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Kiew will Saakaschwili aus Georgien herausbringen


Die Ukraine beginnt, aktiv an einer Rückholung ihres Staatsbürgers, des Ex-Präsidenten Georgiens Michail Saakaschwili, zu arbeiten. Letzterer ist in der historischen Heimat aufgrund einer Reihe von Anklagen festgenommen worden. Dabei unternimmt das Anwalts- und Ärzte-Team Saakaschwilis Versuche, ihn nicht nur um jeden Preis und unter jeglichem Vorwand aus der Haft herauszuholen, sondern offensichtlich auch aus Georgien.

Im Stadtgericht von Tbilissi werden in diesen Tagen gleiche mehrere Fälle behandelt, in deren Hinsicht Anklage gegen Michail Saakaschwili erhoben wurde. Er selbst, der sich im Militärhospital von Gori befindet, wo er nach einem anderthalbmonatigen Hungerstreik die Gesundheit wiederherstellt, nimmt selektiv an den Gerichtsverhandlungen teil. In der letzten Zeit hat er scheinbar ein wenig das Interesse an den Prozessen verloren, bei denen er versucht hatte, als ein Ankläger der Herrschenden Georgiens aufzutreten.

Zu einem neuen Anlass für einen zornigen Auftritt Saakaschwilis gegen die Offiziellen wurde die Festnahme des ehemaligen georgischen Vizeinnenministers Georgi Lordkipanidze aufgrund des Vorwurfs der Organisierung seiner illegalen Einreise in das Land. Nach Aussagen Saakaschwilis sei Lordkipanidze zum ersten hochrangigen Polizeibeamten des Verwaltungsgebietes Odessa geworden, der keine Bestechungsgelder angenommen hätte. „Er hat die Diversionshandlungen Russlands in Odessa vereitelt… Er hat eine Reihe erfolgreicher Operationen gegen die russische Aufklärung sowohl in Georgien als auch in der Ukraine durchgeführt. Ich bin darüber frappiert, dass die Regierung des „Georgischen Traums“ in den neun Jahren des An-der-Macht-seins nicht einen einzigen russischen Agenten entdeckt hat, dafür aber gegen General Lordkipanidze Vorwürfe erhob. Daher halte ich das Geschehen für eine Ausführung eines direkten Auftrags Russlands“, heißt es in einem Appell Saakaschwilis.

Staatsanwalt Levan Vepkhvadze berichtete bei einem Briefing ausführlich über jene Arbeit, die Lordkipandize ausgeführt hatte, wobei er die illegale Rückkehr von Saakaschwili nach Georgien absicherte. Ihm wird die Organisierung eines illegalen Übertritts der Staatsgrenze vorgeworfen, aber auch ein Missbrauch der Dienststellung bei der Niederschlagung einer Aktion der Opposition am 26. Mai 2011.

Mit Saakaschwili kann sich die Situation aufgrund einer Aktivierung Kiews wirrer gestalten, das sich dessen Rückkehr in die Ukraine, deren Staatsbürger er ist, angenommen hat. Einer der nächsten Mitstreiter des ehemaligen Präsidenten, das Ex-Oberhaupt von Adscharien Levan Varshalomidze, der heute als Sekretär des Nationalen Investitionsrates beim Präsidenten der Ukraine arbeitet, teilte mit, dass in Kiew die vorbereitenden Arbeiten unterschiedlicher Behörden zum Schutz der Rechte Saakaschwilis abgeschlossen werden. „An diesem Prozess nimmt auch aktiv Präsident Wladimir Selenskij teil“, erklärte Varshalomidze nach einem Besuch von Michail Saakaschwili im Hospital. Nach seinen Worten habe sich der Ex-Präsident Georgiens frappierend verändert. „Ich kenne ihn rund 30 Jahre… Und dies ist ein völlig anderer Mann. Er ist schwach und passiv. Möglicherweise sind die Veränderungen durch die Einschränkung der Freiheit ausgelöst worden. Er ist aber bereit, bis zum Ende für den Sieg zu kämpfen, sowohl seines als auch des Landes“.

Gerade auf die Schwäche von Michail Saakaschwili und die Persönlichkeitsveränderungen akzentuieren die Ärzte und Anwälte die Aufmerksamkeit. Nach ihrer Meinung wirke sich die Inhaftierung, auch wenn er jetzt nicht im Gefängnis, sondern in einem Hospital sei, schädlich auf ihn aus. Saakaschwili ist die Möglichkeit genommen worden, seine überschäumende Energie einzusetzen, und er befinde sich in einem Stresszustand. Sie haben bereits begonnen, von der Notwendigkeit einer unverzüglichen Freilassung des Ex-Präsidenten zu sprechen, wobei sie präzisieren, dass er wahrscheinlich eine Behandlung in einer Spezialklinik in Europa brauche, da es in Georgien keine solche Krankenhäuser gebe. In ihrer Lexik taucht immer häufiger das Wort „Folterungen“ auf, obgleich es zumindest sehr schwer werden wird, deren Anwendung gegen Saakaschwili nachzuweisen.

Gerade mit diesen Ärzte-Einschätzungen verbindet ein Teil der georgischen Öffentlichkeit die überraschende Ablösung der Gesundheitsministerin Ekaterine Tikaradze. Nach Aussagen offizieller Vertreter habe Tikaradze beschlossen, den Posten aufgrund einer banalen Übermüdung zu verlassen. Die ständige Verschlechterung der epidemischen Situation im Verlauf einer schon langen Periode habe die Ministerin zermürbt. Dabei bestreiten sie nicht das Bestehen einiger Widersprüche zwischen Tikaradze und Premierminister Irakli Gharibaschwili. Saakaschwili ist aber davon überzeugt, dass die Ministerin zu einem Opfer der Rache des informellen Herrschers von Georgien, von Bidsina Iwanischwili, geworden sei. In einem Brief des Ex-Präsidenten, den sein persönlicher Arzt an die Medien weitergeleitet hatte, heißt es, dass Iwanischwili die Augen vor den Misserfolgen Tikaradzes bei der Pandemiebekämpfung verschlossen habe, doch er hab ihr nicht die Bildung einer Ärztekommission vergeben, dank der er aus dem Gefängnislazarett ins Militärhospital verlegt worden war.

Nach Einschätzung von Beobachtern sei Saakaschwili in seiner gewohnten Rolle und nutze jegliche Situation für seine Interessen aus. Bezeichnend in dieser Hinsicht ist sein schriftliches Interview für das ukrainische Medium „Neue Zeit“. Er distanzierte sich unter anderem komplett von seiner Erklärung hinsichtlich des Unwillens, in die Ukraine abgeschoben zu werden. 2Ich habe dies nie gesagt“. Jetzt ist er scheinbar bereit, jegliche Handlungen Kiews zu akzeptieren, wenn sie helfen, in die Freiheit zu kommen. Saakaschwili dankte über dieses Medium Selenskij, dem Chef des Präsidenten-Office Andrej Jermak, der regelmäßige Beratungen zu seiner Freilassung aus dem Gefängnis durchführt, aber auch der Menschenrechtsbeauftragten der Ukraine Ludmilla Denisowa. „Sie alle haben mir im letzten Moment das Leben gerettet, als ich nach 50 Tagen Hungerstreik und Foltern in ein Koma fiel. Die Offiziellen (Georgiens – „NG“) waren entschieden auf einen Mord aus“, erklärte Saakaschwili. Nach seinen Worten würde er sich freuen, nach Hause, nach Kiew zurückzukehren und weiter sowohl Georgien als auch der Ukraine zu helfen. „Ich bleibe ein Georgier und stolzer Inhaber eines ukrainischen Passes“, sagte er, wobei er seine Erzählung damit ergänzte, dass er in der Haft die Zeit mit dem Lesen der Geschichte der Ukraine von (Michail) Gruschewskij sowie von Werken ukrainischer Autoren verbringe.

Derweil lehnte es die Menschenrechtsbeauftragte Georgiens Nino Lomjaria, die wegen der aktiven Teilnahme am Schicksal Saakaschwilis als eine Oppositionspolitikerin gelabelt wurde, ab, auf die Frage nach dem Gesundheitszustand des ehemaligen Staatsoberhauptes Georgiens die akute Notwendigkeit dessen Behandlung in einer ausländischen Spezialklinik zu bestätigen. Sie sagte, dass das letzte Wort die Ärzte zu sprechen hätten. Aber sie selbst sei nicht dagegen, dass in das bestehende Ärztekonsilium noch ein Spezialist aufgenommen wird – für psychotrope Präparate. Lomjaria erläuterte, dass sie sowohl von Saakaschwili als auch von seinen Nächsten gehört hätte, dass man ihm überhöhte Dosierungen derartiger Medikamente verabreicht hätte.