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Kiew verspricht starkes Signal an Moskau zum 1. Jahrestag der militärischen Sonderoperation


Kiew bereite ein starkes Signal für Moskau zum 1. Jahrestag des Beginns der sogenannten militärischen Sonderoperation vor, teilte der ukrainische Außenminister Dmitrij Kuleba mit. Zu Elementen solch eines Signals können die Anstrengungen der ukrainischen Seite zum Ausschluss Russlands aus dem UN-Sicherheitsrat neben dem am Vorabend angekündigten Polen-Besuch des Chefs im Weißen Haus, Joseph Biden, werden. Obgleich die unternommenen Schritte im Rahmen der UNO keinen Einfluss auf die Politik der Russischen Föderation ausüben würden, betonten russische Experten. Aber zur gleichen Zeit haben sie es für möglich gehalten, dass sich der Präsident der Ukraine, Wladimir Selenskij, dem Treffen des US-amerikanischen und des polnischen Amtskollegen anschließt. Und da kann erneut von Lieferungen von Flugzeugen für Kiew gesprochen werden, darunter aus Polen.

Zum 1. Jahrestag des Beginns der militärischen Sonderoperation der Russischen Föderation am 24. Februar werde die russische Führung von der Ukraine und ihren ausländischen Partnern ein „klares Signal“ hinsichtlich einer unweigerlichen Niederlage erhalten, erzählte am Montag der Außenminister der Ukraine, Dmitrij Kuleba, im Verlauf eines Fernsehmarathons. Und wenn der russische Präsident Wladimir Putin ein Spiel zur Erschöpfung spiele und denke, dass die Zeit für ihn spiele, so irre er sich zutiefst, denn die Einheit mit der Ukraine nehme mit jedem Tag zu, und in diesem Konflikt werde Moskau unbedingt verlieren, fügte der Außenminister hinzu. Als eines der Elemente des versprochenen Signals nannte er gleichfalls den für den 20. bis 22. Februar geplanten Besuch von US-Präsident Joseph Biden in Polen, „das eine außerordentlich wichtige Rolle bei der Gewährleistung der zweiten Waffenfront für die Ukraine spielt“. Und er kündigte noch eine Verschärfung der Sanktionen gegen Russland an und erinnerte an die Arbeit Kiews zu dessen Ausschluss aus dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Dank einer entsprechenden Erklärung des ukrainischen Außenministeriums Ende vergangenen Jahres würden bald alle begreifen, dass die russischen Vertreter „auf betrügerische Weise“ einen Platz im Sicherheitsrat usurpierten, sagte Kuleba. Obgleich er auch eingestand, dass der Prozess für einen Ausschluss der Russischen Föderation aus dem Sicherheitsrat Zeit in Anspruch nehme und das Zusammenfallen einer Reihe von Faktoren erfordere. „Aber glauben Sie mir, dass für Russland bereits das Erreichen des ersten Ziels – eine Delegitimierung – ein schlimmer internationaler Schlag sein wird“, resümierte der Außenminister.

Die seine Erklärung zitierenden ukrainischen Medien erinnerte dabei daran, dass im Vorfeld des 1. Jahrestages der militärischen Sonderoperation die Verbündeten der Ukraine die Behandlung einer Resolution in der UN-Vollversammlung initiiert hätten, in der darauf verwiesen wird, dass „jeglicher Frieden die territoriale Integrität der Ukraine bewahren muss“.

Es sei daran erinnert, dass bei der Kommentierung des bevorstehenden Polen-Besuchs des amerikanischen Staatsoberhauptes der Koordinator des Nationalen Sicherheitsrates des Weißen Hauses für strategische Kommunikation, John Kirby, bei einem Briefing die Vermutung äußerte, dass Joseph Biden die Bereitschaft der USA unterstreichen werde, den Kampf der Ukraine gegen Russland „so viel, wie erforderlich ist“, zu unterstützen. Zur gleichen Zeit hatte es Kirby bei der Beantwortung der Frage nach der Möglichkeit eines neuen Pakets militärischer Hilfe für Kiew vorgezogen, alles Konkrete für den eigentlichen Hausherren des White House zu belassen. Zuvor hatten Medien gleichfalls über eine wahrscheinliche Teilnahme am Treffen des amerikanischen und des polnischen Präsidenten ihres ukrainischen Kollegen Selenskij informiert. Wonach der Präsident der Ukraine erklärte, dass er keine Einladung erhalten hätte. Allerdings konnte eine derartige Erklärung aufgrund von Sicherheitserwägungen erfolgen.

Gleichfalls sei betont, dass die zum 1. Jahrestag des Beginns der militärischen Sonderoperation geplante außerordentliche Sondertagung der UN-Vollversammlung durch eine Reihe westlicher Staaten und durch die Ukraine einberufen wurde und am 22. Februar ihre Arbeit aufnehmen wird. Dabei rechnen die Initiatoren mit einer massenhaften Unterstützung der vorgesehenen antirussischen Resolution. Im vergangenen Jahr hatte von fünf derartigen Dokumenten die größte Unterstützung eine Resolution im Oktober erhalten, die die früher abgehaltenen Referenden in den Donbass-Republiken DVR und LVR sowie den Verwaltungsgebieten Saporoschje und Cherson über einen Beitritt zur Russischen Föderation als illegitime anerkannte. Damals hatten für sie 143 von 193 UN-Staaten gestimmt. Freilich, die Resolutionen der Vollversammlung haben nur einen empfehlenden Charakter.

Dennoch aber, welche der in Kiew aufgezählten „signalträchtigen“ Maßnahmen aus Anlass des 1. Jahrestages der militärischen Sonderoperation wird sich als effektivste erweisen?

Nicht eine der genannten Handlungen werde die Politik der Russischen Föderation in Bezug auf die Ukraine beeinflussen, erklärte der „NG“ Iwan Timofejew, Programmdirektor des Russischen Rates für internationale Angelegenheiten. Natürlich könne man eine Resolution der Vollversammlung bestätigen, fuhr er fort, die aber bereits nicht in der Lage sei, die auch so für lange Zeit verdorbenen Beziehungen zwischen der Russischen Föderation und den Westen zu verändern und irgendwie deren Zusammenarbeit mit der internationalen Mehrheit zu beeinflussen. Und man könne auch möglicherweise die Frage nach einer Reformierung des UN-Sicherheitsrates aufwerfen, die bekanntlich nicht so einfach ist, oder gar ein dutzend neuer Treffen in Warschau organisieren. Aber all dies werde keine praktische Wirkung auf die Lösung jener Probleme ausüben, die dieser Konflikt auslöste. Wie im Grunde genommen auch der Polen-Besuch des US-amerikanischen Präsidenten sie nicht beeinflussen werde. Obgleich man wahrscheinlich auch versuchen werde, ihn als einem dem anstehenden Datum gewidmeten darzustellen. Und weiter werde man aus diesem Anlass richtige Worte finden und obendrein eine eigene Konsolidierung demonstrieren, räumte Timofejew ein. Dabei bekundete er den Vorbehalt, dass es offensichtlich sei: In Kiew sei man an einer Erhöhung der generellen Temperatur interessiert. Es sei klar, dass man dort bestrebt sei, das generelle Interesse am Ukraine-Thema zu bewahren, dass mit der Zeit unweigerlich nachzulassen beginne, konstatierte der Moskauer Politologe.

Es verstehe sich, dass die angekündigten Maßnahmen wie propagandistische Aktionen aussehen würden, erläuterte der „NG“ der leitende wissenschaftliche Mitarbeiter des Instituts für internationale Studien an der Moskauer Diplomatenhochschule MGIMO des russischen Außenministeriums, Nikolaj Silajew. Und neben anderem seien sie scheinbar dazu bestimmt, die Bedeutsamkeit des ukrainischen Außenministeriums zu bekräftigen. „Und jetzt hat sich Minister Kuleba auch ausgedacht, wie man den geplanten Osteuropa-Besuch des amerikanischen Staatsoberhauptes sozusagen zu einem Teil des ukrainischen Plans zu machen. Im Übrigen, wenn der Präsident der Ukraine seit Ende vergangenen Jahres begonnen hat, das Land zu verlassen, was kann ihn daran hindern, sich noch einmal nach Polen zu begeben? Wahrscheinlich wäre es erstaunlich, wenn dieser Besuch von Joseph Biden genauso nicht von seinem Treffen mit Wladimir Selenskij begleitet werden würde“, konkretisierte Silajew. Über die wahrscheinlichen Entscheidungen im Verlauf eines derartigen Treffens Überlegungen anstellend, konkretisierte der Experte, dass die in der letzten Zeit unternommenen praktischen Schritte üblicherweise neue Lieferungen westlicher Waffen für Kiew betroffen hätten. Zuvor hatte man sich bereits über die Übergabe von Panzern an die Ukraine geeinigt. Jetzt steht, wie sich herausstellt, die Frage nach Flugzeuglieferungen an. „Hier ist aber wichtig, die Erklärungen an sich und die sich anschließenden konkreten Handlungen, die von der Zeit her nicht immer zusammenfallen, zu trennen. Obgleich, wenn jetzt eine Entscheidung getroffen wird, so wird sie wahrscheinlich einen Einsatz westlicher Piloten bedeuten. Und möglicherweise wird man Polen zum Einsatz der eigenen Luftwaffe auf ukrainischem Territorium segnen. Früher hatte man sich dieser Entscheidung enthalten. Jetzt aber kann man ihr zustimmen – und nicht so sehr aufgrund des Jahrestages der militärischen Sonderoperation, sondern als Folge der Dynamik des Konfliktes. Letztere beunruhigt natürlich die westlichen Spitzenvertreter, aber bisher nicht in solch einem Maße, um eine Gefahr für sich zu spüren“, meinte spekulierend der Mitarbeiter der Moskauer Diplomatenhochschule MGIMO.

Übrigens, am Vorabend hatte Polens Präsident Andrzej Duda in einem Interview für französische Journalisten gewarnt, dass Russland in den Kampfhandlungen siegen könne, wenn der Westen nicht kurzfristig der Ukraine alle nötigen Waffen bereitstelle. Er warnte gleichfalls die westlichen Partner vor dem Irrglauben, dass Moskau einhalten werde, wenn es ukrainische Territorien erhält oder zehntausende Soldaten verliert. Und daher müsse der Ukraine in den nächsten Wochen Gefechtstechnik geliefert werden, andernfalls könne Russlands Präsident Putin siegen. „Er kann siegen. Und wir wissen nicht, wo er stoppen wird“, resümierte Duda.