Unabhängige Zeitung

Private Tageszeitung

Kasachstan kann die Souveränität verlieren


Die Beziehungen der beiden nahen Verbündeten – von Russland und Kasachstan – machen nicht die besten Zeiten durch. Die Abfolge von Erklärungen, die eigentlich nichts mit Bündnisbeziehungen gemein hatten, die aus dem Munde von Kasachstans Präsidenten folgte, hat russische Experten ernsthaft mit Fragen konfrontiert und eine Welle von Unmut in der russischen Gesellschaft ausgelöst. Und dies vor dem Hintergrund dessen, dass Russland noch vor einigen Monaten als Basis der Streitkräfte der Organisation des Vertrages über kollektive Sicherheit Kasachstan in den Tagen der Januar-Wirren im Verlauf der „farblosen Revolution“ des Jahres 2022 geholfen hatte.

Das Nichtbegreifen der Haltung Kasachstans hinsichtlich des fragwürdigen Sanktionsregimes, das durch eine Reihe von Ländern gegen Russland verhängt wurde und wird, bringt Russlands Bürger in eine sackgassenartige Situation. Einerseits ist es offensichtlich, dass Kasachstan in der gegenwärtigen Situation für sich einem maximalen Vorteil erzielen möchte. Sind aber dafür alle Mittel gegenüber dem entscheidenden Verbündeten gut? Andererseits werden die aus russischer Sicht illegitimen Sanktionen, die gegen Russland durch die angelsächsische Welt verhängt wurden, wobei letztere durch Druck und Erpressung die Länder der EU zwingt, sich ihnen anzuschließen, sehr merkwürdig durch Kasachstan aufgenommen.

Es entsteht der Eindruck, dass in den Augen Kasachstans nicht der kollektive Westen die Sanktionen verhängte, sondern der Herrgott selbst. Sie seien angebliche eine unbestrittene Gegebenheit, die unbedingt umzusetzen seien.

Aber jegliches, wirklich souveränes Land hat, wenn es ein Russland gegenüber freundliches bzw. befreundetes ist, das legitime Recht, deren Einhaltung aufgrund des einfachen Grundes abzulehnen, dass diese Sanktionen nicht die UNO verhängten. Und damit unterscheidet sich die Situation in starkem Maße von dem Sanktionsregime, das beispielsweise gegen den Iran verhängt wurde. Das Argument, dass der eine oder andere Staat verpflichtet sei, das Sanktionsregime gegen Russland einzuhalten, erfordert eine verständliche Erklärung: Wem ist er verpflichtet, warum und im Zusammenhang von was?

Dieser Tage meldete sich Kasachstans Präsident Kassym-Schomart Tokajew mit einer Initiative zur Regulierung der Energiekrise in Europa zu Wort. Das Wesen seiner Vorschläge lief auf die Idee hinaus, die russischen Erdöllieferungen durch Erdöl aus Kasachstan zu ersetzen (und wir wissen, dass sich mit der Förderung, dem Transport usw. des kasachischen Erdöls faktisch Chevron & Co. Befassen, das heißt angelsächsischen Unternehmen).

Tokajew sagte gleichfalls, dass Kasachstan durchaus zu einem Puffer zwischen dem Osten und dem Westen werden könne. Obgleich Russland diese Funktion bereits mehr als ein Jahrhundert wahrnimmt.

Einerseits bemüht sich Kasachstan unter den entstandenen Umständen zweifellos, für sich unter den Bedingungen der entstandenen Instabilität und energiewirtschaftlichen Unbestimmtheit in der EU einen Vorteil zu erzielen. Andererseits als ein Verbündeter Russlands seinen Verbündeten zu verdrängen, während es für letzteren nicht einfach ist. Dies ist irgendwie nicht partnerschaftlich.

Haben möglicherweise die Russische Föderation und Kasachstan eine gemeinsame Entscheidung über die Realisierung eines Schemas getroffen, dem gemäß russisches Erdöl als kasachisches fließen wird? Nein. Dies ist nach dem Beschluss des Primorskij-Stadtbezirksgerichts von Noworossiisk klar geworden, das die Arbeit des Kaspischen Pipeline-Konsortiums (CPC) für 30 Tage aussetzte. (Am 11. Juli ist jedoch diese Entscheidung aufgehoben worden. – Anmerkung der Redaktion). Und für den Transport von rund 80 Prozent des kasachischen Erdöls, das für den Export bestimmt ist, wird das CPC genutzt.

Es kann nicht ausgeschlossen, dass Russland so eine Antwortreaktion auf die es reizenden Handlungen und Worte der kasachischen Seite demonstrierte. Man muss auch den Einfluss derartiger russischer Handlungen auf die Börse und die Preise auf den internationalen Märkten im Blick haben.

Es gibt jedoch noch eine Vermutung, dass in der Zeit des Sanktionsregimes und unter Berücksichtigung dessen, wer der reale Besitzer des kasachischen Erdöls ist (und dies ist ganz und gar nicht die Regierung Kasachstans und umso mehr auch nicht das private kasachische Business, sondern gerade die Angelsachsen) der russische Druck nicht gegen Kasachstan, sondern auf dessen Partner erfolgt, die verfluchten russischen „Freunde“ aus der angelsächsischen Welt.

Die Förderung und Verarbeitung des Erdöls können aufgrund technologischer Ursachen nicht gestoppt werden. Die Möglichkeiten für seinen Transport wurden drastisch verringert und durch die Blockierung des CPC zeitweilig unterbrochen. Die Situation schien der eines Patts zu ähneln. Es gab und gibt aber Möglichkeiten für Verhandlungen.

Solch eine Vorgehensweise hat jedoch einen ernsthaften negativen Aspekt. In Kasachstan – und nicht nur dort – löst dies eine mächtige Welle von Kritik aus. Erneut übt die Russische Föderation auf Kasachstan Druck aus. Nicht auf die westlichen Unternehmen, sondern auf Kasachstan. Die realen Besitzer der Ölförderstätten werden ein Lobbyieren der Schaffung neuer Erdöltransportkorridore über Usbekistan, Turkmenistan, Aserbaidschan und die Türkei beginnen. Über China (da gibt es bereits eine Pipeline), den Iran… Außerdem verlangt die Realisierung all dieser Vorhaben wesentliche Sanktionen für die Infrastruktur der Routen.

Wenn Kasachstan beginnt, Anstrengungen für die Suche nach neuen Wegen für den Transport des Erdöls im Zusammenhang mit der Unzuverlässigkeit des CPC zu unternehmen, wird auch das Konsortium an sich gefährdet. Und als eine Konsequenz auch der Hafen von Noworossiisk.

Überdies wird dies auch eine zusätzliche Welle antirussischer Stimmungen in Kasachstan auslösen, denn die Einstellung der Arbeit des CPC wird auch dem Haushalt von Kasachstan einen Schaden zufügen. Die Vielzahl zweifelhafter Äußerungen seitens Kasachstans und Russlands Handlungen geben einen Anlass für die Hysteriker, besonders der nationalistisch eingestellten und durch den Westen zu (verbalen) Angriffen auf die Russische Föderation und zum Ins-Schlingern-bringen des Bootes der Partnerschaftsbeziehungen stimulierten.

Derzeit ist es wichtig zu verstehen, wer und was hinter den Handlungen unserer Verbündeten steht. Dies kann in gleichem Maße sowohl China als auch die Türkei (hinter der stets Großbritannien vermutet werden muss) sein. Und ungeachtet der Vielzahl vernünftiger und berechtigter Argumente zugunsten von ersterem, neigt der Autor dieser Zeilen eher in Richtung des zweiten.

Der nächste Schritt wäre ein Herausfallen Kasachstans aus einer Reihe überaus wichtiger Verträge, Abkommen und Organisationen im postsowjetischen Raum. Ein Wegdriften Kasachstans von Russland wird jedoch unweigerlich die Gefahr eines Verlusts der Souveränität durch Kasachstan nach sich ziehen. Und möglicherweise nicht nur dies. Kasachstan ist eine Union einer Vielzahl von Stämmen. Und nicht alle kasachischen Stämme haben eine Turk-Herkunft. Unter ihnen gibt es auch welche mit mongolischen Wurzeln. Man darf nicht turksprachige mit ethnischen Turk-Völkern verwechseln.

Es besteht die ernsthafte Gefahr eines Zerfalls des Staates, was nicht unterschätzt werden darf. Nach dem unweigerlichen Scheitern des angelsächsischen Abenteuers in der Ukraine werden die USA, Großbritannien und ihre Vasallen ihren Kampf um die Weltherrschaft auf das Territorium der Staaten Zentralasiens verlegen. Wer dabei leiden wird und was es für Konsequenzen für die Staaten dieser Region geben wird – dies ist Gegenstand eines gesonderten Gesprächs. Der Mehrvektoren-Charakter in der Politik führt im Endergebnis stets zu einem Staatsstreich und möglicherweise auch zu einem Zusammenbruch des Staates.