungen bisher nicht. Hier genießen die Weißrussen weiterhin den Ruf von arbeitsliebenden, verantwortungsvollen und disziplinierten Menschen“, betont der Experte.

Außerdem konstatieren die Weißrussen sowohl in Georgien als auch in Litauen und Polen seitens ukrainischer Organisationen ein Misstrauen ihnen gegenüber. Und selbst zielgerichtete Versuche, Beziehungen anzubahnen, bringen bei Weitem nicht immer ein Ergebnis.