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Je umfangreicher die staatliche Unterstützung desto geringer die Geburtenrate


Die Geburtenrate in Russland ist im letzten Jahrzehnt um fast 20 Prozent gefallen und geht weiterhin zurück, ungeachtet der ständigen Aufstockung der staatlichen Unterstützungen für die Familien mit Kindern. Eine der Erklärungen für dieses Paradoxon war in neuen Bevölkerungsbefragungen auszumachen, die zeigen, dass die staatliche Unterstützung lediglich auf Rang 5 im Rating der wichtigsten Grundlagen beim Treffen der Entscheidung über die Geburt eines Kindes liegt. Solche Zahlen von Befragungen russischer Bürger veröffentlichten die Forschungsholding ROMIR und Experten der Firma „Yakov & Partners“ (des früheren Ablegers der Consulting-Firma McKinsey in der Russischen Föderation).

Bürger Russlands nannten die Faktoren, die die Entscheidung über die Geburt eines Kindes beeinflussen. Die Soziologen der Holding ROMIR und des Unternehmens „Yakov & Partners“ fragten Bürger Russlands, wie ihre Familien die Entscheidung über die Geburt von Kindern treffen.

Im Verlauf der Befragungen ermittelten die Forscher, welche Faktoren zur Beeinflussung der Entscheidung über die Geburt eines Kindes die Einwohner Russlands nennen.

„Für alle Befragten unabhängig von ihrem Alter, der Höhe der Einkommen und Wohnort bleiben die finanziellen Möglichkeiten der Hauptfaktor beim Treffen der Entscheidung über die Geburt eines Kinds. Dabei sind die Faktoren, die die Entscheidung, ein Kind zur Welt zu bringen, beeinflussen, für die Frauen und Männer praktisch die gleichen“, kommentierte Jelena Kusnetzowa, die Direktorin von „Yakov & Partners“ und Co-Autorin der Studie. „Für die Befragten im Alter von 18 bis 19 Jahren gehören zu den Hauptfaktoren auch die Qualität der Ausbildung (25 Prozent) und die Möglichkeit einer Verbindung des Familienlebens mit der beruflichen Karriere (25 Prozent). Und für die befragten Einwohner aus Millionenstädten (mit Ausnahme von Moskau und Sankt Petersburg), ist die Sicherheit für das Kind der von der Bedeutung her zweite Faktor (23 Prozent)“, fügte sie hinzu.

Die Untersuchung über die Hauptmotive bei der Familienplanung wurde im Mai dieses Jahres durchgeführt. Zur Basis für die Berechnungen wurde das soziale Messsystem der Holding ROMIR, das erlaubt, die Stimmungen in der Gesellschaft in einer dynamischen Entwicklung und unter Berücksichtigung der Besonderheiten und Segmentierung entsprechend sozial-demografischer Parameter, entsprechend dem Lebensstil, den Werten und anderer Kriterien zu analysieren.

Bei Beantwortung der Frage „Haben Sie vor, sich in der überschaubaren Zukunft ein Kind zuzulegen?“ antworteten rund 16 Prozent der Befragten mit einem JA, wobei sieben Prozent eingestanden, dass sie dies bereits im Verlauf des nächsten Jahres tun würden.

Am meisten äußern Befragte aus der Y-Generation (20 bis 37 Jahre) den Wunsch, sich Kinder zuzulegen. Und am seltensten – Vertreter der X-Generation (38 bis 58 Jahre). Dabei heben die Experten eine bemerkenswerte Gesetzmäßigkeit hervor: Je höher die Einkommen der Befragten, desto größer ist ihr Wunsch, Kinder zur Welt zu bringen. Am spürbarsten nimmt der Anteil derjenigen, die Kinder haben wollen, bei einem Übergang des Einkommensniveaus von 20.000 bis 80.000 Rubel zu einem Niveau von 80.000 bis 120.000 Rubel im Monat zu (von 16 bis 23 Prozent), teilen die Forscher mit. Wenn das Einkommensniveau 120.000 Rubel im Monat übersteigt, nimmt der Anteil derjenigen, die einen Kinderwunsch haben, weiter zu, obgleich nicht so intensiv. Und er erreicht 26 Prozent. Derweil sind für die überwiegende Mehrheit der Bürger Russlands die aktuellen Einkommen heute erheblich geringer als 80.000 bis 120.000 Rubel im Monat. Laut der offiziellen Statistik lagen im vergangenen Jahr die laufenden Einkommenden der Bürger Russlands im Bereich von 20.000 bis 80.000 Rubel.

Nach Aussagen der Exekutivdirektorin von ROMIR, Inna Karajewa, habe die Studie gezeigt, dass die effektivsten Maßnahmen für eine staatliche Unterstützung, die auf eine Erhöhung der Geburtenrate abzielen, eine Verbesserung der Bedingungen des Schwangerschaftsurlaubs (35 Prozent), die Anhebung der Zugänglichkeit und Qualität der medizinischen Hilfe (34 Prozent) und eine Aufstockung des Mutterschaftskapitals (33 Prozent) sind, während das Propagieren kinderreicher Familien unter allen Faktoren das Schlusslicht bildet (18 Prozent). „Zur gleichen Zeit unterscheidet sich die Relevanz der Faktoren für die Befragten aus den verschiedenen Kategorien“, erläuterte sie. „Für die Frauen ist eine Verbesserung der Bedingungen für den Schwangerschaftsurlaub (52 Prozent) und der Qualität der medizinischen Hilfe (49 Prozent) erheblich wichtiger. Für die Befragten im Alter von 20 bis 37 Jahren gehört die Erhöhung der Zugänglichkeit zu Kindergartenplätzen und Zirkeln (24 Prozent) zu den Hauptfaktoren, und für die Vertreter der Z-Generation – die Erweiterung des Programms für Familienhypotheken (35 Prozent). In den föderalen Bezirken, wo der geringste Prozentsatz derjenigen, die Kinder haben wollen, beobachtet wird (im Südlichen, im Nordkaukasischen und Sibirischen), spielen solche Faktoren wie eine Verbesserung der Zugänglichkeit zu Kindergartenplätzen und Zirkeln (32 Prozent), aber auch eine Erweiterung des Programms für Familienhypotheken (23 Prozent) eine bedeutsame Rolle.

Für den Hauptfaktor bei der Entscheidung über die Geburt eines Kindes halten die Befragten die finanziellen Möglichkeiten (47 Prozent). Weiter folgen entsprechend der Relevanz solche Faktoren wie die Zugänglichkeit und Qualität der medizinischen Hilfe (22 Prozent), und der Kinderwunsch (22 Prozent). Die staatliche Unterstützung fand sich aber nur auf dem fünften Rang wieder (15 Prozent).

Neben Fragen über die aktuellen Einkommen klärten die Soziologen auch die Abhängigkeit der Wichtigkeit der einen oder anderen Faktoren in Abhängigkeit vom Wohnort der Befragten. Der Grund für das Interesse für den Wohnort ist damit zu erklären, dass laut Angaben der offiziellen Statistik der Russischen Föderation die Geburtenrate in ländlichen Ortschaften wesentlich höher als in unseren Städten ist. Der Gesamtkoeffizient für die Geburtenrate – d. h. die Anzahl der geborenen Kinder je Frau – ist heute auf dem Land fast 17 Prozent höher als in den Städten. Der Gesamtkoeffizient der Geburtenrate der Landbevölkerung Russlands beträgt 1,59, während er für die Stadtbevölkerung nur 1,36 ausmacht.

Dabei war in den vergangenen Jahren der Unterschied der Gesamtkoeffizienten für die Geburtenrate bei der Land- und bei der Stadtbevölkerung noch größer. So lag der Koeffizient für die Geburtenrate auf dem Land fast um 43 Prozent höher als in den russischen Städten. Und in den Jahren 2013-2014 hatte das russische Dorf die Städte bezüglich des Koeffizienten für die Geburtenrate gar um 46 Prozent übertroffen. Im Zusammenhang mit diesen Daten der Demografie-Statistik sind bei einigen russischen Politikern und Ideologen die Ideen aufgekommen, die Stadtbevölkerung in die Dörfer umzusiedeln. Oder in einer sanfteren Form – Ideen für eine Einschränkung des Wachstums der Stadtbevölkerung der Russischen Föderation im Interesse einer Überwindung der Entvölkerung des Landes.

Befragte aus kleineren Orten mit einer Bevölkerung von weniger als 100.000 Einwohnern sind mehr geneigt, sich Kinder zuzulegen (22 Prozent), bestätigen die Soziologen von ROMIR. Der größte Wunsch, Kinder zu haben, ist bei den Einwohnern des Fernöstlichen föderalen Bezirks fixiert worden (24 Prozent), der geringste – bei den Bewohnern des Sibirischen föderalen Bezirks (13 Prozent).

Im Verlauf der gemeinsamen Studie wurde der Bereitschaftsgrad der Befragten zu einem Umzug in Kleinstädte mit einer Bevölkerung von bis zu 100.000 Einwohnern untersucht. Die Experten heben hervor, dass die Hauptfaktoren, die das Treffen einer Entscheidung über solch einen Umzug beeinflussen, ein komfortables Stadtambiente (42 Prozent), hohe Löhne und Gehälter (41 Prozent) und qualitativ hochwertiger Wohnraum (40 Prozent) sind. Die größte Mobilität demonstrieren erwartungsgemäß junge Menschen. Bis zu 48 Prozent der Befragten im Alter von 18 bis 19 Jahren sind bereit, in kleinere Städte umzuziehen. Für sie sind jedoch alle Faktoren wichtig – von einem komfortablen Milieu bis zur Nähe zu Kultur- und Sportzentren. Die ältere Generation ist weniger mobil, aber 32 Prozent würden ein Umziehen in kleinere Städte unter der Bedingung eines komfortablen städtischen Umfelds und 30 Prozent unter der Bedingung komfortablen Wohnraums erwägen. Für die materiell sichergestellten Bürger Russlands, darunter die Einwohner Moskaus und Sankt Petersburgs, ist das Umziehen in eine kleinere Stadt möglich, wenn sie dort in einem eigenen Haus wohnen können (38 Prozent).