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Ist die ukrainische „Drohnen-Armee“ wirklich bis zum Kreml gekommen?


Die Versuche der ukrainischen Militärs, mit Hilfe von Drohnen Schläge gegen russische Objekte zu führen, werden immer gefährlicher. In der Nacht zum 3. Mai habe die Ukraine versucht, mit Hilfe von zwei Drohnen den Kreml anzugreifen und damit einen Attentatsversuch auf Russlands Präsident verübt, erklärte man im Pressedienst des russischen Staatsoberhauptes. Die Drohnen seien außer Gefecht gesetzt worden, Wladimir Putin sei nicht zu Schaden gekommen (zumal er zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht im Kreml gewesen war, was in der Mitteilung des Pressedienstes unter den Teppich gekehrt wurde – Anmerkung der Redaktion). Urteilt man anhand von Medien-Berichten und Mitteilungen der russischen Militärs, werden die Attacken ukrainischer Drohnen gegen Objekte in Russland beinahe zu täglichen. Jedoch sei nicht geplant, die Siegesparade in Moskau am 9. Mai abzusagen.

Allein in der Nacht vom 2. zum 3. Mai ist das Territorium Russlands mehrfach in verschiedenen Regionen mittels Drohnen angegriffen worden. Unter anderem geriet in der Siedlung Wolna des Verwaltungskreises Temrjuk der Verwaltungsregion Krasnodar ein Tanklager mit Erdölprodukten in Brand, der laut vorläufigen Angaben durch die Einwirkung von Drohnen begonnen hatte. Eine Drohne hatte gleichfalls einen Sprengsatz auf eine Baustelle für Schutzbauten im Verwaltungsgebiet Belgorod abgeworfen, wodurch eine Person verletzt wurde. Eine Reihe von Telegram-Kanälen meldete eine Drohnen-Attacke gegen einen Militärflugplatz im Verwaltungsgebiet Brjansk in der Nacht zum Mittwoch.

Zum spektakulärsten wurde aber der Versuch, einen Schlag mit zwei Drohnen gegen den Kreml zu führen (obgleich es unter Beobachtern große Zweifel an der Glaubwürdigkeit dieser Informationen gibt – Anmerkung der Redaktion). Vertreter des Präsidenten der Russischen Föderation teilten am 3. Mai — beginnend ab 14.45 Uhr Moskauer Zeit – mit, dass sie diese Handlungen als eine „geplante terroristische Aktion und Anschlag auf den Präsidenten der Russischen Föderation“ bewerten würden. „Im Ergebnis der durch die Militär- und Sicherheitsdienste ergriffenen rechtzeitigen Handlungen wurden unter Einsatz von funkelektronischen Kampfsystemen die Apparate außer Gefecht gesetzt“, informierte der Kreml-Pressedienst. Dabei sind in den Medien auch Videoaufnahmen aufgetaucht, auf denen zu sehen ist, wie ein unbekanntes Objekt, das später über der Kuppel des Senatsgebäudes explodierte, über das Kreml-Gelände fliegt.

Im Verlauf des Zwischenfalls sei Russlands Staatsoberhaupt nicht zu Schaden gekommen. Und durch den Absturz der Drohnen-Trümmer auf dem Territorium des Kremls sei niemand verletzt worden und sei kein materieller Schaden entstanden, erklärte der Pressdienst (der bisher auch keinerlei Bilder von den angeblichen Drohnen-Trümmern vorgelegt hat – Anmerkung der Redaktion). „Die russische Seite behält sich das Recht vor, Antwortmaßnahmen dort und dann zu ergreifen, wo und wann sie es für notwendig erachtet“, drohte man im Kreml an. In Moskau wurde sofort ein Verbot für den Start von Drohnen verhängt. Eine Ausnahme gilt für die Drohnen, die per Entscheidung der staatlichen Behörden eingesetzt werden, erklärte Sergej Sobjanin, der Bürgermeister der russischen Hauptstadt. Und der Pressesekretär des russischen Staatsoberhauptes, Dmitrij Peskow, beeilte sich zu erklären, dass die Siegesparade auf dem Roten Platz am 9. Mai stattfinden werde, wie es auch geplant wurde. Es sei daran erinnert, dass die Frage darüber, wie sicher es sein werde, eine Parade unter den gegenwärtigen Bedingungen abzuhalten, mehrfach aufgeworfen wurde. Jedoch hatten jedes Mal die Kreml-Vertreter mitgeteilt, dass die für den Tag des Sieges traditionelle Veranstaltung stattfinden werde.

Was für Drohnen setzen die ukrainischen Militärs ein?

Derweil führen die ukrainischen Militärs immer aktiver ihre Schläge unter Einsatz von Drohnen – sowohl gegen die Infrastruktur als auch gegen Militärobjekte. Der ukrainische Minister für digitale Transformation, Michail Fjodorow, hatte bereits im vergangenen Jahr informiert, dass Kiew hunderte Drohnen im Rahmen des Projekts „Drohnen-Armee“ erwerben werde. Drohnen setzten die ukrainischen Streitkräfte aktiv an der Front ein (aber auch die russische Seite – Anmerkung der Redaktion). Und im März dieses Jahres erklärte Wladimir Rogow, Mitglied des Hauptrates der Verwaltung des von Russland vollkommen beanspruchten Verwaltungsgebietes Saporoschje, dass Kiew eine „Armee“ von Kamikaze-Drohnen vorbereite, um einen massiven Schlag gegen die Region zu führen. Experten sowohl in der Russischen Föderation als auch im Westen betonen gleichfalls, dass die Streitkräfte der Ukraine planen würden, massenhaft Drohnen im Verlauf der von den ukrainischen Offiziellen und Militärs angekündigten Gegenoffensive gegen die von den russischen Truppen kontrollierten Territorien einzusetzen.

In den Abendstunden des 1. Mai war ein erneuter Versuch unternommen worden, mittels Drohnen den Hauptstützpunkt der russischen Schwatzmeerflotte anzugreifen. „Beim Versuch eines Anfliegens der Bucht von Sewastopol wurde durch die Kräfte der Luftverteidigung eine Drohne abgeschossen“, teilte Bürgermeister Michail Raswoschajew mit. Eine zweite Drohne wurde über der Halbinsel abgeschossen, wobei einzelne Medien in ihr das sowjetische Aufklärungsmodell Tu-141 „Mauersegler“ auszumachen glaubten.

Bisher ist dieser sechs Tonnen schwere Apparat der schwerste der von den ukrainischen Streitkräften eingesetzten. Der nächste ist „Bayraktar TB2“ aus türkischer Fertigung vom Rating her – mit einer maximalen Startmasse von 700 Kilogramm (bei einer Nutzlast von bis zu 150 Kilogramm).

Bei der auf dem Flughafen von Istanbul veranstalteten Messe „Technofest“ hatten Vertreter der Ukraine und die Leitung der Firma „Baykar“ drei weitere Abkommen über eine Zusammenarbeit unterzeichnet und ein Gemeinschaftsfoto vor einem Modell der Drohne „Akinci“ mit einer maximalen Startmasse von 6000 Kilogramm gemacht.

Während der bereits den 15. Monat erfolgenden Sonderoperation in der Ukraine hat die russische Armee laut eigenen Angaben etwa einhundert Bayraktar-Drohnen vernichtet. Aber die andauernden türkischen Lieferungen erlauben nicht, die Zahl als eine endgültige anzusehen.

Die überwiegende Zahl der von den Ukrainern eingesetzten Drohnen machen Apparate kleiner und maximal kleiner Klassen aus, die in der Lage sind, maximal ein paar Handgranaten zu transportieren. Sie sind entweder als fertige in China eingekauft oder vor Ort aus chinesischen Bauteilen zusammengebaut worden. Es handelt sich dabei also nicht um Militärtechnik, sondern um kommerzielle, die auf die Schnelle für Aufklärungs- und Kampfaufgaben umgerüstet worden sind.

Große Popularität genießen bei der Erfüllung von Aufgaben an der Frontlinie Apparate aus der Familie der Propeller-Drohnen (Serie „Maschik“). Unter den flugzeugartigen Drohnen sind die Apparate der Marke „Migun“ populär. Ihre Reichweite beträgt hunderte Kilometer und reicht aus, um von Odessa aus bis nach Sewastopol zu fliegen.

Ukrainische Unternehmen produzieren die eigenen Modelle „Leleka“, „Furie“, „Walküre“ u. a. Sie nutzen ausländische Motoren und andere Bauteile. Ihr Hauptvorzug gegenüber den kommerziellen ist, dass die Elektronik stabiler bei einer Einwirkung funkelektronischer Kampfmittel arbeitet. Wenn man diesen Umstand ignoriert, schaffen es die Drohnen, mehrere Einsätze bis zur Frontlinie zu fliegen, solange sie keine Opfer der funkelektronischen Kampfmittel werden. Und die entsprechend militärischen Standards gefertigten Flugapparate werden vor allem durch das Gegenfeuer vernichtet.

Die Ukrainer, die ihre Drohnen zu Zielen im Moskauer Gebiet, im Leningrader Verwaltungsgebiet oder auf der Krim starten, entscheiden sich meistens für kommerzielle Drohnen des Typs „Migun-5“ u. ä. Aber die Drohnen, die entsprechend militärischen Standards gebaut wurden, setzt die ukrainische Armee bevorzugt im Bereich der Kampfhandlungen ein, da sie eine größere Stabilität gegenüber funkelektronischen Kampfmitteln Russlands besitzen.

Für die gestellte Aufgabe – Panik auszulösen – ist die Reichweite der „Migun-5“-Modelle ausreichend. Doch die Nutzlast ist eine geringe. Werden leistungsstärkere Modelle eingesetzt, läuft man Gefahr, leichter durch Radar- und Infrarot-Anlagen entdeckt und durch Fla-Raketen abgeschossen zu werden.

Bisher zieht Kiew „billigere“ und „kleinere“ Drohnen vor, wobei es hofft, dass ihre geringe Auffälligkeit erlauben wird, die russischen Luftverteidigungskräfte zu umgehen. Und die geringe Bomben-Nutzlast wird durch die informationsseitige und propagandistische Wirkung kompensiert. Im Ergebnis dessen erweisen sich die Angriffsflüge selten als ergebnisreiche. Es gibt aber auch Ausnahmen. So vermochte am 27. April eine von vier Drohnen – vermutlich vom Typ „Migun-5“ – Öltanks am Ufer der Kosakenbucht des Krasnodarer Gebietes zu treffen. Der angerichtete Schaden war kein sehr großer, da das Tanklager am Kap Manganari vor allem als ein Reservelager genutzt wird. Dagegen war der eingangs erwähnte Brand in der Siedlung Wolna ein größerer, so dass die Rauchwolken in einem großen Umkreis zu sehen waren.

Post Scriptum:

Am Donnerstag hat Kreml-Sprecher Dmitrij Peskow sich zu der angeblichen Drohnen-Attacke in der Nacht zum 3. Mai geäußert. Der Zwischenfall werde sorgfältig untersucht. Und ohne Beweise vorzulegen, behauptete er, dass die Entscheidung über den Schlag gegen den Kreml mittels Drohnen nicht in Kiew, sondern in Washington getroffen worden sei. Als Konsequenz sind inzwischen die Sicherheitsvorkehrungen rund um den Kreml verstärkt worden, was sich darin äußert, dass an mehreren Stellen das Funknetz nur bedingt funktioniert. Und es ist zu erwarten, dass am 9. Mai die Störungen noch massiver sein werden. Peskow informierte ebenfalls, dass Russlands Antwort auf die „Drohnen-Attacke“ gegen den Kreml eine durchdachte und ausgewogene sein werde.