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Kamila Walijewa hätte gleich zwei Siege erringen müssen


Die russische Eiskunstläuferin Kamila Walijewa hatte die Kurzkür bei den Olympischen Winterspielen in Peking gewonnen und bereitete sich unter schwierigen Bedingungen auf die große Kür vor, in der sie leider viele Fehler machte und letztlich ohne eine Medaille ausging. Ihr Fall ist aber noch weit bis zu einem Abschluss. Vertreter des Internationalen Olympischen Komitees hatten bereits erklärt, dass die 15-jährige Sportlerin nur bedingt als eine Siegerin oder Medaillengewinnerin hätte anerkannt werden können – bis zum Abschluss der Untersuchung ihres Doping-Cases. Eine Auszeichnungszeremonie hätte es, wenn Walijewa einen Podestplatz errungen hätte, nicht gegeben. Die Untersuchung an sich aber kann Monate dauern. Anders gesagt: Walijewa musste zuerst auf dem Eis und dann auch vor Gericht gewinnen.

Wie sehen die Chancen aus, um ihre Unbescholtenheit zu verteidigen? Das IOC teilte mit, dass die B-Probe noch nicht geöffnet worden sei. Man kann annehmen, dass man das verbotene Präparat Trimetazidin in ihr nicht feststellt. Und dies wird dem Fall wesentlich helfen. Hoffnung macht auch dies, dass der Internationale Sportgerichtshof (CAS) sich auf die Seite der Eiskunstläuferin gestellt hat und ihre Suspendierung aufhob und damit erlaubte, in Peking weiter anzutreten. Zur gleichen Zeit darf jedoch auch nicht vergessen werden, dass gleich drei Organisationen gebeten hatten, Walijewa nicht starten zu lassen: die Welt-Anti-Doping Agentur (WADA), der Internationale Eislaufverband (ISU) und das IOC an sich. Man kann sagen, dass sie die Regeln verpflichten. Zur gleichen Zeit bedeutet dies auch, dass Russland keine Organisationen hat, die ihm sympathisieren. Und der CAS ist einfach der letzte (rettende) Strohhalm.

Verbreitet ist die Meinung, dass sich die westliche Presse gegen Russland und Walijewa aufgestellt hätten und fordern würden, unsere Sportler von den nächsten Olympiaden auszuschließen. Dem ist nicht so. Oder nicht ganz so. Selbst in den USA gibt es Journalisten, die radikale Maßnahmen verlangen. Es gibt aber auch jene, die die WADA wegen dem „Antidoping-Zirkus“ hart kritisieren. Viele haben mit Walijewa Mitgefühl – sowohl als einer Minderjährigen als auch einer wirklich sehr starken Sportlerin. Fans hat sie in vielen Ländern. Zur gleichen Zeit ist völlig offensichtlich, dass man nach wie vor großes Misstrauen gegenüber Russland und sein Antidoping-System hat. Ein vager Fall ist ausreichend, damit erneut von einem funktionierenden Betrugssystem gesprochen wird. Dies sind die Folgen der schändlichen Doping-Geschichten aus der jüngsten Vergangenheit. Um das Vertrauen wiederherzustellen, muss der russische Sport nicht einfach sauber sein, sondern auch tadellos und demonstrativ sauber. Schritte in dieser Richtung werden unternommen. Aber jeder Casus kann die gesamte Bewegung stoppen.

Swetlana Schurowa, die Abgeordnete der Staatsduma (des russischen Unterhauses – Anmerkung der Redaktion) und Olympiasiegerin von Turin-2006 (im Eisschnelllauf über 500 Meter – Anmerkung der Redaktion), hat darauf hingewiesen, dass man das Ergebnis der Walijewa-Probe, die bereits am 25. Dezember genommen worden war, lange Zeit nicht bekanntgegeben hätte. Und dies sei seltsam. Nach Aussagen Schurowas (von der Kremlpartei „Einiges Russland“ und 1. Vizevorsitzende des Staatsduma-Ausschusses für internationale Angelegenheiten – Anmerkung der Redaktion) hätte man, wenn man in der russischen Auswahlmannschaft von den Dopingproblemen der Eiskunstläuferin gewusst hätte, sie einfach nicht gemeldet. Merkwürdigkeiten gibt es natürlich, selbst wenn man ins Kalkül zieht, dass man die Probe in Stockholm öffnete. Der Prozess hatte sich aufgrund der Übergabe des Materials und anderer Umstände (dem Moskauer Antidoping-Labor ist zeitweilig die Lizenz entzogen worden) hingezogen. Jetzt wusste man jedoch in der Sbornaja bereits vom Walijewa-Case. Man wusste, dass die Untersuchungen andauern werden, dass die allgemeine Atmosphäre keine günstige ist. Jedoch trat Walijewa auf. Und dies, obgleich es in der russischen Mannschaft andere Anwärterinnen auf die Goldmedaille gab (und Anna Stscherbakowa machte den russischen Erfolg sicher und holte Olympia-Gold in Peking). Dies ist ein Risiko, in Einigem sogar ein Abenteuer.

Die erklärte Linie der Verteidigung ist: Walijewa haben aufgrund eines Fehlers ein Medikament des Opas eingenommen. Dies klingt sehr nett, naiv und untermauert das Bild von einer minderjährigen Sportlerin, in deren Organismus zufällig ein verbotenes Mittel geraten ist. Das Problem besteht darin, dass man diese Version nun vor Gericht beweisen muss. Es muss ausführlich über die Heilbehandlung des Großvaters berichtetet und dies mittels Dokumente bestätigt werden. Dies ist ein Abgehen von den bereits gewohnten Linien der Verteidigung in (gewonnenen) Fällen mit Trimetazidin. Früher war auf das gesetzt worden, dass der jeweilige Sportler „verunreinigte“ biologische Zusätze eingenommen hätte. So etwas zu beweisen, war einfacher. Nunmehr wird Kamila Walijewa unweigerlich zur Geißel der eilig konstruierten „Opa-Version“. Und wichtig ist zu begreifen, dass die öffentliche Meinung fordern wird, nicht die 15jährige Eiskunstläuferin zu bestrafen, sondern das russische System, dem man nicht glaubte und auch nicht glaubt.