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Kirgisien will gesetzlich verbotene Uran-Förderung wieder aufnehmen


In Kirgisien setzt man auf die Uran-Industrie als eine neue Einnahmequelle. Dazu hat die Regierung dem Parlament einen Gesetzentwurf vorgelegt, der geologische Erkundungsarbeiten und die Förderung von Uran und Thorium, die im Jahr 2019 nach Massenprotesten verboten wurden, legalisiert. Eine Wiederaufnahme der Förderung von Uran wird die Realisierung des Projekts zur Errichtung eines Kernkraftwerkes in der Republik beschleunigen. Die Annahme der neuen Gesetzesvorlage wird neue Möglichkeiten für die Tätigkeit des russischen Staatskonzerns Rosatom in der Republik Kirgisien schaffen.

Im Erläuterungsschreiben zum Gesetzentwurf wird unterstrichen, dass „die Förderung und der Export dieser wertvollen Bodenschätze zu einem wichtigen Faktor für das Wirtschaftswachstum werden können. Die Regierung verspricht, die ökologische Sicherheit zu gewährleisten, indem moderne Technologien für die Förderung eingeführt werden, die die Einwirkung auf die Umwelt minimisieren.

„Die Annahme des Gesetzentwurfs wird von einem Monitoring moderner Technologien zur Förderung von Uran und Thorium durch die (zuständigen) staatlichen Behörden begleitet. Und diese werden eine Minimierung des negativen Einflusses der Förderung der Bodenschätze auf die Umwelt fördern“, heißt es in der Begründung zur Gesetzesvorlage, die auf der Internetseite des kirgisischen Parlaments veröffentlicht wurde.

Jedoch bleibt die Frage nach einer Wiede4raufnahme der Uran-Förderung eine umstrittene. Im Jahr 2019 waren Einwohner des Verwaltungsgebietes Issyk-Kul und Aktivisten gegen die Erschließung der Lagerstätten Tasch-Bulak und Kyzyl-Ompol aufgetreten, wobei sie negative Folgen für die Ökologie und die Gesundheit der Bevölkerung befürchtet hatten.

Der neue Gesetzesentwurf hat bereits eine Billigung der zuständigen Fachministerien und Institutionen erhalten. In der Regierung ist man sich sicher, dass seine Verabschiedung keine negativen sozialen, wirtschaftlichen oder ökologischen Folgen nach sich ziehen werde.

Offen bleibt die Frage: Vermag Kirgisien eine Balance zwischen den Wirtschaftsinteressen und der Bewahrung der Umwelt zu finden? Das Schicksal der Gesetzesvorlage und die Zukunft der Uran-Industrie des Landes befinden sich nun in den Händen des Parlaments.

Zuvor hatte Kirgisiens Präsident Sadyr Dschaparow erklärt, dass die Förderung von Uran nicht weniger Gewinn als die Förderung von Gold verspreche. Er zerstreute gleichfalls die Befürchtungen hinsichtlich einer Erschließung und Ausbeutung der Uran-Lagerstätte Kyzyl-Ompol. In einem Interview der Nachrichtenagentur Kabar erklärte er, dass das Uran in seiner Rohform keine Bedrohung darstelle. Eine Gefahr ergebe sich nur bei seiner Anreicherung. „Angst haben darf man nicht vor dem Uran an sich, sondern vor seiner angereicherten Form. Wir müssen beim Umgang mit ihm nach der Herauslösung, während der Lagerung und beim Transport vorsichtig sein“, unterstrich der Präsident.

Dschaparow versicherte, dass nach dem Abtransport des (Uran-) Erzes der Boden rekultiviert werde. Und Endlager für die verarbeiteten Erze, ähnlich jenen, die in Kadshi-Saj und Min-Kusch existieren, würden nicht angelegt werden. Mit den Fragen einer Wiederherstellung der verseuchten Territorien Kirgisiens würde sich der russische Staatskonzern Rosatom befassen. Und alle Arbeiten würden zu Lasten der russischen Seite realisiert werden. Am Rande des internationalen Forums „ATOMEXPO-2024“, das im März dieses Jahres in Sotschi stattgefunden hatte, unterzeichneten Kirgisien und Russland ein Abkommen über die Rehabilitierung der Territorien, die von der Uran-Förderung und anderen Bergbauarbeiten betroffen wurden. Das Ziel sind ein Schutz der Bevölkerung, die in den Gebieten der angelegten Endlager für verarbeitete Erze lebt, und die Verringerung des Risikos des Auftretens von Katastrophensituationen. Russland wird Kirgisien 2,141 Milliarden Rubel für die Rekultivierung der ausgewiesenen Endlager bereitstellen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gibt es in der Republik 92 Endlager für radioaktive und toxische Stoffe.

„Ich möchte das Augenmerk auf zwei Schlüsselaspekte lenken. Erstens habe ich in der Regierung gearbeitet, als das Gesetz über ein Verbot der Uran-Förderung verabschiedet wurde. Damals hatten westliche und prowestliche NGOs eine beispiellose Kampagne zur Ausübung von Druck auf die Offiziellen und die Gesellschaft entfaltet. Massenmedien und die sozialen Netzwerke hatten die Hysterie um dieses Thema angeheizt. Und Premierminister Muchammedkaly Abylgasijew und Präsident Sooronbai Sheenbekow waren gezwungen gewesen, nachzugeben und die Erschließung der Lagerstätte Kyzyl-Ompol zu untersagen“, sagte der „NG“ Kubatbek Rachimow, Ex-Berater des Premierministers der Republik Kirgisien und Exekutivdirektor des Zentrums für strategische Lösungen „Applicata“.

Nach seiner Meinung hätte der Fehler der russischen Investoren darin bestanden, dass sie das Projekt nicht richtig zu positionieren vermochten. „Der Akzent wurde auf die Förderung von Uran gelegt, während die Lagerstätte Kyzyl-Ompol rech an seltenen Erdmetallen ist. 95 Prozent des Erzes macht gerade Titanomagnetit aus, das Uran aber nur ganze 0,17 Prozent. Drei Prozent der Zusammensetzung des Erzes entfallen auf Phosphor, zwei Prozent auf Zirkonium, 0,22 Prozent auf Thorium. Das Uran macht lediglich einen geringen Anteil aus. Dass dies mehr eine Titanomagnetit-Lagerstätte ist, hat man erst vor kurzem zu berichten begonnen. Bis dahin hatte man sie als eine Uran-Lagerstätte bezeichnet.

„Die Öffentlichkeit und die Investoren sind gegenüber der Wahrheit sensibel. Aber die Wahrheit bestand darin, dass es dort ein wenig Uran, aber viele seltene Erdmetalle gibt. Man musste das Schwergewicht auf die nichtradioaktiven Komponenten legen und beweisen, dass die Erschließung und Ausbeutung der Lagerstätte sicher und vorteilhaft sind“, meint der Experte. Nach seiner Meinung führte die ungeschickten Handlungen des Investors zu tragischen Folgen – zu einer Kettenreaktion, zu einer Blockierung aller Projekte im Zusammenhang mit der Atomindustrie. Dies sei ein einmaliger Fall im postsowjetischen Raum, dass die Widersprüche um eine Lagerstätte zu solch einem Ergebnis führten.

„Daher halte ich die gegenwärtigen Handlungen der Regierung für absolut richtige. Mehr noch, ein großer Teil der destruktiven Kräfte, der für ein Verbot der Erschließung der Uran-Lagerstätten eingetreten war, ist neutralisiert worden. Das Gesetz über die ausländischen Agenten hat seine Rolle bei der Neutralisierung der destruktiven Kräfte gespielt. Übrigens, eben jene „Berufskämpfer für die Wahrheit“, die die Hysterie um das Uran losgetreten hatten, versuchten, das Gleichgewicht auch bei der Unterzeichnung eines Abkommens mit der Ukraine über die Grenze und die Übergabe des Kempir-Abad-Stausees zu zerstören“, ist Rachimow überzeugt.

Jetzt, da seinen Worten zufolge diese destruktiven Handlungen neutralisiert seien und das Parlament zu einem Dialog bereit sei, „können wir den Status Quo im Bereich der Förderung von Uran und Thorium wiederherstellen, die auf Eis gelegten Projekte wieder anfahren und faktisch die Projekte von Rosatom legalisieren.

Es muss eingestanden werden, dass die Handlungen der Offiziellen eine widersprüchliche Reaktion im Land auslösen. Die Gegner der Errichtung eines AKW setzten ihre Linie weiter fort, wobei sie auf alle möglichen Risiken verweisen. Andererseits gibt es jene, die der Auffassung sind, dass, da nun einmal ein Abkommen mit Rosatom über den Bau eines AKW unterzeichnet wurde, man aktiver handeln müsse. „Für den Präsidenten und den Premierminister ist dies eine Möglichkeit zu zeigen, wer der Herr im Hause ist. Schließlich kamen die Zusagen, die Rosatom bezüglich der Errichtung eines AKW gemacht worden waren, gerade aufgrund der gesetzgeberischen Einschränkungen zum Stocken“, betonte Rachimow.

Unter Berücksichtigung dessen, dass sich viele Anstifter des „Verrats“ außerhalb Kirgisiens befinden würden, werde der potenzielle Sturm von Unmut wahrscheinlich ein Sturm im Wasserglas sein, nimmt der Experte an.

Die Aufhebung des Verbots für eine Förderung von Uran und Thorium wird erlauben, auf den internationalen Markt zu gelangen, zumal es neben dem Karabaltinsk-Kombinat, wo das Uranerz verarbeitet wurde, im Land keine besonderen Kapazitäten für eine Verarbeitung seltener Erdmetalle gibt. Dies wird gleichfalls der Entwicklung dutzender Unternehmen, deren Arbeit durch die geltende Gesetzgebung gelähmt wurde, einen Impuls verleihen. Und in der Republik werden neue Arbeitsplätze geschaffen.