Kirgisiens Präsident Sadyr Dschaparow hat vorgeschlagen, in allen Regionen des Landes Casinos zu eröffnen. Die Glücksspiel-Industrie werde nach seiner Meinung helfen, den Haushalt der mittelasiatischen Republik aufzufüllen. Die Abgeordneten des Parlaments haben bereits die Behandlung eines entsprechenden neuen Gesetzentwurfs begonnen. Das durch die Abgeordneten in erster Lesung verabschiedete Dokument hat Streits ausgelöst, da es während des für die Moslems heiligen Monats des Ramadans behandelt wird. Das Staatsoberhaupt ist der Auffassung, dass dies weniger haram (weniger sündig entsprechend dem Koran) sei als der Verkauf von Alkohol oder der Verzehr von Schweinefleisch.
Die Abgeordneten des Shogorku Kenesh — des Obersten Rates (Landesparlament) – werden nach dem 12. Mai, wenn der heilige Monat Ramadan zu Ende ist, zu der Gesetzesvorlage über die Eröffnung einer Glücksspiel-Zone zurückkehren. Am 21. April hatte im Parlament die erste Abstimmung stattgefunden. Einige Abgeordnete hatten sich dafür ausgesprochen, dass es Casinos geben solle, sich danach auf einmal besonnen und gebeten, den Gesetzentwurf zu einer neuen Abstimmung vorzulegen. Angeblich hätte der Teufel seine Finger mit im Spiel gehabt und man nicht den Knopf gedrückt hätte. Die Glücksspiel-Industrie sei haram.
Der stellvertretende Vorsitzende der Geistlichen Verwaltung der Moslems Kirgisiens, Kadyr Malikow, war über das Verhalten der Abgeordneten erstaunt, die „das Namaz lesen, sich an das Orozo (kirgisisch: religiöses Fasten im Islam – „NG“) halten, freitags zur Chutba (Freitagsgebet – „NG“) in die Moschee im Parlamentsgebäude kommen“, dabei für die Eröffnung von Casinos stimmen würden. Seinen Worten zufolge würden die Initiatoren der Idee, der ehemalige Parlamentschef Dastanbek Dschumabekow und Baktybek Turusbekow, dies damit begründen, dass die Spielhäuser nötig seien, aber nur in einer speziellen Verwaltungsregion und ausschließlich für Ausländer. „Entsprechend dieser Logik werden Ungerechtigkeit, Diebstahl, die Gewährung von Verführungen usw. hinsichtlich von Nicht-Staatsbürgern Kirgisiens sozusagen gerechtfertigt und sind nicht verboten? Schließlich ist das Wichtigste der Gewinn für den Staat, Geld für den Etat. Und das, auf welche Art und Weise dies erreicht wird, hat keine Bedeutung. Dabei bemüht sich jeder Gottesfürchtigkeit verbal zu demonstrieren“, schrieb Malikow auf seiner Facebook-Seite.
Es sei daran erinnert, dass die Glücksspiel-Industrie in Kirgisien seit 2012 verboten ist. Im Jahr 2015 haben die Totalisatoren und Wettspielbüros die Arbeit eingestellt. Die Parlamentarier werden jedoch regelmäßig das Thema der Eröffnung von Casinos auf. Dieses Mal lobbyiert Präsident Sadyr Dschaparow persönlich diese Idee.
In der Gesetzesvorlage wird die Schaffung einer speziellen Glücksspiel-Zone für Ausländer am Ufer des Sees Issyk-Kul, auf dem Territorium des Flughafens „Tamtschi“ vorgeschlagen. Dies werde nach Meinung der Initiatoren den Landesetat auffüllen. Freilich, um diese Industrie anzuschieben, wird der Regierung vorgeschlagen, zusätzliche Haushaltsmittel für den Bau von Hotels, der Casinos und andere Glücksspiel-Stätten ausfindig zu machen.
In der Gesellschaft ist die Mitteilung über die Wiedergeburt der Glücksspiel-Industrie in Kirgisien zwiespältig aufgenommen worden. Eher sogar kritisch. Die Menschen erinnern sich, wie die Arbeitsmigranten das ganze in Russland verdiente Geld in den Casinos und an den Totalisatoren verprassten. Und ihre Familien hungerten und fanden sich ohne Existenzmittel auf der Straße wieder. Und die Klausel im Gesetzentwurf, dass nur Ausländer zu spielen erlaubt werde, hat die Empörung der Gegner nicht verringert. Sie verweisen darauf, dass rund 500.000 Bürger Kirgisiens einen zweiten Pass haben – von der Russischen Föderation oder von Kasachstan.
Sadyr Dschaparow trat daher am 27. April mit Erläuterungen an die Öffentlichkeit. In einem Interview für den vom Staat kontrollierten TV-Sender „Pyramide“ erklärte er, dass der Etat Einnahmen verlange. Geld könne durch die Entwicklung der Glücksspiel-Industrie verdient werden. Und er schlug vor, sich nicht nur auf das Issyk-Kul-Verwaltungsgebiet zu beschränken. „Ich habe dem Apparat des Präsidenten und dem Shogorku Kenesh den Auftrag erteilt, dass sie einen Vorschlag über die Eröffnung von Casinos in Bischkek sowie in allen Verwaltungsgebieten und Städten Kirgisiens ausarbeiten“, sagte das Staatsoberhaupt. Seinen Worten zufolge würden für den Erhalt einer Lizenz für die Eröffnung eines Casinos harte Forderungen gestellt werden. „Wir werden damit zwei Fliegen mit einer Klappe erschlagen. Erstens werden diejenigen eine Lizenz erhalten können, die den Gästen 5-Sterne-Hotels zur Verfügung stellen können. Zweitens wird eine Lizenz Millionen Som kosten. Ich habe den Auftrag erteilt, dass in dem Gesetzentwurf das Verbot für eine Zutritt von Kirgisien in diese Casinos verankert wird. Unsere können nicht dort reingehen. Dazu wird es eine strenge Kontrolle geben. Unsere mit einer doppelten Staatsbürgerschaft werden auch nicht diese Casinos besuchen können. Wenn ein Casino die Regeln und Anforderungen verletzt, wird man ihm die Lizenz entziehen“, kommentierte das Staatsoberhaupt.
Er antwortete ebenfalls auf die Kritik hinsichtlich dessen, dass das Gesetz im für die Moslems heiligen Monat Ramadan angenommen werde. „Dies sind alles Worte. Beispielsweise verkauft man doch Wodka auf der Straße. Und dadurch kommen Steuern. Ist dies etwa nicht haram? Von den Akzisen bekommen wir Steuern, von den Schweinefleisch-Verkäufern bekommen wir Steuern. Ist dies etwa nicht haram? Im Vergleich dazu sind die Casinos möglicherweise mehr halal (im Islam erlaubt – „NG“). Ich bin kein Ulema (islamischer Rechts- und Religionsgelehrter), ich bin kein Moldo (kirgisisch: Mulla – islamischer Geistlicher). Aber wir müssen Gelder von den Casinos erhalten. In den Etat sollen Milliarden Som fließen“, sagte der Präsident.
Nutzer der sozialen Netzwerke sagen, dass „das Auffüllen des Etats durch die Glückspiel-Industrie, die Schaffung von Arbeitsplätzen schöne Worte sind, hinter denen sich ein banales Waschen der Gelder verbirgt, die auf kriminellem Wege verdient wurden“. Casinos wurden stets durch kriminelle Kreise verwaltet. Beispielsweise kann ein Vertreter einer kriminellen Gruppe extra im Casino unrechtmäßig erhaltene Gelder verspielen und dann diese im Ausland abgreifen. Im Ergebnis wird er zeigen, dass er angeblich dieses Geld gewonnen habe. „Dieses System war zu Zeiten der Bakijew-Leute organisiert worden“, sagte der Journalist Semetei Talas uulu gegenüber dem Hörfunksender „Asattyk“ (der kirgisisch-sprachige Dienst von Radio Liberty). Er ist der Auffassung, dass kriminelle Gruppen an der Eröffnung von Casinos interessiert seien.
„Das Bestreben zumindest etwas zu schaffen, das Einnahmen in den Etat bringt, ist verständlich, da sich die Republik in einer Krise befindet. Doch das Streben nach schnellem Geld hat seine Vorgeschichte. In der Zeit nach dem Zusammenbruch der UdSSR hatte Kirgisien mehrfach eine derartige Taktik angewandt – eine für das Glücksspiel freie Zone einzurichten. Solche Versuche gab es bereits zu Zeiten der Präsidentschaft von Askar Akajew und von Kurmanbek Bakijew. Und sie haben jedes Mal ein Fiasko erlitten, da dieses Business dem Etat nichts gebracht hatte. Ich denke nicht, dass sich jetzt irgendwelche Veränderungen vollzogen haben und es den Offiziellen gelingen wird, die Glückspiel-Industrie zu einer profitablen für den Staat zu machen“, sagte der Experte für Zentralasien und den Mittleren Osten Alexander Knjasew gegenüber der „NG“. Nach Meinung des Experten befinde sich das Kurort-geschäft am Issyk-Kul an und für sich in einer Krise, vor allem aufgrund der politischen Instabilität und des Ausbleibens einer staatlichen Unterstützung. Mehrere Casinos und Hotels zu errichten, wohin einzelne Personen kommen werden, ist nicht rentabel. Überdies bleibt die Frage: Werden sie überhaupt an den Issyk-Kul kommen, wenn es andere Länder gibt, wo dieser Sektor auf einem zivilisierten Niveau funktioniert, besonders wenn man berücksichtigt, dass die meisten Menschen die Vorstellung von Kirgisien haben, dass dies ein Territorium der Instabilität sei. Die Tätigkeit ist mit viel Geld verbunden, so dass sich Fragen hinsichtlich der Sicherheit ergeben. Daher ist die Entwicklung einer Glücksspiel-Industrie in Kirgisien kein Ausweg, meint Knjasew.
„All dies belegt insgesamt: Alles, was man ungefähr als Programm der gegenwärtigen Führung bezeichnen kann, besitzt einen äußerst populistischen Charakter. Die Gesellschaft besitzt ein recht kurzes Gedächtnis, und schon nicht alle erinnern sich heute daran, dass die Casinos eingerichtet und erbaut wurden, um das Renommee der Führung für eine kurze Zeit zu unterstützen. Das Elektorat, das für Sadyr Dschaparow im Januar und jetzt bei den Kommunalwahlen für die durch ihn kontrollierten Parteien stimmte, kann bald von ihm enttäuscht sein. Und es stehen die Parlamentswahlen an. Daher ist dies solch ein „Zuckerbrot“ für das Elektorat: Wir eröffnen jetzt Casinos, und ich löse eure Probleme aus dem Haushalt, der durch die Anhebung der Strompreise aufgefüllt wird. Am Vorabend hatte Sadyr Dschaparow eine neue Tarifpolitik vorgeschlagen. Die kann man bis zum August dieses Jahres bestätigen“, sagte Knjasew. Er betonte, dass es derartiges bereits unter Bakijew gegeben hätte. „Die Anhebung der Preise für Elektroenergie und der Fernmeldedienstleistungen wirkte als ein zusätzlicher Anlass für eine Destabilisierung und im Endergebnis zur Vertreibung des Regimes“, erinnerte der Experte.