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Investoren machen einen Bogen um Turkmenistan


Turkmenistan ist als eine der unfreiesten Volkswirtschaften der Welt anerkannt worden. Zu solch einem Fazit gelangten Experten des US-amerikanischen Forschungsinstituts „Heritage Foundation“ nach einem Studium der Situation in 184 Ländern. Aufgrund der unvollkommenen Gesetzgebung, der fehlenden Transparenz für die Wirtschaftstätigkeit und der Korruption im Land kommen keine ausländischen Investoren ins Land. Die Wirtschaftskrise, die vor einigen Jahren begonnen hatte, wurde zur schwersten in der Geschichte des unabhängigen Turkmenistans. Die Offiziellen behaupten jedoch, dass das Land in einer Epoche „der Stärke und des Glücks“ lebe.

Die Experten von Heritage Foundation bewerteten die Wirtschaftssituation auf der Grundlage von zwölf Parametern, die zu vier Gruppen vereint wurden: die Oberhoheit des Gesetzes, die Effektivität der staatlichen Verwaltung, die Größe des Staatsapparates und die Offenheit des Marktes. Turkmenistan belegte den 167. Platz im Index der Wirtschaftsfreiheit-2021“, wobei es auf 47,4 von 100 möglichen Punkten gekommen war.

In der Untersuchung, die auf der Internetseite „Chronik Turkmenistans“ veröffentlicht wird, wird darauf hingewiesen, dass im Land keine Wirtschaftsreformen durchgeführt werden würden, und die existierenden Gesetze würden nicht erfüllt werden. Der private Sektor sei faktisch tot. Im Land nehme die Arbeitslosigkeit zu, die Wirtschafts-, Finanz- und Lebensmittelkrise würde sich vertiefen. Seit dem vergangenen Jahr haben Schwierigkeiten mit der Versorgung der Bevölkerung mit subventionierten Nahrungsmitteln begonnen. An den Läden bilden sich riesige Menschenschlangen, die aufgrund billigen Pflanzen- oder Baumwollöls, Mehl und Eiern stundenlang anstehen. Wobei all diese Lebensmittel in den meisten Regionen limitiert sind und gegen Bezugsscheine ausgegeben werden. Bildern aus Turkmenistan nach zu urteilen geht es dort um kein Prosperieren. Obgleich die Herrschenden weiter behaupten, dass Turkmenistan weltweit das vierte Land hinsichtlich der Gasvorräte sei und die Bevölkerung in einer Epoche „der Stärke und des Glücks“ lebe. Jedoch vermag das Land seine gewaltigen Ressourcen nicht zu monetisieren.

Die Ursache dafür ist, dass in Turkmenistan ein Monopolrecht des Staates auf die Erschließung und Ausbeutung der Onshore-Öl- und Gasfelder besteht, da sich der Boden in staatlichem Eigentum befindet. Für ausländische Investoren sind nur die Schelf-Felder im Kaspischen Meer zugänglich. Das Investitionsklima verbessert sich nicht. Dazu kommt die fehlende Transparenz des legislativen Systems und der Justiz des Landes, das Präsident Gurbanguly Berdymuchamedow unterstellt ist. Die ausländischen Investitionen beschränken sich auf wenige ausgewählte Partner. Die Investoren schrecken das Fehlen von Transparenz und die unklaren Regulierungsmechanismen ab.

Allerdings sind in Turkmenistan beinahe keine ausländischen Unternehmen geblieben. Eine Ausnahme bildet der Öl- und Gassektor. Die zahlreichen Versuche, ausländische Investoren ins Land zu locken, endeten oft mit Klagen in internationalen Gerichten. Im Jahr 2018 war beim Internationalen Zentrum zur Regulierung von Investitionsstreitigkeiten – dem Schiedsgericht, das zur Gruppe von Organisationen der Weltbank gehört – eine Klage gegen Turkmenistan durch das Unternehmen SECE İnşaat (Türkei) und das Investitionsunternehmen Unionmatex Industrieanlagen GmbH (Deutschland) im Zusammenhang mit einer Nichteinhaltung der Vertragspflichten im Bauwesen durch die turkmenische Seite eingereicht worden. Im Jahr darauf hatte sich auch die weißrussische Baufirma „Belgorkhimprom“ mit genau solch einer Klage an das Gericht gewandt. Aschchabad schuldete ihr über 150 Millionen Dollar. Regelmäßig ergeben sich Probleme für den italienischen Konzern ENI, der das Kaspi-Schelf erschließt. Oft muss Präsident Berdymuchamedow persönlich die Konflikte regeln. Die Investoren sprechen gleichfalls von einer spürbaren Diskriminierung seitens der Behörden, einer politisierten Bürokratie und von einem hohen Grad an Korruption.

Der Experte für Zentralasien und den Mittleren Osten Alexander Knjasew sagte der „NG“, dass sich die Wirtschaft bei einem sehr hohen Grad an staatlicher Kontrolle unter dem Einfluss solcher Faktoren wie die hohe Korruption auf verschiedenen Ebenen der staatlichen Strukturen und die Dynamik der Rotation des Personals befinde. Im Ergebnis dessen ergebe sich, dass die Beamten keine Verantwortung gegenüber dem Investor tragen würden.

„Die ganze Wirtschaft des Landes ist mit Ausnahme des Öl- und Gassektors zwischen den dem Präsidenten und seiner Familie Nahestehenden aufgeteilt worden und ist eine Quelle persönlicher Einnahmen, die auf unterschiedlichste Art und Weise erzielt werden. Dies kann zweifellos einen ausländischen Investor nicht befriedigen“, betonte Knjasew. Nach Aussagen des Expertenhätten die Offiziellen nie in eine langfristige Entwicklung des Landes investiert. Die Schaffung von Transportkorridoren, die als perspektivreiche Zukunftsprojekte ausgegeben werden, bringen dem turkmenischen Haushalt keinen besonderen Gewinn, da sie nicht mit voller Kraft funktionieren. Durch diese Korridore gibt es bisher nichts, was man befördern kann. In Kasachstan ist beispielsweise schon die Frage nach der Zweckmäßigkeit einer Bedienung der Magistrale China-Kasachstan-Turkmenien-Iran aufgekommen.

„Dies gilt auch für die transkaspischen Transportprojekte. In diesem Fall muss man aber auch noch das Umladen der Container berücksichtigen, was im Endergebnis zu einer Zunahme des Endpreises der Waren führt. Daher ist die Rentabilität dieser Korridore fraglich. Diese Transportkorridore werden durch die westlichen Länder ausgehend von politischen Erwägungen unterstützt. Beispielsweise durch die Türkei zwecks Ausdehnung ihres Einflusses auf den Osten. Daher können diese Korridore für Turkmenistan keine Quelle ernsthafter Einnahmen für den Haushalt sein“, betonte Knjasew. Seiner Meinung nach seien grundlegende Reformen in der Wirtschaft des Landes notwendig.

Nach Meinung des Experten werde der turkmenische Haushalt in der nächsten Zeit aufgrund des Rückgangs der Einnahmen aus dem Verkauf von Erdgas signifikant zusammenschrumpfen. Unter anderem ist der Gasexport nach China, das zum einzigen Käufer dieses Energieträgers geworden ist, im vergangenen Jahr um 20 Prozent eingebrochen und machte nur ganze 28,6 Milliarden Kubikmeter aus. Heute verhandelt Aschchabad mit der Türkei über einen Transit seines Gases nach Europa. Jedoch sei es für Aschchabad logischer, meint Alexander Knjasew, auf die Herstellung verflüssigten Erdgases zu setzen.