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Kasachstans Parlamentswahlen kontrolliert streng der Präsident


In Kasachstan ist der Wahlkampf für die Wahlen zum Unterhaus des Parlaments und zu den örtlichen Machtorganen, die vorgezogen am 19. März stattfinden, in die Schlussphase getreten. Experten hielten teilweise die gegenwärtige Kampagne für die interessanteste der letzten 19 Jahre. Die Wahlen erfolgen nicht nur entsprechend von Parteilisten, sondern auch in Direktwahlbezirken. Auf dem politischen Feld war jedoch bisher kein ernsthafter Kampf auszumachen. Und dies wird wohl auch so bis zum Wahltag bleiben.

Der Hauptunterschied der gegenwärtigen elektoralen Kampagne gegenüber den vorangegangenen ist die Rückkehr von Kandidaten auf das politische Feld, die sich beinahe im Alleingang auf die Wählerlisten gebracht haben. Erstmals seit 2004 werden 30 Prozent der Mandate für das Unterhaus des Parlaments (der Majilis) über Direktwahlbezirke vergeben. 29 der 98 Sitze sollen gerade die Gewinner in den Direktwahlbezirken erhalten. Dieser Umstand sollte die parteilosen Bürger aus den Reihen der Kritiker der Offiziellen zur Entscheidung, an den Wahlen in den Direktwahlbezirken teilzunehmen, veranlassen. Die übrigen 69 Sitze werden über Parteilisten vergeben.

In Kasachstan sind sieben politische Parteien registriert worden. Zu den fünf alten Parteien – „Amanat“ (die einstige „Nur Otan“ – „NG“), „Aq Jol“, die Volkspartei Kasachstans (bis 2020 Kommunistische Volkspartei Kasachstans), die Demokratisch Patriotische Volkspartei Auyl und die Gesamtnationale Sozialdemokratische Partei – sind zwei neue Parteien hinzugekommen – die Partei der Grünen „Baitak“ und „Respublica“. Aber unter ihnen ist nicht eine oppositionelle.

Die Parlamentswahlen waren zwar auch vor etwa einem halben Jahr angekündigt worden, offiziell aber hat man sie lediglich zwei Monate vor dem eigentlichen Wahltag verkündet. Eine Reihe von Politikern hatten sofort erklärt, dass sie es nicht schaffen würden, zu den Wahlen „in Tritt zu kommen“, und sprachen von ungleichen Bedingungen der Wahlkampagne.

Noch eine Neuerung ist, dass die Sperrklausel für Parteien von sieben bis auf fünf Prozent gesenkt wurde. Und es ist eine 30-Prozent-Quote für Frauen, junge Menschen und Menschen mit besonderen Bedürfnissen in den Parteilisten bei der Aufteilung der Mandate vorgesehen worden. Erstmals wird es auf den Wahlzetteln auch die Variante „gegen alle“ geben. Auf den ersten Blick haben die Herrschenden alle Forderungen der Öffentlichkeit erfüllt – das Recht, an den Wahlen teilzunehmen, und das Recht, gewählt zu werden – und rechnen damit, im Parlament neue Gesichter zu sehen.

Wie der kasachische Politologe und Direktor der Gruppe für die Bewertung von Risiken, Dossym Satpajew, betonte, seien gerade unter den Gewinnern in den Direktwahlbezirken in vielen Ländern der Welt oft junge Politiker aufgetaucht, die im Weiteren zu erfahrenen politischen Akteuren geworden seien. „Um keine markanten Vertreter der Opposition ins Parlament einziehen zu lassen, halten die kasachischen Offiziellen den Prozess unter Kontrolle. Dafür werden sogenannte Filter ausgenutzt. Der erste von ihnen ist eine Wahlkaution von 400.000 Tenge (umgerechnet knapp 875 Euro – Anmerkung der Redaktion) für eine Teilnahme an den Wahlen zu den örtlichen Machtorganen und etwas mehr als eine Million (ca. 2185 Euro) für eine Teilnahme an den Parlamentswahlen“, sagte Satpajew der „NG“.

Zum größten Risiko für den oppositionellen Teil der Starter in den Direktwahlbezirken wurde, wie die Wahlen von 2012 und 2016 gezeigt hatten, die Vorlage der Steuererklärungen. Dies ist eine der Forderungen, die jeglicher Kandidat für ein Abgeordnetenmandat einhalten muss. Aber die geringste Ungenauigkeit in der (Steuer-) Erklärung führt zu einer Disqualifikation des Kandidaten.

Ein zweiter wichtiger Aspekt besteht darin, dass im Rahmen dieser Quote von 30 Prozent keine Vertreter der Opposition waren, die im Parlament unpassende Aktionen organisieren könnten. Nach Meinung von Satpajew wollen die Herrschenden ein loyales Parlament erhalten.

Der Politologe Dimasch Alschanow lenkte das Augenmerk darauf, dass bis zu den Wahlen weniger als zwei Wochen geblieben sind. Und ein ernsthafter politischer Kampf sei nicht auszumachen. „Nach den Januar-Ereignissen des Jahres 2022 mussten die Herrschenden bestimmte Reformen durchdrücken. Der Übergang zu einem kombinierten Wahlsystem erlebt der Akorda (dem Präsidialamt – „NG“) einige Richtungen für die Bewahrung der Kontrolle über das politische System und das Parlament zu realisieren. Und dabei die Durchführung von Reformen zu imitieren, darunter auch im Wahlsystem“, sagte Alschanow im Programm „Hyperborea“.

Das kombinierte Wahlsystem erlaube nach seinen Worten den Herrschenden, die parlamentarische Mehrheit zu bewahren. Alle sieben registrierten Parteien seien präsidententreue. Es eine große Partei – „Amanat“, die anderen aber seien ihre Partner. Das heißt: 69 Sitze würden unter jeglichen Umständen bei diesen Parteien bleiben. Daher sei es naiv, einen Machtwechsel zu erwarten.

Er erläuterte ebenfalls, warum eine begrenzte Zahl von Direktmandaten genutzt wird. Die Offiziellen haben für eine bessere Kontrolle sehr große Wahlbezirke mit einer großen Anzahl von Wahlberechtigten geschaffen. Aber für die Kandidaten ist unzureichend Geld für die Wahlkampagne und für eine vollwertige Arbeit mit den Wählern auf solch einem Territorium bereitgestellt worden.

Starke und unabhängige Kandidaten sind Einzelfälle. Sie haben aber keine ernsthaften organisatorischen und finanziellen Möglichkeiten. Sie können den machttreuen Kandidaten, die man mitunter auch als unabhängige auszugeben versucht, keine Konkurrenz bereiten.

Alles in allem ist es nicht schwierig zu erahnen, wie das künftige Parlament aussehen wird. Die absolute Mehrheit in ihm wird bei den machttreuen Parteien bleiben. Aber dabei bleibt dennoch die Möglichkeit, unter den Gesetzgebern unabhängige Abgeordnete zu sehen.

Nach den Wahlen wird die Regierung entsprechend der Verfassung zurücktreten. Nach Aussagen von Präsident Qassym-Schomart Tokajew würden nicht nur die siegende Partei, sondern auch alle anderen ins Parlament einziehenden Kräfte an der Formierung der Regierung teilnehmen. Und alle die Sperrklausel überwindenden Parteien könnten zumindest einen oder zwei Vertreter in der Regierung haben.

Der in Kasachstan arbeitende Politologe und Präsident der öffentlichen Stiftung „Die Welt Eurasiens“, Eduard Poletajew, ist der Auffassung, dass die Parlamentswahlen dem politischen System einen Neustart verleihen und zu einer Erneuerung der Form der staatlichen Verwaltung führen würden. Nach seinen Worten bestehe das Wesen der Reformen in Kasachstan in der Formel „ein starker Präsident, ein einflussreiches Parlament und eine rechenschaftspflichtige Regierung“.

Post Scriptum:

Der Politologe Kasbek Beisebajew schrieb und schreibt ständig auf Facebook zum laufenden Wahlkampf in Kasachstan. Dabei unterstreicht er, dass es in der Republik zwei politische Axiome gebe. Das erste: „Bei uns werden die Parteien durch die Herrschenden oder entsprechend ihrer Genehmigung geschaffen“. Daher seien ungeachtet der Versicherungen der Offiziellen, den Aufbau von Parteien zu liberalisieren, von den 13 Anträge auf eine Registrierung nur zwei gebilligt worden (gemeint sind die Parteien „Baitak“ und „Respublica“). Und das zweite Axiom sei: „Eine Protestabstimmung wird sich vor allem in einem Boykott der Wahlen offenbaren. Das Protestabstimmen jener, die an den Wahlen teilgenommen haben, wird durch die administrativen Ressourcen auf der Ebene der Wahlkommission nivelliert“.

Hinsichtlich der Direktwahlen in 29 entsprechenden Wahlbezirken konstatiert Beisebajew, dass im Durchschnitt 15 Bewerber auf ein Mandat kommen. Nur in Almaty und Astana sind die Zahlen um mehr als das 2fache höher.