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Israel schloss sich den Gegnern von „Turk Stream“ an


Israels Regierung hat das Abkommen mit Griechenland und Zypern über den Bau der Östlichen Mittelmeer-Gaspipeline (EastMed) ratifiziert, die zu einem direkten Konkurrent des Projekts „Turk Stream“ wird. Ungeachtet dessen, dass die Offiziellen des jüdischen Staates in ihren Kommentaren über die Perspektiven von EastMed vorsichtig sind, wird der Prozess zur Schaffung eines Energieblocks mit Athen und Nikosia unweigerlich zu einer Konfrontation der Interessen mit der Türkei führen, die ihr eigenes Spiel im Östlichen Mittelmeer spielt.

Israels Energieminister Yuval Steinitz konstatierte, dass EastMed den Wirtschaftsinteressen seines Landes entspreche. Das Abkommen über den Bau der Gaspipeline, deren projektierte Leistung 10 Milliarden Kubikmeter Gas im Jahr erreichen wird, war bereits im Januar dieses Jahres durch Israel, Griechenland und Zypern unterzeichnet worden. Wie erwartet wird, wird EastMed die auf den Feldern „Aphrodite“ und „Leviathan“ geförderten Ressourcen zum kontinentalen Teil Griechenlands befördern und über Zypern und Kreta verlaufen. Das Endziel ist die Lieferung des Erdgases nach Italien, von dem bisher noch eine offizielle Antwort erforderlich ist. „Aphrodite“ befindet sich südlich von Zypern und westlich zum unweit der Küste von Israel gelegenen Gasfeld „Leviathan“.

Die Israelis demonstrieren Vorsicht bei der Kommentierung der Ziele von EastMed, um die Streitigkeiten mit der Türkei und deren Staatsoberhaupt Recep Tayyip Erdoğan nicht zu vertiefen. Der jüdische Staat beschränkt sich auf Statements über die großen ökonomischen Vorteile des Projekts und über die Notwendigkeit, die Sicherheit in der Region zu verstärken. 

Dennoch ist der Interessenskonflikt mit Ankara unvermeidlich. Die Gaspipeline soll durch Seegebiete verlaufen, die nicht abgegrenzt wurden und Gegenstand territorialer Widersprüche sind. Die Türkei kämpft um einen Teil des Meeresgebietes zwischen Griechenland und Zypern und bezeichnet ihn als seine eigene Meereszone. Ganz zu schweigen davon, dass EastMed dem Projekt Moskaus und Ankaras „Turk Stream“ einfach in die Quere kommt. 

Zugunsten Israels, Griechenlands und Zyperns spricht das, dass der Bau der EastMed-Gaspipeline die Unterstützung der Vereinigten Staaten erhalten hat. Für Washington ist es prinzipiell wichtig, die Abhängigkeit der europäischen Hauptstädte vom russischen Gas zu verringern. Mehr noch, die Anerkennung des Rechts von Zypern auf die Nutzung der Reichtümer von „Aphrodite“, auf die auch die Türkei Anspruch erhebt, aber auch auf die Ausbeutung des neben der Insel gelegenen Feldes „Calypso“ gibt den Amerikanern ein gutes Instrument für politischen Druck auf Ankara in die Hände, das sich daran gewöhnt hatte, die US-amerikanische Elite mit der Qualität seiner Beziehungen mit Russland zu erpressen. Den Grad der Sensibilität dieser Frage für die türkische Führung illustrieren gut die Versuche Ankaras, demonstrative geologische Erkundungsarbeiten in den umstrittenen Gebieten durchzuführen.

Die Offiziellen der Türkei haben mehrfach demonstriert, dass sie zu jeglichen Szenarios bereit sind. Es ist kein Zufall, wie die griechische Zeitung „Kathimerini“ berichtete, dass Athen die Risiken einer bewaffneten Konfrontation durchgerechnet habe. Im Verlauf der letzten Kontakte zwischen Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und dem griechischen Regierungschef Kyriakos Mitsotakis wurde das Thema des Erwerbs von zwei Mehrzweckfregatten der Belharra-Klasse durch Griechenland für dessen Seestreitkräfte angesprochen. Haupthindernis für einen Vertragsabschluss bleibt bisher der hohe Preis (drei Milliarden Euro), wenn man die gegenwärtigen finanziellen Schwierigkeiten Athens berücksichtigt. Dennoch beabsichtigt Griechenland, eine Garantie dafür zu erhalten, dass seine Kriegsmarine hinsichtlich der potenziellen Herausforderungen seitens der Türkei gefechtsbereit ist.  

Wichtig ist, dass der Bau von EastMed nicht nur durch politische, sondern auch durch technische Faktoren belastet wird. Zweifel hinsichtlich der Perspektiven lösen nicht nur die Länge der Gaspipeline, sondern auch die Tiefe, in der die Rohre verlegt werden sollen, aus. Die Länge der Östlichen Mittelmeer-Gaspipeline wird etwa 1900 Kilometer ausmachen, da sie ihren Anfang ab dem öl- und gashöffigen Levantinischen Becken etwa 200 Kilometer südlich von Zypern nimmt, weiter bis zur griechischen Insel Kreta und dann über den Festlandsteil Griechenlands verläuft und an der Küste der Region Apulien im Osten Italiens endet. Und unter Wasser sollen 1300 Kilometer Rohre verlegt werden. Derweil macht die Meerestiefe an einigen vom Projekt erfassten Stellen mehr als drei Kilometer aus. 

Danach folgt die Frage nach dem Preis. Man erwartet, dass die Kosten der Gaspipeline die deklarierten sieben Milliarden US-Dollar übersteigen werden. Laut unabhängigen Schätzungen können sie elf bis zwölf Milliarden US-Dollar erreichen, wenn man die Onshore-Abschnitte von EastMed, aber auch den Unterwasserbereich, der zwischen Griechenland und Italien liegt, berücksichtigt. Gleichzeitig bestehen auch Zweifel in Bezug auf die Zweckmäßigkeit des Vorhabens an sich. Es wird als Konkurrenten nicht nur „Turk Stream“, sondern auch andere Projekte haben, solche wie ein Terminal für verflüssigtes Erdgas auf Zypern oder eine zypriotische Pipeline nach Ägypten. 

Das letzte Wort hat jetzt Italien zu sagen, wo ein Teil der Politiker das Projekt kritisierte, unter anderem aufgrund der potenziell negativen Beeinflussung der Umwelt. 

Um die Situation mit EastMed gibt es vorerst zu viel Unbestimmtheit. Das einzige ist, dass der Schritt Israels Klarheit hinsichtlich der Gerüchte über die Möglichkeit des Entstehens einer türkisch-israelischen Gaspipeline gebracht hat. In israelischen Wirtschaftskreisen hieß es, dass die Unternehmen, die das Feld „Leviathan“ kontrollieren (Delek, Ratio Oil, Noble Energy), es möglicherweise vorgezogen hätten, das Gas in die Türkei zu liefern, wenn dies die politische Situation erlauben würde. Allem nach zu urteilen bleiben jedoch Israel und die Türkei vorerst auf unterschiedlichen Seite der Barrikade.